21.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 106 / Tagesordnungspunkt 6

Stephan StrackeCDU/CSU - Leiharbeit und Werkverträge

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gambke, Sie zeichnen wie so viele Ihrer Vorredner von der Opposition ein Zerrbild, was die Zeitarbeit und die Werkverträge betrifft, und suggerieren Handlungsbedarf

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Kollege hat Erfahrung in diesem Bereich!)

– Herr Kurth, Sie sollten lieber mal zuhören –, wo keiner besteht. Das zeigen auch die Beispiele, die Sie genannt haben. Dort, wo Werkverträge und Zeitarbeit missbräuchlich eingesetzt werden, handelt es sich schon jetzt um ein rechtswidriges Verhalten.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja, genau!)

Deshalb besteht hierbei kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf, sondern es ist eher eine Frage der Kontrolle und des Vollzugs.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insofern gaukeln Sie hier etwas vor, was ein Zerrbild unserer Arbeitswelt in unserem Land ist und nicht der Realität entspricht.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zeitarbeit ist ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument. Es bietet den Unternehmen Flexibilität für Auftragsspitzen und arbeitslosen Menschen die Chance auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Sie ist ein Sprungbrett aus der Arbeitslosigkeit hinaus.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Nie gewesen!)

– Doch, es ist tatsächlich so. Sie ignorieren die Fakten in diesem Bereich.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das behaupten Sie! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch überhaupt keine Ahnung!)

Knapp zwei Drittel der Zeitarbeitsverhältnisse werden mit Personen geschlossen, die direkt zuvor keine Beschäftigung ausübten oder vorher noch nie beschäftigt waren.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frage ist doch nicht, was sie vorher gemacht haben, sondern was sie nachher machen!)

Das heißt, Zeitarbeit stellt gerade für von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer eine stabile Brücke in den ersten Arbeitsmarkt dar, und Sie wollen im Grunde diese Brücke zerstören.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Ernst, Sie haben sich gemeldet; bitte schön.

Das Wort erteile immer noch ich; aber ich habe schon einmal die Uhr für Sie angehalten. – Bitte.

Danke für das Zulassen der Frage. – Wir haben vorhin gehört, dass es zum Beispiel in der Automobilindustrie über 100 000 Leiharbeiter und 200 000 Werkverträge gibt. Das Missverhältnis ist doch sehr gravierend. Wir haben hier einen Abbau von normaler Beschäftigung hin zu Leiharbeit und Befristung.

Vertreten Sie tatsächlich die Auffassung, dass über ein Viertel der Beschäftigten in der Automobilindustrie nicht beschäftigt wäre, wenn es keine Leiharbeit und keine Befristung gäbe?

Ich will noch eine zweite Frage nachschieben. Glauben Sie wirklich ernsthaft, dass die deutsche Automobilindustrie auf über ein Viertel der Belegschaft verzichten müsste, wenn sie die ordentlich bezahlen und ordentlich beschäftigen würde?

(Beifall bei der LINKEN)

Lieber Herr Kollege Ernst, ich glaube, Kollege Schiewerling hatte schon zu Beginn der Debatte darauf hingewiesen, dass es in Relation zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten rund 2,6 Prozent Zeitarbeit gibt. Das ist also ein sehr geringer Prozentsatz.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: 25! Ich rede von der Automobilindustrie! Das ist ein Viertel!)

Sie suggerieren hier die ganze Zeit, dass dies ein Massenphänomen wäre und landauf, landab die Zeitarbeit dazu genutzt würde, andere Arbeitsverhältnisse zu verdrängen. Genau das Gegenteil ist in diesem Bereich der Fall. Es findet keine Verdrängung anderer Erwerbsformen statt.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie beantworten meine Frage nicht! Hätten die keinen Job?)

Insofern ist die Zeitarbeit ein durchaus legitimes Instrument des Arbeitseinsatzes in unseren Betrieben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das war nicht meine Frage!)

