22.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 107 / Tagesordnungspunkt 28

Frank TempelDIE LINKE - Bekämpfung von Doping im Sport

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bekämpfung von Doping im Sport ist offensichtlich ein gemeinsames politisches Ziel aller Fraktionen im Deutschen Bundestag. Dabei geht es, wie gehört, um Fairness und Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb. Und es geht um die Glaubwürdigkeit und Vorbildfunktion des Sports, insbesondere des Spitzensports. Es geht natürlich auch um wirtschaftliche Faktoren, wenn letztendlich aufgrund von Doping Fördermittel, Gehälter oder Prämien bezogen werden und nicht dopende Sportler deswegen keinen Zugang zu diesen Einnahmen haben. Aber der absolut vorrangigste Zweck – ich hoffe wirklich, dass das alle so sehen – ist nicht der wirtschaftliche Aspekt, sondern der Schutz der Gesundheit von Sportlerinnen und Sportlern,

(Beifall bei der LINKEN)

und das, Herr Grindel, eben nicht nur im Leistungssport.

Neu im Katalog der Maßnahmen ist das Unter-Strafe Stellen von Selbstdoping, also die Strafanzeige für dopende Sportler im Wettbewerb des organisierten Sports. In etwas abgeschwächter Form ist diese Forderung auch im Antrag meiner Fraktion, der Linken, enthalten. Wer meine Forderungen in der Drogenpolitik kennt, weiß, dass ich erhebliche Zweifel an der generalpräventiven Wirkung von Verboten habe, also Zweifel daran, dass ein Verbot wirklich hilft, die Situation zu verbessern, also in diesem Fall die Dimensionen des Dopings im Sport zu verringern. An dieser Stelle richte ich ein Dankeschön an meine Fraktion dafür, dass ich diese Zweifel hier äußern darf, dass ich diesen Aspekt in die Debatte einbringen darf. Natürlich haben viele Sportlerinnen und Sportler Angst vor Kriminalisierung, und die Linke nimmt diese Angst ernst, und zwar ohne Arroganz, Herr Grindel. Wir arbeiten mit den Sportlern zusammen und nicht über ihre Köpfe hinweg.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht im Gegensatz zum Cannabisgebrauch nicht nur um eine potenzielle gesundheitliche Gefährdung des Sportlers, sondern eben auch um das Erlangen von Vorteilen zum Nachteil anderer. Auch darüber müssen wir in der Debatte diskutieren.

Es geht grundsätzlich – das halte ich für genauso wichtig – um den Stellenwert des Sports in unserer Gesellschaft. Sehr schnell kann der Eindruck entstehen, dass der Kampf gegen Doping ein Thema des Spitzensports ist. Das ist aber falsch. Der Kampf gegen Doping muss sehr viel breiter angelegt werden; und spätestens da wird uns das Strafrecht nicht mehr helfen. Ein Straftatbestand für Spitzensportler ist schnell beschlossen; aber gegen die Dopingnormalität im Breitensport werden ganz andere Anstrengungen notwendig sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der gedopte Radsportler wird in der Öffentlichkeit schnell mit Verachtung und Enttäuschung überhäuft und ist nun wohl bald auch ganz offiziell kriminell. Wie aber sieht es im Breitensport aus? Wer hat da eigentlich noch das Wissen, was Doping ist? Besuchen Sie einmal zu Hause die Fitnessstudios, und schauen Sie sich an, was dort passiert: Für die einen ist der Proteinshake bereits Doping; für die anderen sind all die verschiedenen Kapseln, Pillen und Tröpfchen, die es dort in sehr großer Anzahl und Auswahl gibt, völlig normal. Wer sich ein wenig informiert, weiß, dass man über das Internet und über das Ausland ganz schnell Mittelchen beziehen kann, die versprechen, dass der gewünschte leistungssteigernde Effekt noch schneller eintritt.

Kaum einer weiß aber, was diese Mittelchen tatsächlich alles bewirken. Es reicht, wenn auf der Verpackung steht: „schnellere Fettverbrennung“, „schnellerer Muskelaufbau“, „schnellere Regeneration“, und schon wird das Zeug gekauft. Damit wird viel Geld verdient. Ganz schnell geht es nicht mehr nur um Nahrungsergänzungsprodukte – das Ganze übrigens oft ohne Altersbeschränkung. Vielleicht steht noch auf der Verpackung, dass die angegebene Dosierung nicht überschritten werden darf. Warum? – Das steht nicht drauf. Aus einigen Gesprächen beim Training weiß ich allerdings, dass auch dieser Hinweis oft ignoriert wird; denn vielleicht hilft viel ja doch viel, und die Zeitschriften sind voll von verlockenden Vorher-nachher-Bildern, gerade jetzt, im Frühjahr.

Doping, so der Eindruck, ist nur ein Phänomen des Profisports. Nein, der Kampf gegen Doping ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das ist in allererster Linie eine Frage der Prävention, eine Frage der Aufklärung und Bildung, auch bei Marathonläufern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke fordert deswegen wesentlich stärkere Anstrengungen in diesen Bereichen.

Die Einigkeit hier im Bundestag bei der Bekämpfung des Dopings wird sich auch in den Fragen von Aufklärung und Prävention fortsetzen müssen, selbst wenn es vielleicht Geld kostet. In der Fortsetzung eines Anti-Doping-Gesetzes müssen geeignete Programme gefunden werden, die den gesundheitsfördernden Charakter des Sports wieder stärken und die Akzeptanz des Dopings zurückdrängen. Die Werte müssen sich wieder so verändern, dass ein durchtrainierter Freizeitsportler oder Marathonläufer nicht mehr gefragt wird, was er einnimmt, sondern, wie oft er trainiert. Das ist die Integrität des Sports.

(Beifall bei der LINKEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr müsst euch besser absprechen! Der eine begrüßt und der andere kritisiert!)

Vielen Dank, Frank Tempel. – Nächste Rednerin in der Debatte: Dagmar Freitag für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5119627
Wahlperiode 18
Sitzung 107
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Doping im Sport
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