Uwe FeilerCDU/CSU - Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über ein Thema, das wiederholt Gegenstand der Diskussion unabhängig von der politischen Farbenlehre in diesem Hause war, das für die betroffenen Menschen vor Ort jedoch noch keine befriedigende Lösung bietet. Als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Oberhavel-Havelland vertrete ich auch die Interessen der Einwohner Oranienburgs, einer Stadt, die sich des Titels der Bundeshauptstadt der Blindgängerbelastung leider nicht erwehren kann. Nirgendwo sonst werden bis heute so viele Blindgänger mit chemischen Langzeitzündern gefunden und noch im Boden vermutet wie in der Stadt Oranienburg.
Der Kampfmittelbeseitigungsdienst der brandenburgischen Polizei hat allein 2013 Rüstungsaltlasten mit Kosten von circa 11 Millionen Euro beseitigt. Die Stadt Oranienburg selbst trifft eine jährliche Vorsorge von rund 2 Millionen Euro für die begleitenden Maßnahmen als Ordnungsbehörde und für die städtischen Liegenschaften. Diese Summe stellt für eine Stadt mit etwa 40 000 Einwohnern eine große finanzielle Belastung dar, die sich im brandenburgischen kommunalen Finanzausgleich leider nicht widerspiegelt.
Schon alleine vor diesem Hintergrund bildet der Gesetzentwurf der Linksfraktion, die in Brandenburg mitregiert und jetzt wortgleich den Gesetzentwurf des Bundesrates aufwärmt, kein geeignetes Mittel, um diesem Missstand zu begegnen.
Das Gesetz nennt sich im vorliegenden Entwurf „Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz“. Der Name ist treffend. Denn er beruft sich als Grundlage auf Artikel 120 Absatz 1 des Grundgesetzes, umfasst im Gegensatz zu diesem aber nicht nur die Kriegsfolgealtlasten des Zweiten Weltkrieges, sondern ist gleichzeitig das Bekenntnis, dass die Länder mit ihrer Aufgabe der Gefahrenabwehr überfordert zu sein scheinen.
Gerade aus Brandenburg war in den vergangenen Monaten mehr und mehr die Vokabel der „nationalen Aufgaben“ zu vernehmen. Hinter diesem Begriff, der nichts anderes als eine finanzielle Mehrforderung verschleiern soll, steckt zum einen der Versuch, ureigene Länderaufgaben durch das neue Etikett besonders wichtig erscheinen zu lassen und den Bund als Zahlmeister zu gewinnen. So wird die Bildungspolitik von Vertretern der Landesregierung ebenso als nationale Aufgabe klassifiziert wie die innere Sicherheit, die Unterbringung von Asylbewerbern, der Ausbau der Kinderbetreuung oder eben auch die Kampfmittelbeseitigung.
Was die Ländervertreter bei dieser schiefen Argumentation verkennen, ist die Tatsache, dass sich die Länder selber in ihrer Existenz infrage stellen, wenn sie sich nur noch als bessere Regierungspräsidien für nationale Aufgaben des Bundes verstehen. Mein Verständnis ist das zumindest nicht.
Herr Kollege Feiler, darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller gestatten?
Ja.
Vielen Dank, Herr Kollege Feiler, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich frage Sie: Wissen Sie oder nehmen Sie zur Kenntnis, dass zu Zeiten der Großen Koalition im Land Brandenburg von 1999 bis 2009, als in Brandenburg die Linke noch nicht regiert hat, sondern in der Opposition war, die Union mit dem zitierten Minister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Jörg Schönbohm zweimal in der Landesregierung eine Bundesratsinitiative mitgetragen hat, nämlich 2001 und 2003?
(Beifall bei der LINKEN)
Sie liegt heute nahezu wortgleich als Entwurf eines Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetzes im Parlament vor.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es diese Initiative schon gab und dass das nicht unsere Erfindung war, sondern dass wir versuchen, berechtigte Interessen der Länder, die Sie als CDU in nahezu allen Landesregierungen mitvertreten haben, im Bundesrat durchzusetzen? Warum haben Sie ein so großes Problem, sich darauf einzulassen und mit dem Bundesrat in die Debatte zu treten? Warum sind Sie nicht selbst initiativ geworden? Warum haben Sie den Gesetzentwurf nicht selbst eingebracht, und warum haben Sie nicht die Möglichkeiten genutzt, auch ohne dass wir die Initiative ins Plenum einbringen mussten, mit den Ländern eine Vereinbarung zu treffen, die berechtigten Interessen, die Ihre CDU-Landesverbände auch in Brandenburg schon seit Jahren so sehen, zur Geltung bringen zu lassen?
