21.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 106 / Tagesordnungspunkt 6

Peter WeißCDU/CSU - Leiharbeit und Werkverträge

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Zum Schluss dieser ausführlichen Debatte stellt sich die Frage: Was bleibt denn von dieser Debatte?

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Schwarze Erde!)

Da will ich als Erstes feststellen: Leih- oder Zeitarbeit, Werkverträge – das ist anständige Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

Und selbstverständlich verdienen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. die Selbstständigen,

(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

die Arbeit im Rahmen eines Werkvertrags erledigen oder die als Leih- oder Zeitarbeiter arbeiten, unseren hohen Respekt und unsere Anerkennung. Das, was wir aber allesamt vermeiden wollen, ist, dass Werkverträge, Zeit- und Leiharbeit missbräuchlich eingesetzt werden. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was ist der Unterschied zwischen Leiharbeit und Zeitarbeit?)

Deswegen haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD zu diesen beiden Themenbereichen auch sehr viel Zeit genommen und sind uns in Folgendem einig: Wir wollen, dass Zeit- und Leiharbeit, die den Betrieben vor allem ermöglichen soll, Auftragsspitzen, Auftragsschwankungen auszugleichen, besonderen Anforderungen, die sich plötzlich stellen, gerecht zu werden, auch in Zukunft als ein Flexibilisierungsinstrument erhalten bleibt. Wir wollen genauso, dass der Werkvertrag – es ist erwähnt worden –, der seit über 100 Jahren im BGB steht und vielfach sinnvoll eingesetzt wird, erhalten bleibt. Da haben wir bei der Linken Zweifel, ob sie dies nicht alles abschaffen will.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Wir wollen aber vor allem eines klarstellen: Zeit- und Leiharbeit und genauso Werkverträge sind kein Instrument für Lohndumping. Vielmehr haben die Beschäftigten Anspruch auf eine anständige und angemessene Bezahlung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Auf die gleiche wie die anderen! Das ist der Punkt!)

Das haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode deutlich gemacht, indem wir für Zeit- und Leiharbeit einen allgemeinverbindlichen eigenen Mindestlohn eingeführt haben, der im Westen bereits über 8,50 Euro liegt.

(Katja Mast [SPD]: Auf Druck der SPD!)

Also: In der Zeit- und Leiharbeit ist der Mindestlohn höher als der allgemeine gesetzliche Mindestlohn. Wir haben deutlich gemacht: Zeit- und Leiharbeit ist kein Instrument für Lohndumping; vielmehr gibt es da eine klare Grenze.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!)

In der Koalitionsvereinbarung haben wir miteinander festgelegt, dass wir eine Höchstverleihdauer definieren wollen und dass wir auch die Frage, ab wann jemand, der in einem Leiharbeitsverhältnis steht, die gleiche Bezahlung wie die Festangestellten – Stichwort „Equal Pay“ – bekommen soll, beantworten. Aber dabei geht es nicht darum, dass diese Regelung erst nach neun Monaten greifen soll. Vielmehr haben wir schon in der letzten Legislaturperiode politisch unterstützt, dass Tarifverträge mit einer stufenweisen Heranführung an das Equal-Pay-Prinzip abgeschlossen werden,

(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: In Tarifverträgen!)

dass also bereits nach wenigen Wochen Zuschläge für diejenigen gezahlt werden, die in einem Leiharbeitsverhältnis stehen.

Besonders ist dafür der Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie bekannt, nach dem in Stufe 1 bereits nach sechs Wochen ein Zuschlag von 15 Prozent, nach drei Monaten ein Branchenzuschlag von 20 Prozent, nach einer Einsatzzeit von fünf Monaten ein Branchenzuschlag von 30 Prozent,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sieht man mal, wie wenig die am Anfang verdienen!)

in Stufe 4 dann 45 Prozent und nach neun Monaten ein Branchenzuschlag von 50 Prozent gezahlt wird. Ich finde, genau das ist das Richtige: eine stufenweise Anhebung der Entlohnung in der Leih- und Zeitarbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hans-Joachim Schabedoth [SPD] – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Gleicher Lohn ist das Richtige! Das ist immer noch nicht gleicher Lohn! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach drei Monaten sind die doch wieder arbeitslos!)

Ich wiederhole es: Zum Werkvertrag, einem bewährten Instrument, gibt es eine ausdifferenzierte Rechtsprechung mit klaren Kriterien, an die man sich zu halten hat, um deutlich zu unterscheiden: Was ist ein Werkvertrag und was nicht? Wir wollen, dass diese Kriterien eingehalten und überprüft werden. Ich glaube, wenn wir die Informationsrechte der Betriebsräte stärken, erreichen wir Folgendes: Mehr Transparenz verhindert Missbrauch. Das sollte in Zukunft unser Motto bei der Gestaltung der Werkverträge sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will noch einmal an das, was Karl Schiewerling eingangs gesagt hat, erinnern. Richtig ist: Wir müssen Missbrauch verhindern. Aber zu dem, was hier von den Oppositionsfraktionen suggeriert wird, dass wir in einer Situation wären, in der die Zahl an Zeit- und Leiharbeitsverhältnissen dramatisch zunehmen würde, kann ich nur sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Zurzeit beträgt der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in einem Leih- und Zeitarbeitsverhältnis stehen, 2,6 Prozent. Diese Zahl lag schon einmal bei 2,9 Prozent. Das zeigt: Es gibt hier eher eine Stagnation oder Abnahme als eine Zunahme. Das zeigt: Die Dramatik, die die Opposition bei diesem Thema heraufbeschwört, ist von der Sachlage her überhaupt nicht begründet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Reden Sie doch einmal mit diesen Leuten! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Auch 900 000 Leiharbeitskräfte haben Rechte!)

Diese Debatte, nehme ich an, ist heute auch deswegen aufgesetzt worden, um das eigentliche Ziel, das wir als Koalition verfolgen, ein Stück weit zu vernebeln. Ja, wir wollen Probleme, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt, nicht negieren. Aber das eigentliche Ziel muss doch das sein, was sich die allergrößte Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Tat wünscht, nämlich in ein normales sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu kommen. Das ist das Ziel.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen muss die Politik die Frage beantworten: Wie setzen wir die Rahmenbedingungen dafür, dass dieses Ziel für möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreichbar ist? Wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen, dass das vergangene Jahr, also 2014, das Jahr mit der geringsten Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren war und mit circa 42,5 Millionen beschäftigten Menschen das Jahr mit dem höchsten Beschäftigungsstand in der deutschen Geschichte darstellt, und zwar auch dem höchsten Stand an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber nicht Vollzeit!)

Für mich ist der entscheidende Punkt: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist dabei proportional stärker angestiegen als die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse insgesamt. Die Botschaft ist also: Die positive wirtschaftliche Entwicklung führt im Gegensatz zu dem, was wir in früheren Jahren und Jahrzehnten erlebt haben, mittlerweile dazu, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die anständig verdienen sowie Steuern und Sozialabgaben zahlen, stärker als der Beschäftigungszuwachs insgesamt steigt. Das ist die eigentliche positive Botschaft. Die Zahl der normalen Arbeitsverhältnisse in Deutschland nimmt wieder zu. Das ist auch die Botschaft für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, weil wir heute Morgen mit der Regierungserklärung der Frau Bundeskanzlerin begonnen haben und einen Blick auf die internationale Entwicklung geworfen haben, will ich zum Schluss anmerken, dass die Internationale Arbeitsorganisation vorgestern einen dramatischen Bericht vorgelegt hat. Sie hat festgestellt, dass weltweit immer weniger Menschen einen Job haben und dass von den Menschen, die einen Job haben, weltweit nur noch 42 Prozent einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben. Das ist eine dramatische Veränderung der Arbeitswelt weltweit. Dagegen heben wir uns in hervorragender Weise ab, weil wir in Deutschland genau den gegenteiligen Trend haben, und zwar zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)

zugunsten guter Arbeit. Ich finde, es ist der eigentliche Arbeitsauftrag der Koalition, diesen guten Trend für mehr Arbeit, für mehr Beschäftigung und für gute Bezahlung fortzusetzen.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Teilzeit, Minijobs!)

Das ist unser Ziel.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5114346
Wahlperiode 18
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Leiharbeit und Werkverträge
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