21.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 106 / Zusatzpunkt 4

Jan KorteDIE LINKE - Aktuelle Stunde zur Freigabe der NSA-Selektoren-Liste

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 11. Mai sagte Bundeskanzlerin Merkel in Bremen – ich darf zitieren –:

Zitat Ende.

Erstens. Natürlich stimmt das nicht, was sie gesagt hat. Es wird weiter vertuscht, behindert, geschwiegen und im Übrigen auch gelogen. Ich will die Dimension noch einmal deutlich machen: Es geht hier nicht um irgendetwas, sondern es geht offenbar um tausendfache Grundrechtsverletzung, und Bundeskanzlerin Merkel sitzt und schweigt wie in den bleiernen Helmut-Kohl-Zeiten. Das ist der Sache doch nicht wirklich angemessen nach so vielen Wochen der Debatte.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)

Zweitens. Genosse Sigmar Gabriel hatte rund drei helle Tage,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

in denen er markige Ansagen machte. Im Kern sagte er: Das Kanzleramt ist gefragt und verantwortlich. – Das ist richtig. Deswegen müssen wir uns jetzt die Reaktionen in dieser Spitzenkoalition darauf anschauen. Volker Kauder sagte – Zitat –: „So geht man nicht miteinander um in einer Koalition.“ Ausgerechnet in dieser Affäre will also die CDU/CSU Benimmregeln aufstellen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber das Ausspähen von EU-Partnern, der Wirtschaft und der Bevölkerung, das wird akzeptiert, das ist okay. – Da stimmt doch irgendetwas nicht bei Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Wissen Sie da schon mehr?)

– Ich habe noch mehr, es wird noch besser. Horst Seehofer mit Blick auf Sigmar Gabriel – ich darf zitieren –:

Abgesehen davon, dass zurzeit der sogenannten Staatsverantwortung in diesem Haus lediglich die Opposition gerecht wird,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ui, ui, ui!)

zeigt dieser Satz natürlich das ganze Elend in diesem Denken, nämlich das völlige Desinteresse für die Grund- und Freiheitsrechte, die im Übrigen unter großen Mühen und Opfern erkämpft worden sind.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Nicht von der Linken!)

Das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Angemessen wäre ja nun wirklich, wenn aufseiten der Bundesregierung irgendjemand mal Staatsverantwortung übernehmen würde.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Ende mit dem Schülerreferat!)

Aber das macht keiner. Das wäre doch wohl angemessen und nicht so ein Geschwätz aus Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Wie oft waren Sie im Ausschuss? Wie oft waren Sie da nach der Wahl?)

Das Ganze hat nun wirklich eine sehr grundsätzliche, demokratietheoretische Dimension. Deswegen will ich zum Dritten etwas zum Umgang mit dem Parlament und der Öffentlichkeit sagen. Sie beantworten Anfragen – das ist übrigens in dieser Legislaturperiode von Ihnen wirklich auf die Spitze getrieben worden – entweder gar nicht oder wissentlich falsch. Beides geht natürlich nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das No-Spy-Abkommen war ein reiner Wahlkampfgag – und Sie verkaufen das hier als eine große Tat! Ich will noch einmal darauf aufmerksam machen: Es gibt mittlerweile, zumindest unter den Innenpolitikern, wenn sie miteinander, mit dem Ausschusssekretariat oder mit Journalisten telefonieren,

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Mit Journalisten telefonieren Sie viel! Das stimmt!)

die Redewendung: nicht am Telefon. Das ist mittlerweile eine Standardaussage bei Telefonaten. Es kann doch nicht allen Ernstes von Ihnen für normal befunden werden, dass man nicht mehr frei am Telefon kommunizieren kann! Das muss aufhören, liebe Kolleginnen und Kollegen, egal in welcher Fraktion man ist! Das ist doch wirklich unfassbar.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Krönung des Ganzen bei dem Spiel der Entmachtung des Bundestages ist nun die Idee, einen Sonderermittler einzusetzen. Das ist in diesem Bereich nun wirklich die völlige Entmachtung des Parlaments. Da will ich auch sagen: Das hat nichts mit Oppositions- oder Regierungsfraktion zu tun. Es sollte doch allen Abgeordneten hier im Hause, egal wie sie politisch stehen, ein Anliegen sein, die Rechte der Abgeordneten nicht freiwillig aufzugeben. Wofür sitzen Sie denn eigentlich hier! Das kann doch nicht wahr sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen will ich Ihnen auch sagen: Auch die CDU/CSU kann wieder in der Opposition landen – das sollten Sie mal mit bedenken! –, wenn die SPD aus dem Quark kommt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Noch eine Anmerkung: Wenn Sie dem Vorschlag wirklich folgen, sollten zumindest die PKGr- und Untersuchungsausschussmitglieder der SPD und der CDU/CSU ihre Jobs im PKGr gleich freiwillig aufgeben; sie haben dann ja nichts mehr zu tun an relevanter Stelle. So konsequent sollten Sie sein! Dann können Sie gleich noch konsequenter sein – das wäre etwas Neues – und am besten gleich Ronald Pofalla zum Sonderermittler machen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann wird diesem Irrsinn nämlich zur Kenntlichkeit verholfen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich hatte ja bei der SPD gedacht: Okay, das sozialdemokratische Gewissen regt sich jetzt doch noch ganz kurz; Gabriel redete vom Rückgratzeigen. Dieses Rückgratzeigen gab er allerdings noch schneller auf als Heiko Maas seinen Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung. Es war alles Theater, Taktik. Vor allem war es rückgratlos von der SPD. Wie können Sie das nach dem Affentheater, das Sie hier aufgeführt haben, mitmachen?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Das war das Ende der fünf Minuten.

Wir müssen das jede Woche hier machen, bei dem, was hier abläuft.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Nur noch einen Punkt will ich sagen.

Ich bin schon immer großzügig.

Ein Satz wirklich noch: Es gibt die Gesetzeslage der Geheimhaltung, zum Beispiel aus Gründen des Staatswohls. Das kann man kritisch sehen, es kann aber auch einmal sinnvoll sein. Geheimhaltung ist allerdings nicht dafür da, das Regierungswohl zu wahren und Fehler der Regierung zu vertuschen. Das ist Ihr Verständnis, aber nicht unseres. Machen Sie endlich Ihren Job! Und, Frau Bundeskanzlerin, erfüllen Sie vor allem endlich Ihren Amtseid!

Vielen Dank.

Vielen Dank.

Die zukünftigen Rednerinnen und Redner halten dann bitte die Redezeit ein. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir fünf Minuten Redezeit für jeden in der Aktuellen Stunde haben. Wenn jeder eine Minute überzieht wie der Herr Kollege Korte, dann wird das unseren ganzen Zeitplan ins Wanken bringen.

Jetzt hat das Wort der Kollege Thomas Strobl, CDU/ CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5114616
Wahlperiode 18
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Freigabe der NSA-Selektoren-Liste
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