21.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 106 / Tagesordnungspunkt 7

Beate Walter-RosenheimerDIE GRÜNEN - Berufliche und akademische Bildung

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Sehr geehrte Frau Ministerin Wanka! Lassen Sie mich mit einem Zitat aus diesem April beginnen, das von Ihnen, Frau Wanka, stammt. Sie sagten damals: Wir haben jetzt im Gegensatz zu vor zehn Jahren mehr unbesetzte Plätze im beruflichen Bereich als unversorgte Bewerber. – Das haben Sie eben wiederholt.

Ich finde schon, dass man sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Es ist, verzeihen Sie bitte, Unsinn, das einfach so zu behaupten. So, wie Sie es sagen, stimmt es nicht; so können Sie uns das nicht weismachen. Über eine Viertelmillion junger Menschen in diesem Land ist im vergangenen Jahr bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz leer ausgegangen. Das ist keine kleine Randgruppe, sondern es ist eine Anzahl von Menschen, die der Einwohnerzahl einer Großstadt wie Augsburg entspricht. Diese jungen Menschen landeten im sogenannten Übergangssystem. Es waren fast 260 000 junge Menschen in teuren Warteschleifen ohne Anschluss, ohne Abschluss und ohne berufliche Zukunft. Gleichzeitig klagt die Wirtschaft über Fachkräftemangel. Da läuft irgendetwas falsch. Das ist wirtschaftlicher Unsinn und bildungspolitischer Irrsinn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Im Berufsbildungsbericht steht genau das schwarz auf weiß. Frau Ministerin Wanka, es tut mir leid, aber ich finde, als Mathematikprofessorin interpretieren Sie da wirklich Ihre eigene Statistik falsch. Wer all diese Jugendlichen als versorgt bezeichnet – das tun Sie immer noch –, der ist entweder ahnungslos oder verantwortungslos. Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie endlich auf, mit Zahlen zu jonglieren. Es geht um junge Menschen. Krempeln Sie lieber die Ärmel hoch, packen Sie etwas an, und schauen Sie, dass Sie die berufliche Bildung in Deutschland vom Kopf auf die Füße stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Koalitionsvertrag haben Sie noch vollmundig eine Ausbildungsgarantie angekündigt. Ich frage Sie: Wo ist sie denn, die Ausbildungsgarantie? Wir haben sie nicht gefunden. Wir haben uns auf die Suche begeben. Im Text der neuen Allianz für Aus- und Weiterbildung schreiben Sie, dass Sie allen Jugendlichen einen Pfad bereiten möchten. Meine Damen und Herren, ein schmaler Pfad, auf dem man sich irgendwie durchwurschteln kann, ist nicht das, was junge Menschen brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brauchen breite Wege und Brücken in den Beruf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, Ihr Antrag zeigt schon im Titel, dass Sie den Kern des Problems überhaupt nicht begriffen haben.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ein Käse!)

Dort lesen wir, dass Sie die Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung – wir haben es gerade gehört – durchsetzen wollen. Ich kann Ihnen versichern: Das schaffen Sie nicht, solange Sie das Ganze wie ein Mantra vor sich her tragen. Schwadronieren Sie nicht so lange über den vermeintlichen Akademisierungswahn – das tun Sie nämlich –, sondern hören Sie auf, die akademische Bildung gegen die berufliche auszuspielen.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das hat doch niemand gemacht! Niemand macht das! So ein Käse!)

– Doch. Da können Sie ruhig lachen. Es ist in unseren Augen so.

Es geht um die zentrale Frage, wie wir die Jugendlichen, die es selbst nicht schaffen und die schlechtere Startchancen in diesem Land haben, fit für die Ausbildung machen. Diese Jugendlichen gibt es.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Ich finde es, ehrlich gesagt, nicht so wahnsinnig lustig. – Es gibt sie, und sie brauchen mehr Unterstützung. Diese Jugendlichen haben wir bis jetzt nicht erreicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb fordern wir eine echte Ausbildungsgarantie, die diesen Namen auch verdient. Wir wollen die assistierte Ausbildung endlich für all jene Jugendlichen öffnen, die eben mehr Unterstützung brauchen, damit sie an ihr Ziel kommen.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja, aber das haben wir doch gemacht!)

– Ich sage ja gerade, was wir machen wollen. Hören Sie bitte noch kurz zu.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wir haben es schon gemacht!)

Wir wollen den Ausbau der Jugendberufsagenturen stärken, damit junge Menschen – etwa solche, die keine Eltern haben, die sie auf den richtigen Weg schubsen – die notwendige Unterstützung bekommen und nicht auf dem Weg von der Schule in den Beruf verloren gehen. Da gehen noch viel zu viele verloren.

Wir misten den Dschungel an Maßnahmen im Übergangsbereich aus und bündeln die sinnvollen Programme so, dass sie in einer betriebsnahen Ausbildung vom ersten Tag an zu einem anerkannten Berufsabschluss führen.

Da Ihnen anscheinend die Ideen ausgegangen sind, wie es noch besser geht und wie man das erreichen kann, rate ich Ihnen: Schauen Sie ruhig einmal in unsere grüne Ausbildungsgarantie. Übernehmen Sie Verantwortung für die jungen Menschen und für die Wirtschaft in diesem Land.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Michael Kretschmer, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5114443
Wahlperiode 18
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Berufliche und akademische Bildung
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