Dieter StierCDU/CSU - Bekämpfung von Doping im Sport
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport legen wir unsere Stoßrichtung zugunsten eines dopingfreien Sports deutlich fest.
Doping ist heutzutage keine bittere Pille mehr, sondern ein hochgradig präzisiertes und auf molekularbiologische Prozesse abgestimmtes System von körperlichen Leistungssteigerungen. Das Wettrennen um die Zeit hat zugenommen. Immer neue Dopingsubstanzen werden in Kellerlaboren schneller produziert und in Umlauf gebracht, als irgendeine Antidopingagentur sie auf Verbotslisten setzen kann.
Unumwunden ist zunächst festzustellen, dass der heute vorliegende und von uns in erster Lesung zu beratende Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes eines der wichtigsten sportpolitischen Vorhaben der Großen Koalition ist.
(Beifall bei der SPD – Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Das wichtigste!)
In Deutschland gibt es bislang kein eigenständiges Gesetz gegen Doping, stattdessen wurde eine Reihe von Antidopingnormen in verschiedenen Grenzen, die zum Teil Strafen und Ermittlungen durch Behörden vorsehen, für sehr sinnvoll und auch ergiebig erachtet. Das sehr engmaschige Dopingkontrollsystem mit Trainings- und Wettkampfkontrollen stellt bisher ein wirkungsvolles Instrument zur Bekämpfung von gezielter Leistungsmanipulation dar. 2007 wurde das Arzneimittelgesetz reformiert, welches das Doping und dessen Verbot in den staatlichen Rechtsbereich hineinbrachte. Das geschah auch deshalb, um den massiven Dopingvorfällen der letzten Jahre Einhalt zu gebieten.
Der NADA-Code, der WADA-Code und entsprechende Antidopingkonzepte und Präventionsprogramme kosten hinsichtlich eines Fair Plays in unserem Sport viel Schweiß und Geld. Deutschland beteiligt sich mit immensen jährlichen Summen – das ist Ihnen bekannt – auch finanziell an der Dopingbekämpfung. Intensive und systematische Bemühungen auf der einen Seite und in den Medien offensichtlich nicht einzudämmende Dopingskandale auf der anderen Seite kennzeichnen den Iststand.
Wie bereits viele Vorredner deutlich machten, sind es auch für mich weniger die generellen Vorbehalte als vielmehr die komplexen rechtlichen Detailfragen an den Scharnierstellen dieses Gesetzentwurfs, die mich umtreiben. Hier müssen wir Antworten finden. Dies muss sich natürlich auch auf die Zeit auswirken, die für ein gründliches parlamentarisches Verfahren notwendig ist.
Wir müssen das Gesetzesvorhaben an seinem Ziel bemessen, der Integrität des Sports zur Geltung zu verhelfen. Diesbezüglich möchten wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, deutlich machen, dass eine Integrität nicht dadurch hergestellt wird, dass jeder Sportler mit einem bloßen Strafmaß überzogen wird. Das zu schützende Rechtsgut muss klar definiert sein, die Rechtsfolgen müssen ableitbar sein und das Verfahren für einen funktionierenden Sport muss auch praxistauglich sein.
Wir kennen dabei die Herausforderungen. Es beginnt bei der Auswahl der Athleten und geht über die Art der Kontrolle, die Qualität der Durchführung, die Festlegung der Analysemethoden und das Ergebnismanagement bis hin zur Sanktionierung. Wir haben das Problem der eindeutigen Nachweisbarkeit von bestimmten Dopingsubstanzen. Die Tatfeststellung ist oft schwierig, und die Strafverfolgung ist nicht immer problemlos. Hinzu kommen auch internationale Vorbehalte, die, auch wenn sie unser Rechtsempfinden selbst sensibel berühren, in der Waagschale zu berücksichtigen sind. Warum sollte Deutschland gegenüber seinen Athleten mit Vollzugsstrenge vorgehen, während in anderen Ländern die gesteuerte Regulierung von Epo – ob durch Xenongas oder Blutdoping – Tagesgeschäft zu sein scheint?
Das Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln stellt fest, dass die Epo-Produktion durch gezielte Dopingmaßnahmen innerhalb von 24 Stunden um den Faktor 1,6 – auf 160 Prozent – gesteigert werden kann: mehr Blutkörperchen im Körper, mehr Sauerstoff auf der Laufbahn. In der medialen Berichterstattung zeigt man mit dem Finger auf jene Länder, die diesen Effekt offensichtlich kennen. Meine Damen und Herren, Sotschi hat uns gezeigt, was eine auf 160 Prozent gesteigerte Epo-Produktion für die Medaillentabelle bedeuten kann.
Viele Rechtsgutachten und Stellungnahmen haben den Entscheidungsprozess hin zum jetzigen Entwurf des Gesetzes begleitet. Es gibt Bedenken und skeptische Meinungen hinsichtlich der Durchschlagskraft eines solchen Gesetzes, aber auch seiner juristischen Haltbarkeit. Ich spreche mich deutlich dafür aus, einen sauberen Sport und ehrliche Leistung auch gesetzlich zu untermauern; aber es muss uns fernliegen, Ermittlungsverfahren gegen jedermann heraufzubeschwören. Wir dürfen das Augenmaß gegenüber den Athletinnen und Athleten – sie sind nun einmal die Adressaten dieses Gesetzes – nicht verlieren.
