Hans-Ulrich KrügerSPD - Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehört die Beseitigung sogenannter Rüstungsaltlasten, zum Beispiel Fliegerbomben – meine Kollegen haben es schon angeführt –, nach wie vor zu den großen Problemen, die die Länder und der Bund zu bewältigen haben. Gefahren für Mensch und Umwelt lauern überall. Sie schlagen sich in Form von Bodenvergiftungen, Gewässerverschmutzungen und Explosionsgefahren nieder. 70 Jahre alte Fliegerbomben und Explosionsmaterialien sind einem chemischen Veränderungsprozess ausgeliefert, der Grundwasserverunreinigungen und Schlimmeres befürchten lässt. Diese Rüstungsaltlasten sind Hinterlassenschaften zum einen aus Kriegen, zum anderen von Rüstungsindustrie und alten Truppenübungsplätzen. Gemeinsam ist beiden Ursachen jedoch der erhebliche Aufwand, der mit der Beseitigung der Altlasten verbunden ist.
Es ist in der Tat kein Geheimnis, dass die Länder in vielen Fällen finanziell überfordert sind und wichtige Sanierungsaufgaben unerfüllt bleiben. Die Gefahren für Umwelt und Mensch bleiben demgemäß bestehen. Ich bin mir sicher, dass jeder von uns gut nachvollziehen kann, dass diese Gefährdung bedrückend ist, insbesondere für Regionen, die zu den – ich sage das durchaus in Gänsefüßchen – beliebten Zielen während der Zeit des Zweiten Weltkrieges gehört haben. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass hieraus nicht nur gesundheitliche, menschliche und soziale, sondern auch wirtschaftliche Nachteile resultieren können, zum Beispiel, wenn Investoren sich zurückziehen, weil sie die finanziellen Bedingungen, unter denen sie arbeiten sollen, nicht kalkulieren können.
Vor diesem Hintergrund sind die beiden letzten Bundesratsinitiativen der Länder Brandenburg und Niedersachsen – sie wurden eben schon angesprochen – aus den Jahren 2011 und 2014 zu sehen, die sich die Fraktion Die Linke zu eigen gemacht hat. Diese Bestrebungen der beiden Bundesländer sind dem Grunde nach durchaus nachvollziehbar.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Bereits seit 1992 wird nahezu in jeder Legislaturperiode fast ein und derselbe Gesetzentwurf vorgelegt.
Ohne die Bedeutung zu verkennen – ich hoffe, das habe ich deutlich gemacht –, ist meines Erachtens eine Lösung in Form des von den Linken vorgelegten Entwurfs kaum machbar. Mit dem Gesetzentwurf wird beabsichtigt, die Finanzierung der Maßnahmen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten grundlegend und einseitig zulasten des Bundes zu verändern. Nach den §§ 1, 2, 3 und 5 des Entwurfs soll der Bund auch die Kosten für nicht weltkriegsbezogene Lasten tragen. Dagegen sprechen meines Erachtens eindeutig verfassungsrechtliche Aspekte.
In Artikel 104 a des Grundgesetzes ist das sogenannte Konnexitätsprinzip verankert, das besagt: Die Ausgabenlast folgt der Aufgabenlast. Mit anderen Worten: Hat das Land eine Aufgabe, muss es diese finanzieren; hat der Bund eine Aufgabe, muss jener sie finanzieren. Das Grundgesetz lässt Abweichungen nur dort zu, wo ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. Der Gesetzentwurf bezieht sich im Kern auf Aufgaben, die der Gefahrenabwehr zuzurechnen sind. Das sind Bodenschutzmaßnahmen und Sanierungsbestrebungen – alles Dinge, die nach unserer verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung Länderaufgaben sind.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will man vom Konnexitätsgrundsatz in Artikel 104 a Grundgesetz abweichen. Das wiederum ist aber nur zulässig, wenn es dafür eine Norm gibt. Die Norm, um die es hier geht, ist Artikel 120 Grundgesetz, wonach dem Bund die Befugnis eingeräumt wird, Regelungen über Aufwendungen für innere und äußere Kriegsfolgelasten zu treffen. In diesem Zusammenhang gibt es eine einschlägige, aus Sicht von einigen von Ihnen leider immer noch einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach dem Gesetzgeber jede Befugnis in diesem Bereich nur dann zukommt, wenn es um Kriegsfolgelasten geht, die ausschließlich durch den Zweiten Weltkrieg verursacht worden sind. Dass der Krieg auch eine Ursache für eine Last ist, reicht nach unserer aktuellen Verfassungsgrundlage nicht aus.
Das ist nun der Punkt in dem Gesetzentwurf: Rüstungsaltlasten sollen auch Grundstücke sein, auf denen nach dem 30. Januar 1933 mit rüstungsspezifischen Stoffen oder Kampfmitteln umgegangen worden ist. Außerdem ist § 3 zu erwähnen, in dem auch Sanierungsmaßnahmen als in die Zukunft gerichtetes Handeln allein dem Bund zur Last gelegt werden sollen. Die Kosten für diese Sanierungsmaßnahmen sollen dem Bund in Rechnung gestellt werden. Das geht so leider nicht; denn die im Gesetzentwurf genannten Zielsetzungen sind größtenteils der Gefahrenabwehr zuzuordnen und damit Aufgabe der Länder.
Im Übrigen trägt der Bund – der Kollege von der CDU sprach das eben schon an – nach der Staats- und Verwaltungspraxis, die wir aktuell haben, bereits einen sehr hohen Anteil an der Finanzierung der Beseitigung der Altlasten. Er finanziert die Maßnahmen der Gefahrenbeseitigung auf nicht bundeseigenen Grundstücken, sofern sie durch reichseigene Kampfmittel verursacht worden sind. Zudem übernimmt er auf seinen Grundstücken natürlich ebenso seit 50 Jahren die Kosten für die Beseitigung der entsprechenden Kriegsfolgelasten. Er wendet ferner – die Summe wurde eben schon angesprochen – circa 25 Millionen Euro pro Jahr auf, um auf nicht bundeseigenen Grundstücken Gefahren zu beseitigen.
Sie sehen: Die finanziellen Mittel, die der Bund zur Verfügung gestellt hat und stellt, sind nicht unerheblich. Aber – das ist genau der Punkt, über den wir hier heute zu diskutieren haben – welche Mittel benötigen die Länder, um den ihnen obliegenden Anteil an dieser – ich zitiere – gesamtstaatlichen Aufgabe endgültig erfüllen zu können? Im Gesetzentwurf wird davon ausgegangen, dass sich die Kosten mehr als verdoppeln; genauere Berechnungen fehlen. Da muss ich als Haushälter natürlich sagen: Das ist keine Berechnungsgrundlage. Das ist kein Punkt, den man ausgehend vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Richtschnur seines Handelns machen könnte. Denn – und das ist auch die Erfahrung der Staatspraxis – Diskussionen bezüglich des effizienten Mitteleinsatzes sind in der Regel immer da die Folge, wo ich eine Alleinfinanzierung des einen und die Durchführung des anderen habe.
Ich komme zu dem Ergebnis, dass der vorliegende Gesetzentwurf in seiner bisherigen Form keine Chance hat, die angesprochenen Probleme nachhaltig zu beseitigen. Nichtsdestotrotz besteht das Gesamtproblem. Wie ich eingangs angesichts der Gefährdungslage für die betroffenen Regionen ausgeführt habe, gibt es heute erhebliche Aufgaben, bei denen mir bewusst ist, dass die Länder sie nicht oder nicht hinreichend immer werden erfüllen können.
Von daher bleibt uns im Hinblick auf das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben und die aktuelle Diskussion nur die Frage: Gibt es nicht einen neuen Lösungsansatz beispielsweise in der Form eines Bundeskonversionsprogramms? Gibt es nicht andere Lösungsansätze? Darüber, ob diese geeignet sind oder nicht, Herr Kollege Lindner, können andere streiten. Darüber haben die Länder dann im Rahmen der Bund-Länder-Finanzbeziehung zu beraten.
Leider muss ich ausführen: All diese wichtigen und richtigen zukunftsorientierten Ansätze werden leider mit der jetzigen Form des Gesetzentwurfs nicht zu erreichen sein. Vielmehr wird es weiterer Argumente und weiterer Auseinandersetzungen bedürfen. Vielleicht können sie an dieser Stelle im weiteren Verlauf des Verfahrens geführt werden. Vielleicht müssen sie aber auch an anderer Stelle geführt werden.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner für die CDU/CSU ist der Kollege Alois Karl.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5115510 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten |