21.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 106 / Tagesordnungspunkt 6

Wilfried OellersCDU/CSU - Leiharbeit und Werkverträge

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg will ich deutlich betonen, dass bei Zeitarbeit und Werkverträgen natürlich Missbrauch entgegengewirkt werden muss. Das steht außer Frage. Das gilt aber nicht nur für Zeitarbeit und Werkverträge, sondern das gilt für alle Fallgestaltungen, für alle rechtlichen Konstellationen. Da sind wir uns hier auch einig, denke ich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nur, mit dem Antrag, den Sie hier vorlegen, beabsichtigen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, jedoch nicht, Missbrauch entgegenzuwirken, sondern Sie beabsichtigen, fundamentale Änderungen an der wirtschaftlichen Struktur vorzunehmen, die wir heute haben. Dabei muss hervorgehoben werden, dass die Zeitarbeit als ein wichtiges Flexibilisierungselement und die Werkverträge auch als ein wichtiges Instrument für eine ökonomische Arbeitsteilung mittlerweile unverzichtbar für die heutige Arbeitswelt geworden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer dies in Abrede stellt, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit und will sie offensichtlich nicht wahrnehmen. Genau dies belegt Ihr Antrag, meine Damen und Herren der Linken, vor allen Dingen dann, wenn Sie Formulierungen wie „Klima der Angst“, „degradiert Beschäftigte zu Arbeitnehmern zweiter Klasse“ oder „ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko“ wählen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es! Genau so ist es! Das ist die Wirklichkeit!)

Der Eindruck, den Sie damit erwecken, ist reine Panikmache, und das ist dieser Debatte hier nicht dienlich. Es ist auch keine sachliche Debatte, die insoweit geführt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Skandalfälle, die selbstverständlich im Ergebnis Missbrauchsfälle sind, können Sie nicht heranziehen, um weitere oder schärfere gesetzliche Regelungen zu schaffen. Das hätte nämlich zur Folge, dass Unternehmen, die sich redlich verhalten,

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ganz genau!)

der Einsatz dieses Instrumentes, das sie wirklich benötigen, erschwert würde. So können wir hier im Haus nicht arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller- Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können Missbrauch abstellen!)

Da meine Vorredner bereits einiges zur Zeitarbeit gesagt haben, möchte ich mich etwas mehr auf die Werkverträge konzentrieren. Damit komme ich insbesondere auf Ihren Antrag, meine Kollegen der Linken, zu sprechen. Sie formulieren in Ihrem Antrag – ernsthaft –, dass Sie legale und illegale Werkverträge verhindern wollen. Allein schon die Wahl dieser Formulierung ist für mich wieder ein Beispiel für reine Panikmache und unsachliche Diskussion.

Wir haben es beim Werkvertrag mit einer Vertragskonstellation zu tun, die bereits seit mehr als 100 Jahren, seit seiner Einführung, im BGB verankert ist. Dieses Instrument hat auch eine ausgeprägte Rechtsprechung erfahren, mit der in der jetzigen Zeit und nach der jetzigen Rechtslage Missbrauch bereits verhindert werden kann und verhindert wird. Nur, die Fälle müssen auch zur Entscheidung gebracht werden. Wie gesagt, wenn es Fälle gibt, wenn es Missbrauch gibt, dann muss das abgestellt werden. Aber das können wir auch schon mit den heutigen Instrumenten und mit der heutigen rechtlichen Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie müssen, wenn Sie die Diskussion führen, deutlich machen, was Sie unter „Missbrauch“ genau verstehen.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das haben wir doch gesagt! Das steht doch im Antrag drin!)

– Das haben Sie an Beispielen festgemacht. Von Missbrauch kann man in meinen Augen nur dann sprechen, wenn man einen Vertrag anders handhabt, als es der Bezeichnung entspricht. Das heißt, wenn da „Werkvertrag“ draufsteht, muss im Ergebnis auch „Werkvertrag“ drin sein. Es darf kein Dienstvertrag sein. Da sind wir uns natürlich einig.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Was ist denn das für ein Juristengeschwätz?)

Aber es kann nicht sein, dass Sie sagen: Es ist schon dann ein Missbrauch, wenn ein Werkvertragsbeschäftigter für längere Zeit in einem beauftragenden Unternehmen arbeitet. – Es sind viele Beispiele für Missbrauch gebracht worden. Ich will einmal Beispiele nennen, die zeigen, dass es notwendig ist, auf Werkverträge zurückzugreifen.

Es gibt eine Firma, die sich darauf spezialisiert hat, IT-Software zu installieren. Diese Firma hat mit weniger als 20 Mitarbeitern angefangen. Sie hat mittlerweile mehrere Hundert Mitarbeiter. Ihr Konzept ist darauf ausgelegt, dass die Software in den Firmen installiert wird. Die Beschäftigten müssen dazu natürlich mit den Beschäftigten in diesen Firmen zusammenarbeiten, sind für eine gewisse Zeit dort.

