22.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 107 / Tagesordnungspunkt 28

Dagmar FreitagSPD - Bekämpfung von Doping im Sport

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland bekommt ein Anti-Doping-Gesetz. Das ist gut so aus vielerlei Gründen, aber vor allen Dingen auch wegen der sportpolitischen Vorgeschichte unseres Landes in Sachen Doping. Ich danke an dieser Stelle insbesondere den beteiligten Ministerien. Justizminister Heiko Maas hat schon zu Beginn seiner Amtszeit deutlich gemacht, dass ihm dieses Gesetzesvorhaben ein besonderes Anliegen ist. Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen der Union für die Unterstützung.

(Beifall bei der SPD)

Wir bekommen ein Anti-Doping-Gesetz. Wir wissen: Es gibt viele, die lange auf ein solches Gesetz gewartet haben, und bekanntlich andere, die genauso lange versucht haben, es zu verhindern, bis heute übrigens, und zwar mit fadenscheinigen bis hin zu absurden Argumenten, die auch durch ständige Wiederholung nicht wirklich besser werden. Das mittlerweile zu einer gewissen Berühmtheit gelangte Asthmaspray ist ein Beispiel dafür.

Nach rund zwei Jahrzehnten wirklich zäher Diskussionen vor allem mit Vertretern des organisierten Sports haben sich die Befürworter einer Dopingbekämpfung, die durch rechtsstaatliche Instrumente unterstützt wird, gegen jene durchgesetzt, die glauben machen wollen, der Sport könne das Problem alleine lösen. Nach dieser Vorgeschichte muten öffentliche Vorwürfe, dieser Gesetzentwurf werde per Dekret durchgepeitscht, geradezu verzweifelt an. Ich empfehle an dieser Stelle etwas mehr Gelassenheit, man könnte auch sagen: etwas mehr Sportsgeist.

Zukünftig werden sich also dopende Sportler nicht nur vor der Sportgerichtsbarkeit verantworten müssen, sondern können auch von staatlichen Ermittlungen und Sanktionen betroffen sein; denn die dopenden Sportler sind – wie mehrfach erwähnt – diejenigen, die sich Vorteile verschaffen. Sie gelangen unverdient nicht nur zu Ruhm und Ehre, sondern auch zu Preisgeldern und Sponsorenverträgen. Leidtragende dieser Machenschaften sind die sauberen Athletinnen und Athleten. Sie werden um fast alles betrogen, für das sie jahrelang hart trainiert haben: um den unvergleichlichen Moment der Siegerehrung in einem voll besetzten Stadion, das Abspielen der Nationalhymne, Prämien, Werbeverträge.

Natürlich gibt es einen weiteren ganz großen Verlierer, nämlich den Sport als Kulturgut in seiner ganzen Vielfalt, mit all seinen positiven Facetten und Eigenschaften sowie seinen Werten wie Chancengleichheit und Fairness.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Sport und andere haben sich lange eingeredet, den Dopingsumpf mit ihren eigenen Mitteln bekämpfen zu können. Wie wir wissen, waren sie nicht erfolgreich. Daher ist schon seit Jahren über die Einführung eines entsprechenden Gesetzes diskutiert worden. Ein erster echter Anlauf hat dieses Problem im Jahre 2007 nicht beseitigen können; das wissen wir. Schon damals waren wir dem erbitterten Widerstand der Sportorganisationen ausgesetzt. Aber die Zeiten haben sich geändert. Wir haben mehr Unterstützung aus dem Sport und auch, Frau Künast, von Sportlerinnen und Sportlern – ja, von Sportlerinnen und Sportlern, die sich ganz offensichtlich keine Sorgen um bestimmte Grenzwerte machen, möglicherweise weil sie es nicht müssen.

Jetzt also liegen umfassendere Maßnahmen auf dem Tisch. Die Kernelemente sind genannt: Verbot von Selbstdoping und die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit von Dopingsubstanzen.

Warum, bitte, sollte man Anabolika, Wachstumshormone und andere hochwirksame Medikamente oder Substanzen ohne jegliche medizinische Indikation zu Hause im Schrank liegen haben, wenn nicht zu Dopingzwecken?

Dieser Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Signal einer Null-Toleranz-Politik, die ihren Namen auch verdient. Und das Gesetz wird nach rechtsstaatlichen Prinzipien die unbestritten schnellere Sportgerichtsbarkeit flankieren und ergänzen

(Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Sehr richtig! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird ja noch nicht einmal nach rechtsstaatlichen Prinzipien beraten!)

und nicht – wie von interessierter Seite immer wieder betont wird – beeinträchtigen.

