Bärbel KoflerSPD - Bundeswehreinsatz UNMIL in Liberia
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute hier ein Mandat in Liberia, das bereits seit zwölf Jahren existiert und, wie ich glaube, einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit, aber auch zum Aufbau von staatlichen Institutionen in Liberia geleistet hat.
Wer die Situation in diesem westafrikanischen Land vor zwölf Jahren noch vor Augen hat, weiß: Es war ein wirklich gebeuteltes Land, das Jahre des Bürgerkriegs hinter sich hatte, in dem 250 000 Menschen ihr Leben verloren haben. Es gab mehr als 1 Million Vertriebene. Das Land war tief gespalten, wirtschaftlich und sozial. Die Infrastruktur war am Boden.
Das Mandat ist von einer Vorgängermission der westafrikanischen Staaten übernommen worden, die sich um einen Friedensvertrag, um Friedensschluss bemüht haben. Mit dem Friedensvertrag von Accra sollte über die UN-Mission ein Beitrag dazu geleistet werden, Liberia zu stabilisieren und vor allem – das ist das Bedeutende, das Wichtige daran – die Zivilbevölkerung in diesem Land zu schützen. Ich glaube, es ist wichtig, ein solches Mandat zu unterstützen. Es ist wichtig, dass wir es gemeinsam unterstützen, dass wir es als Völkergemeinschaft unterstützen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU])
Ursprünglich war diese Mission auf 15 000 Mann ausgelegt, konnte aber – auch das ist ein Indiz dafür, dass in die richtige Richtung gearbeitet wurde – in den ersten drei Jahren bereits um zwei Drittel reduziert werden. Der Fokus konnte auf verschiedene Aspekte, auch nichtmilitärische Aspekte, ausgeweitet werden.
Wichtig, glaube ich, ist, dass es mit diesem Mandat gelungen ist, drei demokratische Wahlen in Liberia abzusichern: im Jahr 2005, im Jahr 2011 und im Jahr 2014. Es ist wichtig, dass diese Wahlen frei, demokratisch und vor allem sicher für die Zivilbevölkerung abgehalten werden konnten.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es geht aber um weit mehr als um den militärischen Sektor, auch wenn er in diesem Fall wegen der Sicherung der Zivilbevölkerung sehr wichtig ist. Es geht um den Aufbau von Institutionen in Liberia. Es geht um die Arbeit, die auch von Polizisten in Liberia geleistet wird, um die Ausbildung von Polizeikräften auch in ländlichen Strukturen, um die Frage, wie man Dezentralisierung auch im Bereich der Sicherheitskräfte voranbringen und gerade auch auf dem Land Sicherheit herstellen kann. Es geht ferner – das darf nicht vergessen werden – um das zivile Personal, das im Rahmen dieser UN-Mission Rechtsberatung leistet, Beratung beim Aufbau von Justiz- und Sicherheitssystemen leistet, Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte, aber auch Fragen des Gesundheitswesens – ich erinnere insbesondere an HIV/ Aids – mit bearbeitet und hier wertvolle Beiträge leistet.
Das Mandat läuft am 30. Juni nächsten Jahres aus. Dann soll Liberia die gesamte Sicherheitsverantwortung übernehmen. Ich glaube, es war richtig, in den letzten Wochen und Monaten die Truppenreduzierung wegen der Ebolaepidemie in Liberia auszusetzen und erst jetzt langsam damit fortzufahren. Nach Beschluss vom April dieses Jahres wird derzeit über 3 590 Soldaten, 1 515 Polizisten, aber auch 390 zivile Experten diskutiert. Deutschland beteiligt sich seit dem Jahr 2004 vor allem im Bereich der Polizei mit fünf Polizistinnen und Polizisten, im Bereich des zivilen Personals mit sechs Expertinnen und Experten und ab Sommer dieses Jahres eben auch das erste Mal mit fünf Soldatinnen und Soldaten, auch in der führenden Position des stellvertretenden Befehlshabers von UNMIL. Ich glaube, es ist richtig, dass wir uns daran beteiligen, und ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir das an der Mission UNMIL insgesamt tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Mission hatte in den letzten Wochen und Monaten schwierige Aufgaben zu übernehmen, insbesondere als es um den Umgang mit der Ebolaepidemie ging. Ich glaube, es ist ein positiver Beitrag, dass es hier neben der anderen Mission der UN, UNMEER, bei der es explizit um die Bekämpfung der Ebolaepidemie ging, gelungen ist, logistische Unterstützung zu leisten und den Transport von Hilfsgütern in entlegene Landesteile zu begleiten. Es ist aber auch nicht zu unterschätzen, dass es gelungen ist, einen Beitrag zur gesundheitlichen Aufklärung der Bevölkerung in Liberia, zum Beispiel über einen missionseigenen Radiosender, zu leisten und Erkenntnisse über Krisen, Ursachen und Vermeidungsstrategien im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Ebola zu sammeln und zu verbreiten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Mission soll zu einem für Liberia sehr schwierigen Zeitpunkt enden. Ich glaube, es ist wichtig, sich über die Mission hinaus Gedanken zu machen, wie wir Liberia weiter begleiten und unterstützen können. Das Land hat, wie gesagt, Jahrzehnte des Bürgerkriegs hinter sich, der Destabilisierung, auch des Vertrauensverlustes der Bevölkerung im Hinblick auf alle staatlichen Institutionen, auf ihren Staat als Ganzes. Liberia hat im letzten Jahr mit fast 4 700 Toten den größten Anteil aller westafrikanischen Länder an den Toten der Ebolaepidemie zu verkraften gehabt. Auch das hatte natürlich ökonomische und humanitäre Folgen für das Land. Das Wirtschaftswachstum ist eingebrochen. Besonders schlimm finde ich, dass in einem Land, in dem Arbeitslosigkeit sowieso grassiert, noch einmal 46 Prozent der arbeitenden Menschen ihre Arbeit und damit ihre Existenzgrundlage verloren haben, dass das Haushaltsvolumen des Staates Liberia noch einmal um prognostizierte 25 Prozent zurückgehen wird und dass natürlich auch die Ernährungssituation aufgrund der Ernteausfälle und der nicht möglichen Arbeit in der Landwirtschaft das Land vor entsprechend große humanitäre Herausforderungen stellen wird.
Ich glaube, gerade in dieser Situation wird die Aufgabe sein, jenseits von UNMIL eine Antwort auf die Frage zu geben: Wie können wir das staatliche Gesundheitssystem und die Strukturen in Liberia stärken, um den nächsten Krisen und Epidemien vorzubeugen, um den Menschen eine Basis zu geben, sich gesundheitlich versorgen zu können und es ihnen zu ermöglichen, Vertrauen in den eigenen Staat wiederzugewinnen? Ich glaube, es ist wichtig und richtig, dass wir über die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes, aber genauso über die Entwicklungszusammenarbeit des BMZ entscheidende Beiträge geleistet haben. Es ist richtig, dass wir beim Wiederaufbau im Transportsektor und bei der Infrastruktur viel geleistet haben, bei der Rehabilitierung von Wasserkraftwerken, aber auch dabei, im Rohstoffsektor Transparenz bei der Entnahme der Rohstoffe herzustellen, damit die eigenen Ressourcen auch für die Bevölkerung in Liberia genutzt werden können. Ich glaube aber, dass wir als Völkergemeinschaft noch einen langen Atem über die Mission UNMIL hinaus brauchen werden, dass wir hier humanitär und entwicklungspolitisch arbeiten müssen, um dem Land eine Basis für eine friedliche Zukunft zu geben.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Sevim Dagdelen von der Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5115815 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz UNMIL in Liberia |