Kerstin TackSPD - Empfehlung der VN zur Behindertenrechtskonvention
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir 2009 in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert haben und sie damit auch für Deutschland für gültig erklärt haben, da war jedem klar – ganz unabhängig von der Ebene, auf der er sich bewegt, also unabhängig davon, ob er politisch aktiv ist, ob er ehrenamtlich oder hauptberuflich in der Szenerie arbeitet –: Hier haben wir eine Mammutaufgabe vor uns, der wir uns mutig annehmen wollen und müssen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])
Im Jahre 2011 hat die damalige Bundesregierung den ersten Staatenbericht vorgelegt. Dieser Bericht war Grundlage der Staatenprüfung in Genf. Es muss auch einmal gesagt werden, dass dieser Bericht zum Zeitpunkt der Staatenprüfung bereits vier Jahre alt war und sich natürlich auf die entsprechenden Maßnahmen bezog.
Mittlerweile haben wir in Deutschland die Situation, dass nicht nur der nationale Bildungsbericht der Bundesregierung vorgelegt wurde, sondern dass auch in fast allen Bundesländern und in vielen Kommunen Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erstellt wurden oder auf dem Weg sind. Ich finde, da kann man nicht sagen, dass die UN-Behindertenrechtskonvention auf den verschiedenen Ebenen in Deutschland noch keine Beachtung gefunden hat. Vielmehr haben sich viele auf den Weg gemacht und für ihre jeweiligen Zuständigkeitsbereiche genau die erforderlichen Maßnahmen herausgearbeitet und entsprechende Konzepte verfasst.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Allerdings fehlt noch eine Strategie, die über die verschiedenen Ebenen ein übergreifendes Gesamtumsetzungskonzept für die UN-BRK zum Ziel hat. Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren wichtig und nötig wird, die Erstellung einer solchen Gesamtstrategie stärker in den Fokus zu nehmen. Wir haben auch bei der Staatenprüfung gemerkt, dass die Empfehlungen, die sehr stark und deutlich sind, ganz häufig nicht nur eine Ebene in ihrer Zuständigkeit ansprechen, sondern genau diese gemeinsame Verantwortung für die UN-Behindertenrechtskonvention verlangen.
Das heißt für uns natürlich, dass wir auf der Bundesebene vieles regeln können. Aber im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft brauchen wir auch die Kommunen und die Länder. Gerade wenn es um ein inklusives Bildungssystem, einen inklusiven Arbeitsmarkt und eine inklusive Betreuung von Menschen mit Behinderungen geht – ambulant und stationär, aber auch in der Altenhilfe –, ist eine gemeinsame Anstrengung erforderlich. Hier haben wir uns in dieser Legislaturperiode eine ganze Menge vorgenommen, um in Deutschland mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention Stück für Stück voranzukommen.
Erst vorgestern – das hat die Kollegin Werner angesprochen – haben wir beim Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung den barrierefreien Ausbau von Wohnraum und Infrastruktur zum Thema gehabt. Ich finde es hervorragend, dass die Bundesregierung in ganz unterschiedlichen Programmen zur Umsetzung der Anforderungen an barrierefreien Wohnraum über 5 Milliarden Euro bereitgestellt hat. Diese Mittel können unter anderem für den barrierefreien Ausbau genutzt werden. Das, meine Damen und Herren, ist ein sehr ernst zu nehmender, sehr ehrlicher Schritt und eine deutliche Unterstützung all derer, die jetzt einen barrierefreien Umbau oder Ausbau in Angriff nehmen müssen. Dieser Betrag ist fünfmal so hoch wie der, den die Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion in ihren bisherigen Anträgen von uns gefordert haben; sie forderten nämlich immer 1 Milliarde Euro. Wir sind deutlich weiter gegangen. Ich finde, das kann sich richtig gut sehen lassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Auch bei unserem allergrößten Vorhaben, nämlich eine große Sozialrechtsreform durchzuführen und ein Bundesteilhabegesetz zu verabschieden, werden wir auf dem Weg hin zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sehr deutliche Fortschritte machen. Dadurch werden wir für diese Personengruppe richtig gute Veränderungen auf den Weg bringen können.
Wir machen Schluss damit, dass es für Menschen mit Behinderungen ein separierendes System gibt. Wir machen Schluss damit, dass ihnen nur ein separierender Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Wir wollen all diejenigen, deren Wunsch es ist und die ihr Wahlrecht gerne dementsprechend ausüben möchten, den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt erleichtern. Wir möchten, dass diese Menschen nicht in großen Wohnheimen untergebracht sind, sondern dass sie im Sozialraum, also mitten unter uns leben – da, wo sie hingehören und wo sie hinwollen. Es ist Auftrag und Ziel der Bundesregierung, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass dies endlich möglich wird.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Aber natürlich ist das nicht alles, was wir uns vorgenommen haben. Insbesondere wird es um die Frage gehen – dies wird eine ganz große Herausforderung –: Wie schaffen wir es, den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass er den Anforderungen an Inklusivität Rechnung trägt? Es ist nicht unser Auftrag, für Menschen mit Behinderungen als ausschließliche Arbeitsform Werkstätten für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung zu stellen. Wir möchten die Integrationsbetriebe viel stärker ausbauen und den Menschen die Gelegenheit geben, sozialversicherungspflichtig und mindestlohnrelevant auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig zu werden.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und wann machen Sie das?)
– Sie werden sehen: Bereits in Kürze wird Ihnen ein entsprechender Vorschlag von uns vorliegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann machen Sie das?)
Auch was die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen angeht, sind wir ein großes Stück vorangekommen, insbesondere beim Zugang zur Demokratie. Damit bin ich beim Petitionsrecht. Gerade bei dieser Möglichkeit der Beteiligung am Parlamentarismus gibt es noch eine ganze Menge Barrieren. Der Bundestag hat sich vorgenommen, diese abzubauen. Das ist auch sein Auftrag.
(Beifall bei der SPD – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie reden jetzt nicht über Ihre Vorschläge zum Petitionsrecht, oder?)
Die allergrößten Barrieren – daran kann kein Gesetz etwas ändern – sind die Barrieren in den Köpfen. Manche Menschen glauben noch immer, dass man Menschen mit Behinderungen am besten schützt, indem man sie sehr individuell und abgeschottet in ein Fördersystem steckt. Wir sagen dazu Nein. Wir haben den Auftrag, genau diese Hürden durch Bewusstseinsbildung zu überwinden. Das ist unser Auftrag.
Die UN-Behindertenrechtskonvention und die Staatenprüfung haben uns wichtige Hinweise mit auf den Weg gegeben. Wir sind dankbar für diese Hinweise, weil wir in der politischen Arbeit eine Menge Unterstützung bekommen, wenn wir auch mit einem internationalen Auftrag zur Umsetzung argumentieren können. Das nehmen wir mutig an. Auf geht‘s!
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Frau Dr. Freudenstein von der CDU/CSU das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5040922 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 103 |
Tagesordnungspunkt | Empfehlung der VN zur Behindertenrechtskonvention |