Es entspricht auch der unternehmerischen Freiheit, dies so zu tun. Insofern ist es durchaus sinnvoll, dass wir die Zeitarbeit in dieser Form weiterhin einsetzen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wenn Sie wenigstens auf meine Frage eingegangen wären!)

– Lieber Kollege Ernst, ich würde vorschlagen: Ich antworte Ihnen, und wenn Sie wollen, können Sie mir eine weitere Frage stellen. Darauf gehe ich dann entsprechend ein.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sind Sie ja nicht! Tun Sie das doch!)

Sie blenden hier komplett die Verbesserungen bei der Zeitarbeit aus. Sie sagen, die Zeitarbeitnehmer wären Arbeitnehmer zweiter Klasse. Auch dies trifft nicht zu. Sie haben ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Für sie gelten sämtliche Regeln des Arbeits- und Tarifrechts. Auch das Mitbestimmungsrecht gilt für die Zeitarbeiter.

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit einer Lohnuntergrenze, die wir 2012 mit tarifvertraglichen Branchenzuschlägen erreicht haben, gibt es auch eine sachgerechte Annäherung an Equal Pay. Auch dies blenden Sie vollkommen aus. Das zeigt: Sie haben eine ganz andere Auffassung. Hier geht es ausschließlich um die Frage des Klassenkampfes

(Lachen bei der LINKEN)

und nicht um die Fragen, wie wir den arbeitsmarktpolitischen Themen in diesem Land gerecht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Lieber Klassenkampf als Redekrampf!)

Wir haben uns jetzt vorgenommen, die vorübergehende Überlassung in der Zeitarbeit zu konkretisieren. Die Kollegin Müller-Gemmeke hatte hier schon auf die möglichen Folgewirkungen hingewiesen. Ich halte diese für in der Tat bedenklich und bedenkenswert.

(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Insofern brauchen wir Öffnungsklauseln auf tarifvertraglicher und Betriebsebene, die praktikabel und interessensgerecht sind. Auch in der Zeitarbeit gibt es Hochqualifizierte. Gerade bei Hochqualifizierten liegt der Einsatzzeitrahmen bei zum Teil deutlich mehr als 18 Monaten. Wenn Sie beispielsweise daran denken, dass wir die Pflegezeit auf 24 Monate verlängert haben und dass die Elternzeit bei drei Jahren liegt, dann wissen Sie, dass wir notwendige Vertretungsmöglichkeiten für die Betriebe brauchen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann ja auch befristet einstellen!)

Deswegen brauchen wir tatsächlich solche Öffnungsklauseln, wie Sie sie angesprochen haben. Das macht Sinn. Dass diese arbeitnehmerbezogen sein sollten, ist selbstverständlich.

Ich komme zu den Werkverträgen. Werkverträge sind seit Jahrzehnten Bestandteil unserer arbeitsteiligen Gesellschaft. Es besteht überhaupt kein Grund, klassische Werkverträge gesetzlich einzuschränken. Für uns gilt der Grundsatz: Wo Werkvertrag draufsteht, muss auch Werkvertrag drin sein.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

Die Rechtsprechung hat die Kriterien bei der Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Zeitarbeit bereits klar konturiert, auch was die Rechtsfolgen insgesamt angeht. Maßgebend sind dabei immer die Umstände des Einzelfalls. Vermutungstatbestände oder Beweislastregeln haben hier überhaupt keinen Platz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bezüglich der Mitbestimmungsrechte bei der Vergabe von Werkverträgen ist noch einmal daran zu erinnern: Der Unternehmer hat die Gestaltungsfreiheit, zu entscheiden, wie er seine unternehmerischen Ziele umsetzen will und mit welchen Arbeitnehmern. In diese Gestaltungsfreiheit wollen und werden wir auch nicht eingreifen. Deswegen gibt es überhaupt keinen Anspruch darauf, dass tarifvertragliche Regelungen die gesamte Produktionskette erfassen. Hier von Missbrauch zu reden, ist voll neben der Sache.

Insofern ist der Antrag der Linken abzulehnen. Er geht an der Sache vorbei.

Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5114245
Wahlperiode 18
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Leiharbeit und Werkverträge
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