Matthias BartkeSPD - Bundesverfassungsgerichtsgesetz
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Politiker würden sich des makellosen Rufes erfreuen, den die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben. Ich glaube, jeder der hier versammelten Abgeordneten wäre begeistert.
(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Bei uns ist das der Fall!)
Das hohe Ansehen des Bundesverfassungsgerichts ist von unschätzbarem Wert, der nicht aufgewogen werden kann. Unser Anspruch muss es daher sein, die hohe Legitimität des Bundesverfassungsgerichts zu erhalten. Die Frage der Richterwahl trifft dabei den Kern des Ganzen. Grundsätzlich geregelt ist sie in Artikel 94 Grundgesetz, konkretisiert wird sie in § 6 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Diese Konkretisierung im Bundesverfassungsgerichtsgesetz trat 1951, also vor fast 65 Jahren, in Kraft; und sie ist seither hochstrittig. Selbst der amtierende Präsident des Bundesverfassungsgerichts Voßkuhle hat die geltende Regelung der Richterwahl in seiner Kommentierung von Artikel 94 Grundgesetz noch im Jahr 2010 mit deutlichen Worten als verfassungswidrig deklariert. Seltsamerweise hat er aber dann zwei Jahre später den Beschluss mitunterzeichnet, nach dem das Gericht die Regelung zur Richterwahl als verfassungskonform ansieht.
Die Kritiker der jetzigen Rechtslage bemängeln, dass sich das Bundestagsplenum der zentralen Aufgabe der Auswahl der eigenen Kontrolleure nicht entledigen dürfe. So nämlich wird die Delegierung der Auswahl an den Wahlausschuss gewertet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass wir in einem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf dieser Kritik begegnen und Änderungen vornehmen. Es bleibt zwar auch künftig bei dem zwölfköpfigen Wahlausschuss. Dieser wählt aber nicht mehr die Richter des Bundesverfassungsgerichts; stattdessen beschließt er mit mindestens acht Stimmen einen Wahlvorschlag. Die Richter werden auf diesen Vorschlag hin im Plenum ohne Aussprache gewählt und müssen dort eine Zweidrittelmehrheit erhalten.
Dennoch – der Änderungsantrag der Grünen macht es deutlich – konnten wir trotz des fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfs nicht in allen Punkten Einigkeit erreichen. Die Grünen fordern zum Beispiel eine Frauenquote von 37,5 Prozent in jedem der beiden Gerichtssenate.
Meine Damen und Herren, die SPD ist die Partei der Quote.
(Beifall bei der SPD – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich erzähle gleich mal was aus dem Nähkästchen! – Richard Pitterle [DIE LINKE]: Ihr wollt also 40 Prozent?)
Wir haben das Gesetz zur Frauenquote in Führungspositionen durchgesetzt. Aber das Gesetz war auch sorgfältig vorbereitet und wurde vorher intensiv und medial diskutiert. Genau das ist hier nicht der Fall. Hier soll quasi im Vorbeigehen kurz vor Ende der zweiten Lesung ein Schnellschuss abgefeuert werden, der mehr grundsätzliche Fragen als Antworten aufwirft: Warum eine 37,5-Prozent-Quote? Warum sollen nur die Senate des Bundesverfassungsgerichts quotiert werden? Warum sollen nicht auch andere Gerichte quotiert werden? Warum soll nicht zum Beispiel auch die Finanzgerichtsbarkeit, die bislang den geringsten Frauenanteil aller Gerichtsbarkeiten aufweist, quotiert werden?
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die nicht im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt wird!)
All das sind Fragen, die man lösen kann, aber nicht, indem man kurz vor Ultimo eben einen kleinen Änderungsantrag mit gravierender Tragweite einbringt. Und natürlich hätte man vorher eine umfängliche Anhörung zur Thematik durchführen müssen. Nein, ein solcher Schnellschuss entspricht keiner verantwortungsvollen Politik.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das würde ich einmal bei der Vorratsdatenspeicherung berücksichtigen!)
Lassen Sie mich aber am Ende doch festhalten: Mit dem heute zu beschließenden Gesetz werden wir ein Wahlverfahren für das höchste deutsche Gericht korrigieren, das seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch hochstrittig war. Meine Damen und Herren, daher gilt: Heute ist ein guter Tag für unseren Rechtsstaat!
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Richard Pitterle, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5116210 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Bundesverfassungsgerichtsgesetz |