Manchmal ist es geradezu erschreckend – der Kollege Grindel hat es erwähnt –, wie wenig Sachkenntnis bei denjenigen vorhanden ist, die einen Konflikt zwischen Sportgerichtsbarkeit und staatlichen Gerichten herbeireden wollen,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen schon aushalten, was andere an Fragen stellen!)

die offensichtlich nicht einmal den juristisch bedeutsamen Unterschied zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz zu kennen scheinen

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erklären Sie ihn hier bitte einmal! Aber mit allen Stufen des Vorsatzes! Und keinen Fehler machen! Es gibt drei Stufen des Vorsatzes! Begeben Sie sich nicht aufs Glatteis!)

oder die ernsthaft behaupten, der Sport müsse künftig vor dem Verhängen von Sanktionen den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch mit Blick auf andere Länder ist ein klarer Kurs gegen diese Seuche des Sports ein ganz starkes Signal. Eines sollte man nämlich nicht unterschätzen – auch darauf ist hingewiesen worden –: Man schaut schon darauf, wie Gesetzgeber und Regierung in Deutschland in Sachen Dopingbekämpfung agieren. Wir haben die Nationale Anti Doping Agentur deshalb finanziell deutlich gestärkt. Auch sie kann ihrer Arbeit besser nachgehen als in der Vergangenheit.

Mit diesem Maßnahmenpaket im Rücken appelliere ich auch an alle, die auf internationaler Ebene Gespräche führen: Werben Sie dafür, dass dort ähnlich konsequent agiert wird, wie wir das jetzt in Deutschland tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit greifen wir im Übrigen eine völlig berechtigte Forderung von Athletinnen und Athleten auf, die natürlich manchmal geradezu daran verzweifeln, wenn sie sehen, wie lax in anderen Ländern auf dieser Welt mit diesem Problem umgegangen wird.

Wir sind also zuversichtlich – Herr Minister de Maizière hatte das auch angesprochen –, auch mit Blick auf unsere Olympiabewerbung, auf unsere Bewerbung um die Durchführung der Olympischen und der Paralympischen Sommerspiele in Deutschland, mit diesem Gesetz auf internationaler Ebene punkten zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Athleten sind selber dafür verantwortlich, ob sie zu Dopingsubstanzen greifen oder nicht. Heutzutage weiß jeder Spitzenathlet, jede Spitzenathletin, jeder Breitensportler durch unzählige Informations- und Präventionsmaßnahmen nicht nur, dass Doping Betrug ist, sondern auch, dass es zu schwersten gesundheitlichen Schäden führen kann. Auch in Deutschland hat Doping verheerende Spuren hinterlassen.

Ich denke, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, alles dafür zu tun, diesen Antidopingkampf zu einem Erfolg werden zu lassen. Deshalb sind wir entschlossen, nicht länger nur die Hintermänner, sondern auch den dopenden Sportler selber zur Rechenschaft zu ziehen. Denn wir reden hier nicht über Kavaliersdelikte. Wir reden über Betrug im sportlichen Wettbewerb, wo bislang mancher Athlet nach einer zweijährigen Sperre gut erholt und mindestens in alter sportlicher Stärke wieder ins Geschehen um Medaillen und Topplatzierungen eingegriffen hat – fast so, als sei nichts geschehen.

Wir haben aber auch im Blick, dass Eltern ihre Kinder mit gutem Gewissen zu einem leistungsorientierten Training schicken können wollen und dass die Vorbildwirkung erfolgreicher Sportler für junge Menschen mit dem klaren Bekenntnis zu einem sauberen Sport in unserem Land einhergeht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs. Im Sportausschuss wird es dazu in Kürze eine mehrstündige öffentliche Anhörung geben. Danach werden – auch das ist im parlamentarischen Verfahren üblich – die Fraktionen in den mitberatenden Ausschüssen und im federführenden Sportausschuss darüber beraten, ob es möglicherweise zu ergänzenden Änderungsanträgen kommt.

(Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Zum Beispiel Kronzeugenregelung!)

– Man kann über eine sportspezifische Kronzeugenregelung reden, Herr Kollege Schmidt; danke für die Anregung. Damit stoßen Sie bei mir auf offene Ohren, vielen Dank.

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde ich mich persönlich wirklich sehr freuen, wenn die Diskussion wenigstens in der restlichen Zeit in etwas weniger aufgeregten Bahnen verlaufen würde als in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren jetzt sehr aufgeregt! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren doch schön ruhig bei Ihnen! Was wollen Sie denn noch?)

– Wie schon gesagt, Frau Künast, ein bisschen mehr Sportsgeist. Das hilft immer.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Den haben wir gerade bewiesen!)

Vielen Dank, Dagmar Freitag. – Nächste Rednerin: Renate Künast für Bündnis 90/Die Grünen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So, jetzt ein bisschen mehr Sportsgeist! – Dr. Eva Högl [SPD]: Jetzt Sportsgeist!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5119807
Wahlperiode 18
Sitzung 107
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Doping im Sport
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