Klaus-Peter SchulzeCDU/CSU - Meeresschutz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Weltmeere verfügen über eine große Artenvielfalt, die auch heute noch weitgehend unbekannt ist. Wenngleich drei Viertel der Erdoberfläche von Ozeanen bedeckt sind, sind sechsmal mehr Landlebewesen als Meeresorganismen bekannt. Die biologische Vielfalt im Meer hat seit Beginn der Industrialisierung stark abgenommen, und dieser Prozess schreitet weiter voran. Durch das Verschwinden von Arten verringert sich die stabilisierende Wirkung ehemals vielfältiger Lebensgemeinschaften. Dadurch werden ganze Lebensräume gefährdet.
Dies wissend, hat der Meeresumweltschutz eine große Bedeutung in der deutschen Politik. Das beweist ganz aktuell der Umstand, dass dieses Thema ein Schwerpunkt der G 7-Präsidentschaft ist. Aber auch generell ist Deutschland in Europa bei der Ausweisung von Schutzgebieten bereits heute führend.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])
So stehen 70 Prozent der Küstengewässer und rund 31,5 Prozent der Ausschließlichen Wirtschaftszone unter Schutz. Damit sind 47 Prozent der deutschen Meeresfläche als Schutzgebiete ausgewiesen und bieten somit eine wichtige Grundlage für weitere Bemühungen. In der AWZ befinden sich zehn ausgewiesene Natura-2000- Gebiete, für die allerdings aus verschiedenen Gründen bis heute keine Schutzmaßnahmen eingeführt wurden.
Insbesondere um Fischerei mit Grundschlepp- und Stellnetzen in diesen Bereichen zu unterbinden, ist seit Anfang dieses Jahres eine Verbändeklage gegen Deutschland anhängig. Ich habe vernommen, Frau Staatssekretärin, dass es jetzt bei diesem Thema eine Einigung innerhalb der Bundesregierung gibt. Ich wünsche mir, dass man künftig zwischen den Ministerien zu Stuhle kommt, ehe es zu einer Klage kommt und man sozusagen gezwungen wird, schneller zu handeln.
Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD haben wir uns darauf verständigt, ein Fischereimanagement zu verankern, um die Schutzziele zu erreichen. Die Schutzziele sind allerdings mit den betroffenen Mitgliedstaaten abzustimmen, bevor sie von der EU-Kommission erlassen werden können. Auch wenn hier dringend nachgebessert werden muss und auch wird, muss sich Deutschland mit seiner nationalen Strategie, die auf einem Ökosystemansatz aufbaut, nicht verstecken. Wir wollen Natur- und Umweltschutz und maritime Wirtschaft in ein Gleichgewicht bringen. Voraussetzung ist eine erfolgreiche Integration verschiedener Parameter, um zu einer einheitlichen Vorgehensweise zu kommen.
Die vorliegenden Anträge, die wir heute beraten, greifen leider einem für den 20. Mai 2015 geplanten öffentlichen Fachgespräch des Umweltausschusses zum Thema EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie vor, dessen Ergebnisse ich gerne abgewartet hätte. Man hätte auch jenen Tagesordnungspunkt, den wir für die Sitzung am 20. Mai vorgesehen hatten, schon in eine frühere Sitzung des Umweltausschusses einbauen können.
Die Richtlinie wurde 2008 verabschiedet, und sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum Jahr 2020 einen guten Umweltzustand der europäischen Meere zu erreichen bzw. zu erhalten. Das erfordert insbesondere den Erhalt der biologischen Vielfalt, die Reduzierung der Überdüngung und der Abfallmengen im Meer. Eine Erstbewertung der aktuellen Zustände in Nord- und Ostsee brachte im Jahr 2012 alarmierende Ergebnisse: Unseren Meeren geht es schlecht; vor allem Fischerei, Schad- und Nährstoffeinträge, Unterwasserlärm und massive Eingriffe durch den Bau von Offshorewindkraftanlagen gefährden das sensible Ökosystem.
