08.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 104 / Zusatzpunkt 5

Anton HofreiterDIE GRÜNEN - Meeresschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor circa zwei Jahren war ich das letzte Mal mit einem Meereskajak in Südostasien von Insel zu Insel unterwegs. Mit einem Kajak kann man wunderbar tolle Buchten und einsame Strände, auf denen normalerweise kein Mensch ist, erkunden und wunderschöne Korallenriffe entdecken.

Der Punkt ist nur: Auf den ersten Blick wirkt es wie ein echtes Paradies. Wenn man dann aber an Land geht und sich die Strände genauer anschaut, dann entdeckt man jenseits der Hochwasserlinie Berge von Plastikmüll. Inzwischen ist es absurderweise so, dass dort, wo keine Menschen sind, sehr viel mehr Müll liegt als dort, wo sich Menschen befinden. Der Müll wird nämlich vom Meer gebracht. Es ist uns tatsächlich gelungen, die riesigen Weltmeere so zu vermüllen, dass an von Menschen unberührten Stränden Berge von Plastikmüll liegen. Das ist absolut skandalös, und daran erkennt man, dass dringendster Handlungsbedarf besteht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Übernutzung der Schätze des Meeres und diese Vermüllung, diese Nutzung der Meere seit vielen Jahrzehnten als Mülltonnen, stellen für alle Menschen eine existenzielle Bedrohung und Herausforderung dar. Frau Merkel bringt das Thema Meeresschutz jetzt auf den G 7-Gipfel. Ich muss dazu sagen: Das freut mich wirklich und ehrlich. Der Punkt ist nur: Ein Problem löst sich nicht dadurch, dass man es einfach nur auf die Tagesordnung setzt und ein paar schöne Worte dazu findet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielmehr brauchen wir wirklich Handlungen, Taten, Gesetze und Maßnahmen, und zwar nicht nur auf schönen Gipfeln, sondern auch hier vor Ort in Deutschland. Wir müssen auch im eigenen Land die eigene Verantwortung erkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Von Frau Merkel stammt folgender schöner Satz, den sie in einem etwas anderen Zusammenhang gesagt hat: „Das, was zu verbessern ist, muss verbessert werden“. – Nehmen wir sie jetzt doch einmal beim Wort und schauen wir uns einige der direkten Probleme an, um zu überprüfen, inwieweit Worte und Taten etwas miteinander zu tun haben.

Fangen wir mit dem Problem Plastikmüll an. Im Atlantik – nicht nur im Pazifik, der dafür bekannt ist – schwimmt ein Plastikstrudel in der Größe von Texas. An diesem Plastik verenden Fische, Vögel und zum Teil auch Wale und Delfine, weil sie diese Plastikteilchen für Nahrung halten. Das verstopft ihre Mägen, und sie verhungern dann. Diese Teilchen werden aber zugleich immer kleiner, und am Ende landen sie über Meeresfisch und Nahrung aus den Meeren auch wieder auf unseren eigenen Tellern, weil dieses Plastik nicht zerfällt, sondern nur in immer kleinere Teilchen zerfällt.

Was tut unsere Bundesregierung? Unsere Bundesregierung schreibt einen netten Aktionsplan. Das sind wieder einmal schöne Worte ohne Konsequenzen. Stattdessen müsste sie einmal wirklich etwas tun. Man könnte zum Beispiel massiv etwas gegen den Einsatz von Plastiktüten tun. Wie wäre es mit einer Abgabe auf Plastiktüten? Wie wäre es mit einer Abgabe auf generell unverrottbare Verpackungsplastiken? Wie wäre es damit, die Chemieindustrie mit einer entsprechenden Ökodesign-Richtlinie so unter Druck zu setzen, dass Verpackungsplastik so hergestellt wird, dass es sich schadlos zersetzt? Es ist nämlich kein Naturgesetz, dass Plastikmüll Tausende von Jahren hält. Das kann man auch so gestalten, dass er sich nach wenigen Jahren in CO 2 und Wasser zersetzt. Warum tun Sie hier nichts? Warum reden Sie nur darüber?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hubertus Zdebel [DIE LINKE])

Schauen wir uns das zweite ganz große Problem an, unter dem unsere Meere leiden: die Überdüngung. Unsere Meere leiden massiv darunter, dass in ihnen viel zu viel Stickstoff ist. Woher kommt dieser Stickstoff? Dieser Stickstoff kommt aus unserer industriellen Landwirtschaft, sowohl vom Kunstdünger als auch vom massenhaften Ausbringen von Gülle aufgrund der Massentierhaltung. Warum unternehmen Sie nichts dagegen? Auch hier könnte man begrenzend eingreifen.

Aktuell wird über eine Düngeverordnung debattiert. Die von Ihnen vorgeschlagene Düngeverordnung ist aber so wirkungslos, dass sie am Ende nicht helfen wird. Wir reden hier nicht nur von tropischen Meeren und von weit entfernten Problemen. Betrachten wir die Ostsee: Die Ostsee ist inzwischen sehr stark überdüngt. Sie leidet unter einem so starken Algenwachstum, dass es dort Todeszonen gibt. Das sind Zonen, die sauerstofffrei sind, in denen alles Leben abstirbt, und sie haben mittlerweile die Größe von zum Beispiel meinem Heimatland Bayern erreicht. Was unternehmen Sie dagegen? Sie zerreden die Düngeverordnung, und das, was Sie dagegen tun, reicht nicht ansatzweise aus.

Sie unternehmen nichts gegen diese großen Probleme, die direkt bei uns vor der Haustür sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns einen dritten ganz großen Problemkomplex an, nämlich die Überfischung der Meere. Inzwischen sind 80 bis 85 Prozent der weltweiten Fischbestände massiv überfischt. Die Europäische Union und auch deutsche Fischtrawler tragen ihren Teil dazu bei. Die Europäische Union subventioniert, mit deutscher Unterstützung, diese Überfischung der Meere mit erheblichem Steuergeld. Die Meere werden nicht nur bei uns überfischt, sondern auch vor afrikanischen Küsten. Wir entziehen damit den Fischern vor der libyschen Küste, vor Somalia, vor der westafrikanischen Küste ihre Lebensgrundlagen. Zugleich stellt man fest: Wenn hier über Flüchtlinge debattiert wird, wird immer gerne davon gesprochen, man müsse die Fluchtursachen bekämpfen. Ja, das müsste man. Aber warum tun Sie es dann nicht, wenn es konkret wird? Warum sorgen Sie nicht dafür, dass die Fischer in diesen armen Ländern eine Chance gegen die großen europäischen Fischereiflotten haben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Warum stellen Sie die Überfischung nicht ein?

Die Zerstörung unserer Meere ist für uns alle eine existenzielle Bedrohung. Deshalb ist es an der Zeit, das Thema nicht nur auf die Tagesordnung zu heben, sondern mit den Möglichkeiten, die die deutsche Politik in diesem Bereich hat, endlich zu handeln und dafür zu sorgen, dass wir diese Probleme wenigstens ansatzweise in den Griff bekommen. Denn – es stimmt –: „Das, was zu verbessern ist, muss verbessert werden.“ Es darf nicht nur darüber geredet werden, sondern es muss endlich auch gehandelt werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Toni Hofreiter. – Nächster Redner in der Debatte: Karsten Möring für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5044907
Wahlperiode 18
Sitzung 104
Tagesordnungspunkt Meeresschutz
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