Wenn ich Ihre Kriterien aus dem Antrag zugrunde lege, dann komme ich zu dem Schluss: Ein solches Modell wäre schon gar nicht mehr möglich. Wenn Sie das nicht beabsichtigen, dann müssen Sie das anders formulieren; dann können Sie es nicht so schreiben, wie Sie es in Ihrem Antrag gemacht haben. Vor allen Dingen dürfen Sie nicht sagen: Wir wollen auch legale Werkverträge bekämpfen. – So steht es ausdrücklich in Ihrem Antrag.

Kommen wir zum Bereich Forschung und Entwicklung. Sie haben auch das Beispiel der Autoindustrie genannt. Da wird natürlich viel Forschung und Entwicklung betrieben. Die Unternehmen kommen ohne die hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus spezialisierten Betrieben gar nicht zurecht; ohne diese können sie die Forschung und Entwicklung gar nicht betreiben, können sie Projekte im Ergebnis nicht zum Erfolg bringen. Deswegen muss diese Konstellation auch weiterhin möglich sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])

– Sie sollen einstellen, sagen Sie. Aber vielleicht wollen die Betroffenen das gar nicht. Sie wollen vielleicht speziell in den Unternehmen eingesetzt werden, wo gerade die Musik spielt, wo gerade die neuen Dinge entwickelt werden. Da wollen diese Personen sein. Sie müssen, denke ich, da ein bisschen differenzierter herangehen.

(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Genau! Das war der Blick aus der Praxis!)

Ein letzter Punkt, den ich noch erwähnen möchte, sind die sogenannten Solo-Selbstständigen. Wir müssen akzeptieren, dass es auch Leute gibt, die alleine selbstständig sein und vielleicht nur für einen Auftraggeber arbeiten wollen oder die einen großen Auftraggeber und nur ein paar kleine haben.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)

Wenn Sie denen diese Möglichkeit nehmen, dann nehmen Sie ihnen auch einen großen Teil ihrer unternehmerischen Freiheit. Ich denke, diese Menschen bringen uns, vor allen Dingen was die Spezialisierung, Entwicklung und Forschung hier in Deutschland betrifft, weiter. Deswegen brauchen wir diese Modelle.

Wenn es darum geht, hier einen konkreten Kriterienkatalog festzulegen, muss ich Ihnen als Jurist sagen: Das ist äußerst schwierig. Wir haben es hier mit einem Sachverhalt zu tun, der viele Einzelfälle beinhaltet. Man wird Einzelfällen mit einem starren Kriterienkatalog nicht gerecht werden können. Man wird der Realität nicht gerecht. Vor allen Dingen würde dieser auch Fälle umfassen, bei denen wir bei weitem nicht von Missbrauch sprechen. Ich denke, das ist das Schlimmste, was uns hier an dieser Stelle passieren könnte. Allein die Diskussion, die wir führen, sorgt bereits jetzt in der Wirtschaftswelt für große Verunsicherung.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Theoretisch können wir das eben nicht wirklich beschreiben!)

Dem sollten wir als Gesetzgeber entgegenwirken. Wie gesagt, die heutige Rechtslage ist nach meiner Auffassung schon so, dass wir den Missbrauch verhindern können und keine schärferen Regelungen brauchen. Man müsste es dann eher kontrollieren.

Ich möchte noch einen letzten Satz sagen, dann komme ich auch wirklich zum Ende.

Gut.

Was die Forderung nach mehr Mitbestimmungs- und Zustimmungsrechten für den Betriebsrat angeht, müssen wir attestieren, dass es in der jetzigen rechtlichen Situation im Betriebsverfassungsgesetz ausreichende Möglichkeiten gibt. Das sind Informations- und Unterrichtungsrechte. Wenn Sie jetzt weitere Mitbestimmungsrechte und Zustimmungsrechte fordern, dann müssen Sie mir schon mal erklären, was Sie unter unternehmerischer Freiheit verstehen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Betriebsräte wissen nicht einmal, wie viele Leute auf ihrem Betriebsgelände rumlaufen!)

Das war ein sehr langer Satz. Bitte kommen Sie zum Punkt.

Ich komme sofort zum Ende. – Ich will nur noch einmal appellieren, dass wir die Flexibilisierungsinstrumente, die wir haben, nicht leichtfertig aufgeben dürfen, insbesondere angesichts der aktuellen Wirtschaftswelt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es gibt nur eine Welt, nicht nur eine Wirtschaftswelt! In der ist alles drin!)

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Hans-Joachim Schabedoth das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5114273
Wahlperiode 18
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Leiharbeit und Werkverträge
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