Um die 2020-Ziele der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie zu erreichen, sollen in diesem Jahr die nationalen Maßnahmenprogramme auf den Weg gebracht werden, zu denen derzeit eine schriftliche Anhörung stattfindet. Kollege Schwabe hat es bereits gesagt: Wir werden die Behörden unterstützen, damit dieser Prozess zeitnah abgeschlossen werden kann.
Zum Thema „Erhalt der biologischen Vielfalt in den Meeren“ möchte ich noch auf die internationalen Bemühungen Deutschlands verweisen, das jedes Jahr 500 Millionen Euro für weltweite Biodiversitätsprogramme bereitstellt. Ganz besonders hat es mich gefreut, dass bei der letzten CBD-Vertragsstaatenkonferenz in Korea über 150 ökologisch und biologisch bedeutsame Meeresgebiete anerkannt wurden.
Abschließend komme ich auf den Meeresschutz im Zusammenhang mit der Energiepolitik zu sprechen. Der Ausbau von Offshorewindparks soll einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten. Diese gewaltigen Anlagen bedeuten jedoch auch massive Eingriffe in das Ökosystem Meer, deren Folgen, zum Beispiel für die Schweinswale durch den Schalldruck beim Einrammen der Gründungspfähle in den Meeresboden, bei weitem noch nicht ausreichend erforscht wurden.
Wenn hier heute ein Moratorium für den Tiefseebergbau aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – nämlich bisher unzureichend erforschte Folgewirkungen solcher Maßnahmen – gefordert wird, dann müsste man konsequenterweise auch ein Moratorium für den Bau von Offshorewindkraftanlagen einfordern. In jedem Fall müssen wir hier die Forschungsanstrengungen verstärken, um unangenehme Überraschungen, wie wir sie durch die Vermaisung der Landschaft im Zuge des massiven Zubaus von Biogasanlagen erlebt haben, zu vermeiden. Denn bereits heute sind in den deutschen Meeresbereichen sechs Offshorewindparks mit 225 Turbinen in Betrieb; weitere acht Projekte mit 600 Anlagen befinden sich im Bau. Darüber hinaus wurden bereits 25 Windparks genehmigt, und zurzeit sind noch weitere 90 beantragt.
In keinem Fall darf sich so etwas wie das Projekt „Butendiek“ in der Nähe von Sylt wiederholen, wo die Genehmigung für den Bau eines großen Windparks inmitten eines Vogelschutzgebietes erteilt wurde, wodurch nicht nur der Lebensraum für Seetaucher, sondern auch für andere Meeressäuger beeinträchtigt wird. Aber vielleicht können wir die Offshorewindparks auch im Sinne des Meeresschutzes nutzen. Als ich vor kurzem das Bundesamt für Naturschutz am Standort Vilm besucht habe, war dieses Thema im Zusammenhang mit Offshoreanlagen, die immerhin jeweils etwa 80 Quadratkilometer Meeresfläche umfassen können, angesprochen worden.
Aufgrund des Befahrungsverbots in den Windparkgebieten in Ost- und Nordsee ist dort keine weitere Nutzung erlaubt. Daher kam von den Fachleuten der Vorschlag, diese Gebiete als – das betone ich, Frau Lemke – zusätzliches Potenzial für die Stabilisierung von Flora und Fauna im Benthos, also im Meeresboden, zu nutzen. Es wären keine Konflikte zu erwarten, wenn keine Mehrfachnutzungen zugelassen werden würden.
Für den Bau der Offshorewindkraftanlagen müssen im Übrigen für eine Übergangszeit bis 2017 keine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erbracht werden. Allerdings gilt diese Regelung für die Unternehmen, die die Anschlusskabel verlegen, nicht. Deren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sollten vorrangig im marinen Bereich erbracht werden. Wir sollten die konkreten Expertenvorschläge und auch andere Vorschläge aufgreifen und im weiteren parlamentarischen Verfahren ausführlich beraten.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Michael Thews, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5045023 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 104 |
Tagesordnungspunkt | Meeresschutz |