Gabriela HeinrichSPD - Menschenrechte in Mexiko
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! Noch vor einem Jahr hätten wohl die wenigsten Menschen in Europa Mexiko genannt, wenn man sie nach den Krisen auf dem Globus gefragt hätte. Wenn sie überhaupt wahrgenommen wurden, bezeichnete man die Konflikte in Mexiko als Kartellkriege, Bandenkriege oder Drogenkriege.
Seit den Ereignissen in Iguala hat sich das grundlegend geändert. Die 43 verschwundenen Studenten haben die Menschenrechtslage in Mexiko ins Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit gerufen. Seitdem lesen und hören wir mehr über dieses Land, leider meist nichts Gutes. Zum Beispiel berichtete gestern die Süddeutsche Zeitung online, dass erneut Menschen verschwunden sind, wieder in der Provinz Guerrero, diesmal im Ort Chilapa. Die Anzahl der verschwundenen Menschen scheint noch nicht klar zu sein. Die Bewohner hätten von 30 Menschen gesprochen, die örtliche Menschenrechtskommission von 13. Verschwunden seien die Personen, nachdem eine Bürgerwehr den Ort besetzt hatte.
Fakt ist: Viel zu viele Menschen verschwinden in Mexiko. Regierungschef und Präsident Enrique Peña Nieto bekennt sich zwar ebenso wie sein Vorgänger Calderón zu den Menschenrechten. Mexiko ist ein verlässlicher Partner in den Vereinten Nationen. Mexiko hat die allermeisten internationalen Menschenrechtsabkommen unterschrieben und ratifiziert. Dennoch sind Menschenrechtsverletzungen in mehreren Bundesstaaten an der Tagesordnung. In den Bundesstaaten Michoacán und Guerrero vergeht kaum ein Tag ohne gewalttätige Auseinandersetzung. Die jeweiligen Gegner sind heterogen, die Lage ist unübersichtlich. Die Waffengewalt spielt sich innerhalb des organisierten Verbrechens ab oder zwischen Polizei und Banden oder zwischen selbsternannten Bürgerwehren und Banden. Die Konflikte gehen also längst über einen Drogen- oder Kartellkrieg hinaus.
Es gibt viele Menschenrechtsverletzungen in Mexiko: Gewalt an Frauen, Feminizide, also Morde an Frauen, Kinderarbeit, Menschenhandel und Diskriminierung von Minderheiten. Ein Teil des Problems sind die Sicherheitsbehörden. Menschenrechtsorganisationen berichten von Übergriffen durch Polizei und Militär, von Willkür, vom Verschwindenlassen und von Folter. Die Täter gehen in der Regel straffrei aus. Die Justiz ignoriert Straftaten ebenso wie schwere Menschenrechtsverletzungen.
Amnesty International beschreibt im Amnesty Report 2015 über Mexiko, dass dadurch das Klima der Straflosigkeit weiter verstärkt und das Vertrauen in das Rechtssystem geschwächt sei. Die Folge sind Selbstbewaffnung und Selbstjustiz durch Bürgerwehren, weil sich die Menschen nicht mehr oder nicht genügend durch Staat, Justiz und Polizei geschützt fühlen. Wenn solche Bürgerwehren wiederum Drogenkartelle oder -banden unterstützen, dann ist der Teufelskreis komplett.
Mexiko selbst will bis 2016 endlich die Strafprozessrechtsreform aus dem Jahr 2008 umsetzen. Diese Reform modernisiert das mexikanische Justizwesen und soll die Rechte der Angeklagten stärken. Zum Beispiel soll endlich die Unschuldsvermutung gelten, und erzwungene Geständnisse sollen verboten werden. Weiterhin sollen die Maßnahmen im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, gegen Drogenkartelle und Menschenhändler verschärft werden.
Deutschland unterstützt Mexiko in der Entwicklungszusammenarbeit bisher vor allem im Bereich von Umweltprojekten. In Ihren Anträgen fordern Sie völlig zu Recht, dass Deutschland die mexikanische Zivilgesellschaft stärken soll. Aus dem Entwicklungsministerium habe ich die Information erhalten, dass die Entwicklungszusammenarbeit demnächst neben dem Umweltschwerpunkt neue Wege gehen soll. Anfang Juni werden die deutsch-mexikanischen Regierungsverhandlungen stattfinden. Geplant ist ein gemeinsam finanzierter Fonds, der unter anderem Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit finanzieren soll. Ein weiterer Fonds ist zur Förderung der mexikanischen Zivilgesellschaft vorgesehen.
Das von Ihnen kritisierte Abkommen zielt darauf ab, die organisierte Kriminalität zu bekämpfen und zu verhindern. Die Minderung schwerster Straftaten, der Rauschgift- und Schleuserkriminalität, des Terrorismus und des Menschenhandels sind die Unterziele. Die Polizei erhält dadurch keine weiteren Befugnisse, aber Deutschland kann helfen, die Sicherheitsbehörden besser auszubilden. Das wiederum kann helfen, Rechtsstaatlichkeit zu fördern.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für wen? Für welche Regierung?)
Die Zusammenarbeit soll über die Generalstaatsanwaltschaft erfolgen. Auch die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala arbeitet mit der Generalstaatsanwaltschaft zusammen. Aus Guatemala wissen wir, dass die Erfolge im Kampf gegen die organisierte Kriminalität auch von den dort handelnden Personen abhängig sind.
Ja, in Mexiko sind Korruption und Willkür ein Problem. Aber sollten wir die Zusammenarbeit deshalb einstellen? In der Entwicklungszusammenarbeit müssen wir uns diese Frage häufig stellen. Versuchen wir, ein Land beim Aufbau von mehr Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen, oder kapitulieren wir aufgrund der zugegebenermaßen sehr schwierigen Situation?
Beide Anträge der Opposition fordern durchaus Wichtiges und Richtiges, zum Beispiel, die Zivilgesellschaft bzw. Menschenrechtsverteidiger zu unterstützen. Beide Anträge fordern aber auch, das Sicherheitsabkommen auszusetzen,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
ohne Mexiko eine konkrete Alternative zu bieten.
Ich bin völlig einverstanden mit Ihrer Forderung nach deutlich mehr Fortschrittskontrolle und weitaus größerer Transparenz in Ihrem Antrag mit dem Titel „Sicherheitsabkommen brauchen Standards“. Das Parlament muss über die Maßnahmen, die Fortschritte oder mögliche Misserfolge informiert werden.
Sie schießen jedoch über das Ziel hinaus. Sie fordern halbjährliche Berichte der Bundesregierung an den Bundestag. Die Berichte sollen Auftrag, Zweck, Gebiet, rechtliche Grundlagen, Mitarbeiterzahl, Kosten und Dauer enthalten. Wenn wir zu allen 24 Sicherheitsabkommen und zu den 12 derzeit verhandelten Abkommen halbjährlich Berichte bekommen sollen, dann sind das 72 Berichte im Jahr. Ich halte dieses Ansinnen für überzogen und wenig zielführend.
Wir werden die drei Anträge ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung mit dem Titel „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der durch die Vereinten Nationen geführten Mission UNMIL in Liberia auf Grundlage der Resolution 1509 (2003)“, Drucksachen 18/4768 und 18/4965, bekannt geben: Abgegeben wurden 584 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 522, mit Nein haben gestimmt 59. 3 Kolleginnen und Kollegen haben sich enthalten. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Ich rufe die nächste Rednerin auf: Heike Hänsel von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5115951 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Menschenrechte in Mexiko |