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich gebe Ihnen recht – ich habe es vorhin schon erwähnt –: Es wurden mehrere Anträge unabhängig von der Farbenlehre in diesem Haus eingebracht. Allesamt sind sie negativ beschieden worden oder führten zu keiner Lösung. Ihr Gesetzentwurf ist wortgleich und wird auch zu keiner Lösung führen. Wenn ich gleich mit meiner Rede fortfahre, werde ich einen Lösungsvorschlag unterbreiten.
Zu Ihrem Vorwurf, was die CDU Brandenburg betrifft: Die CDU Brandenburg hat im Jahr 2010 für die Erstellung eines Kampfmittelkatasters und die Aufstockung der Mittel geworben. Das haben die rot-rote Landesregierung bzw. die rot-rote Koalition abgelehnt. Jetzt hat die CDU-Landtagsfraktion ihr Vorhaben wiederholt. Der Antrag ist in einem Ausschuss des Landtages gelandet. Ich hoffe, dass das Kampfmittelkataster und ein Konzept für die Kampfmittelbeseitigung in Brandenburg erstellt werden. Denn Sie sprechen in Ihrem Antrag auch von einem Fünfjahresfinanzplan. Ohne überhaupt ein Konzept zu haben, legen Sie irgendwelche Zahlen dar, die gar nicht nachweisbar sind. Schon deswegen ist Ihr Antrag abzulehnen. – Das war meine Antwort auf Ihre Zwischenfrage.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist unbestritten, dass die Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges, vor allem die vielen Blindgänger der alliierten Luftangriffe, sehr gefährlich für die Menschen sind und ihre Beseitigung eine aufwendige Aufgabe für die betroffenen Länder darstellt. Der vorliegende Gesetzesvorschlag bietet dafür aber keine zufriedenstellende Lösung. Die Fraktion Die Linke möchte sämtliche Kosten dem Bund auferlegen. Dafür soll die bewährte und sinnvolle Staatspraxis aufgegeben werden. Der Bund trägt nach dieser Staatspraxis die Kosten der Kriegsfolgelasten auf bundeseigenen Liegenschaften und der sogenannten reichseigenen Munition. Diese im Grundgesetz gesicherte Staatspraxis wird seit über 20 Jahren immer wieder von den Ländern angegriffen. Das ist verständlich; denn Kampfmittelbeseitigung ist ein teures Geschäft. Die Beseitigung der Blindgänger ist im Kern jedoch Gefahrenabwehr, ein im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes den Ländern übertragenes Aufgabenfeld. Die hier aufgestellte Forderung, der Bund solle alles zahlen, die Kompetenzen aber sollten bei den Ländern bleiben, kann und darf so nicht funktionieren.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung geht von einem jährlichen Wachstum der Steuereinnahmen von 2 Prozent in den nächsten fünf Jahren aus. Das entspricht bis 2019 circa 4 Milliarden Euro. Brandenburg wird alleine im laufenden und nächsten Jahr über 120 Millionen Euro Mehreinnahmen haben, die nach meinem Verständnis zunächst für Pflichtaufgaben wie auch die Bombenbeseitigung eingesetzt werden sollten. Für mich steht im Vordergrund, dass den Menschen in den betroffenen Städten, die es nicht nur in Brandenburg, sondern auch in Niedersachsen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen gibt, geholfen und deren Sicherheit gewährleistet wird. Das Fazit muss lauten: Die Bomben müssen weg.
Wir sollten deshalb nicht an Maximalforderungen festhalten, sondern pragmatische Lösungen suchen, die die Beteiligten in die Lage versetzen, die besonders gefährlichen Bomben mit chemischen Langzeitzündern schneller als bisher sicher zu bergen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in gemeinsamen Gesprächen mit gutem Willen auf beiden Seiten zu einer Einigung finden.
Für unterstützenswert hielte ich die Auflage eines Fonds – oder die Gründung einer Stiftung – für besonders belastete Regionen in Deutschland, der sich gleichermaßen aus Zuführungen der betroffenen Länder und des Bundes speist und zu einer fairen Kostenverteilung für alle führt. Eine komplette Kostenübernahme durch den Bund ist aus meiner Sicht jedoch nicht geboten. Ausschließlich die Rechnung nach Berlin zu schicken, wird der Verantwortung der Länder für die Sicherheit auch ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht gerecht.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5115579 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten |