Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Bundesverfassungsgerichtsgesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt“, so besagt es Artikel 94 Absatz 1 Satz 2 unseres Grundgesetzes. Der Bundesrat hat das für seine Hälfte gleich von Anfang an so umgesetzt, wie man das erwartet. Wenn vom Bundesrat die Rede ist, dann denkt man ans Plenum, und dort werden auch die vom Bundesrat zu wählenden Richter ausgewählt.
Der Bundestag ist von Anfang an einen anderen Weg gegangen – wir haben es gerade gehört –: Ein zwölfköpfiges Gremium übernimmt das für uns. Das ist nicht so richtig transparent, nicht jeder bekommt mit, was da passiert. Es wird so gut wie keine öffentliche Notiz davon genommen. Dabei ist es durchaus von Bedeutung, welche Persönlichkeiten diese Aufgabe beim Bundesverfassungsgericht für uns alle wahrnehmen. Sie legen für uns die Verfassung verbindlich aus, sie entscheiden auch teilweise über unsere gesetzgeberischen Entscheidungen. Da macht es nicht nur einen Unterschied, welche rechtliche Qualifikation man mit sich bringt, sondern auch, welche Lebenserfahrung man mitbringt, welches Geschlecht man mitbringt, vielleicht auch, aus welcher Region des Landes man kommt. Deshalb hat das durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient.
Es ist gut, dass wir heute dieses Verfahren ändern, es aus diesem kleinen Gremium herausholen und ins Plenum verlagern und dass wir hier demnächst mit Zweidrittelmehrheit im gesamten Rund der Abgeordneten entscheiden. Mindestens die Hälfte der Mitglieder des Bundestages muss sich dann für einen Richter aussprechen.
Was erreichen wir damit? Wir nähern uns vor allem zunächst einmal dem Wortlaut von Artikel 94 des Grundgesetzes. Es hat schon öfter Streit gegeben, ob das bisherige Verfahren überhaupt diesem Artikel genügt. Seinerzeit hat auch Herr Voßkuhle – das muss er sich jetzt noch öfter anhören – eine andere Meinung dazu vertreten als jetzt als Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Ich denke, es liegt auch auf der Linie des Bundesverfassungsgerichts, zu sagen, dass alle wesentlichen Entscheidungen im Plenum des Bundestages getroffen werden müssen und eben nicht auf die Regierung oder auf kleinere Gremien übertragen werden können. Es liegt aber vor allem auf der Linie, die Legitimation des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. Wir haben den Grundsatz, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Das gilt für uns als Parlament ganz klar, aber es gilt eben auch für das Bundesverfassungsgericht, im Übrigen genauso für den Bundesgerichtshof und die anderen Bundesgerichte; das sei hier auch noch einmal gesagt. Ich denke, uns Abgeordneten ist das sehr bewusst, weil wir uns dem alle vier Jahre wieder stellen müssen. Es ist aber der Wahlakt, der uns legitimiert, von dem sich letztendlich auch die Staatsgewalt der Gerichte ableitet. Diese Ableitung wird gestärkt und damit auch die Legitimation, wenn dieser überflüssige Zwischenschritt wegfällt, nicht mehr das Parlament einen kleinen Ausschuss bestimmt, der die Richter wählt, sondern das Plenum unmittelbar die Richter wählt. Das ist ein Mehr an Legitimation, ein Mehr an Transparenz, ein Mehr an Nähe, die wir unserem gemeinsamen Souverän, denke ich, schulden, dem gemeinsamen Souverän, der uns legitimiert und auch finanziert und der von unseren Entscheidungen auch betroffen ist.
Die Anforderungen, die an uns als Parlamentarier gestellt werden, auch in Bezug auf Transparenz, in Bezug auf unsere Person, auf unsere Entscheidungen, sind hoch. Sie sind nicht zuletzt auch durch die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an uns sehr hoch. Ich denke, es ist dann konsequent und liegt auch auf der Linie dieser Entscheidungen, wenn wir heute in einem behutsamen ersten Schritt auch mehr Transparenz in die Wahl der Bundesverfassungsrichter bringen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])
Ein Stück weit ist es auch dieser Transparenz geschuldet, dass wir heute Abend hier diese Debatte sozusagen in Wort und Bild führen und die Reden nicht nur zu Protokoll geben. Ich denke, das ist eine kleine Reminiszenz an die Bedeutung dessen, was in dieser Debatte beraten wird.
Nun kann man im Rückblick sicher sagen, dass die Entscheidungen, die der kleine Wahlausschuss bisher getroffen hat, im Ergebnis gut waren. Das Bundesverfassungsgericht hat ein hohes Renommee, und das liegt an der Qualität der Entscheidungen, die dort getroffen worden sind, und auch an dem hohen Renommee der Richter, die dort tätig sind.
Stellen wir uns das Anforderungsprofil vor: Dazu gehören sehr gute rechtliche Kenntnisse, ein sehr gutes Standing, eine sehr gute Überzeugungskraft und auch die Bereitschaft, sich auf die Argumente der anderen, auch der anderen Kollegen, einzulassen. Es gehört sicherlich nicht dazu, dass man immer die große Bühne sucht. Das berücksichtigen wir in unserem Verfahren. Wir schaffen das Mehr an Transparenz, ohne ins glatte Gegenteil zu verfallen, ohne also amerikanische Verhältnisse herbeizuführen. Ich denke, dass wir so diesem wichtigen Wahlvorgang mehr Aufmerksamkeit verschaffen, die er auch verdient, und zugleich einen sehr guten Rahmen schaffen, sodass wir bei alldem auch in Zukunft die richtigen Kandidaten und Kandidatinnen auswählen.
Ich danke Ihnen für das Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als Nächstes hat Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5116213 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Bundesverfassungsgerichtsgesetz |