Ein abschließendes Ja zu diesem Gesetz begründet sich für mich vor allem in einem Punkt: Wir liefern mit dem Gesetz ein sportpolitisches Zeichen, damit bei uns, aber auch im Ausland unmissverständlich feststeht: Der Gegner im Kampf gegen Doping im Spitzensport hat starke Muskeln, aber wir kämpfen mit härteren Bandagen. Doping muss ein Ende haben.
Im jetzigen Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes haben wir uns, auch vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages, darauf geeinigt, zwei Dinge sinnlogisch miteinander zu verbinden: Auf der einen Seite soll Doping strafrechtlich stärker verfolgt werden, auf der anderen Seite gilt es, der Spielmanipulation entgegenzutreten. Beides wollen wir gemeinsam im Gesetzgebungsverfahren zu einem Ziel führen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein grundsätzliches Problem der Dopingverfolgung bleibt, dass über das, was verboten ist, nicht immer zeitgerecht Klarheit geschaffen werden kann. Darüber gilt es nachzudenken; da gilt es, abzuwägen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen wissen, dass ich selbst Erfahrungen im Pferdesport sammeln durfte, im Übrigen eine Sportart, die seit vielen Jahren in nicht unerheblichem Maße mit Höchstleistungen und einer nicht geringen Medaillenausbeute zum Ansehen unseres Landes beigetragen hat. Hier haben wir es zum Beispiel nicht nur mit einem Athleten, dem Reiter, dem Fahrer, dem Voltigierer, zu tun, sondern es zählt auch der vierbeinige Kamerad zum Team.
Nun stellen Sie sich einmal vor – ich greife mir einfach mal den Kollegen Mutlu von der Opposition heraus –,
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin gespannt!)
der Kollege Mutlu würde ähnlich erfolgreich reiten wie ich,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann reiten!)
aber würde mir den Sieg im Wettbewerb neiden und es dadurch kundtun, dass er nachts durch die Stallgasse mit den Pferden geht, meinem Pferd ein Mittel mit einer verbotenen Substanz in die Futterkrippe gibt
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So was tue ich nicht! Ich bin doch kein Schuft! – Gegenruf des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Der baut schon vor!)
oder es ihm auf anderem Wege hilfreich verabreicht. Im Falle einer beim kommenden Wettbewerb stattfindenden Medikationskontrolle würde natürlich ich und nicht der Kollege zur Verantwortung gezogen. – Ich habe mich aus der Sicht eines Pferdesportlers diesbezüglich gefragt, wie wir uns hier die gesetzliche Regelung genau vorstellen. Auch die Beweisführung wird hier nicht einfach sein; das gilt auch für die Feststellung der Täterkreise.
Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Die Deutsche Reiterliche Vereinigung sieht beispielsweise keine Begründung dafür, die Schiedsgerichtsbarkeit als fragwürdig anzusehen. Die Unterschrift unter der Athletenvereinbarung, verbunden mit der Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit, erfolgt hier weniger unter Druck als vielmehr in dem klaren Wissen, worauf man sich dabei einlässt. Mit anderen Worten: Es stehen zwei Dinge gegenüber, nämlich die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Schiedsgerichtsbarkeit auf der einen Seite und die bessere Praktikabilität der Schiedsgerichtsbarkeit auf der anderen Seite. Im Laufe der kommenden Beratungen wird sich also zeigen müssen, wie es uns hier gelingt, beides so miteinander zu verbinden, dass damit in keinem Falle eine Athletenkarriere durch einen fünf Jahre währenden Strafprozess auf zweifelhafte Weise zerstört wird. Wir dürfen nicht vergessen – so banal es auch klingen mag –: In der Vergangenheit wurden benutzte Substanzen in einem Müsliriegel und in Zahnpasta nachgewiesen.
Bitte nicht die Redezeit vergessen.
Ich komme zum Ende, liebe Frau Präsidentin. Gestatten Sie mir noch einen Satz. – Da wir Sportpolitiker ja gelegentlich als sehr feinsinnige Menschen gelten,
(Heiterkeit)
möchte ich abschließend den Bogen von diesem Gesetzentwurf zu Friedrich Schiller spannen
(Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Sehr gut! Aus meinem Wahlkreis!)
und einen Vergleich bemühen: Das Gießen eines Gesetzes gestaltet sich in der Tat wie das Gießen von Schillers Glocke. Wir wollen keine Missklänge, wir wollen nichts Halbherziges, wir wollen eine Gesamtform mit klarer Tonalität –
Und wir wollen zum Ende kommen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Präsidentin will zum Ende kommen!)
– als Ausdruck von Fairness und einer unteilbaren Integrität des Sportes.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen für die Zugabe.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ach ja, ich habe mich auch mal im Reitverein herumgetrieben.
Vielen Dank, Herr Kollege Stier. Aber eine Bemerkung muss ich doch zurückweisen: Natürlich würde Mutlu Ihren Pferdchen nie etwas antun. – Ich gehe davon aus, Herr Mutlu.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin, Sie haben absolut recht! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Der streift nachts durch Kreuzberg und nicht durch Pferdeställe!)
Nächste Rednerin in der Debatte: Michaela Engelmeier für die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5119887 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Doping im Sport |