Stephan MayerCDU/CSU - Verbesserung der Transparenz beim Scoring
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich bin zwar nicht der erste Redner hier im Bundestag, der folgendes Zitat erwähnt, aber es passt aus meiner Sicht sehr gut auf den Gesetzentwurf. Baron de Montesquieu sagte einmal:
Dieses Zitat passt deshalb sehr gut, weil dieser Gesetzentwurf, den die Grünen hier einbringen, überflüssig ist. Er ist aber nicht nur überflüssig, sondern er ist aus meiner Sicht auch kontraproduktiv. Sie verteufeln, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, das Scoring.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich will nicht das Scoring verbieten!)
Das klingt natürlich auch furchtbar abenteuerlich, furchtbar mysteriös. Um was geht es beim Scoring? Beim Scoring geht es darum, dass eine Wahrscheinlichkeit berechnet wird, mit der der Kunde, mit der der Kreditnehmer, mit der der Mobilfunkkunde die Rechnungen begleicht, die er zu bezahlen hat. Ich glaube, das ist doch das Normalste auf der Welt. Wenn Sie, Frau Kollegin Künast, mir 10 Euro leihen wollen
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich gebe Ihnen 50!)
oder wenn ich Sie frage, ob Sie mir 10 oder 50 Euro leihen, dann werden Sie sich im Vorfeld erkundigen: Hat der Kollege Mayer eine gute Bonität? Ist der säumig? Begleicht der seine Schulden?
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gebe ich Ihnen abhängig von Ihrer Wohnadresse!)
Es ist doch völlig logisch und natürlich, dass Unternehmen wissen wollen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Kunde das bezahlt, was er kauft, oder ob er die Mobilfunkrechnung monatlich begleicht bezüglich des Vertrages, den er eingegangen ist.
Scoring ist also kein Teufelswerk, sondern Scoring ist aus meiner Sicht unerlässlich und essenziell für das Funktionieren unseres Wirtschafts- und Handelslebens. So möchte ich einmal in Erinnerung rufen: Allein im Jahr 2013 wurden in Deutschland Waren im Wert von insgesamt 19 Milliarden Euro auf Rechnung gekauft.
Weil Sie, Frau Kollegin Künast, immer darauf hinweisen, die Leute würden diskriminiert, sie würden mit einem negativen Wert, einer negativen Bonität in Misskredit gebracht, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Nach Auskunft der Schufa haben über 97 Prozent aller Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland eine positive Bonität. Das ist eine gute Nachricht, eine schöne Nachricht. Der überwiegende Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher erfüllt seine Mobilfunkverträge und seine weiteren Dauerschuldverhältnisse, bezahlt aber auch die Waren, die er auf Rechnung kauft, vollkommen pünktlich und vollumfänglich. Es ist also beileibe nicht so, dass, wie Sie es hier darstellen, ein Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher unter Generalverdacht gestellt und diskriminiert wird. Das Gegenteil ist der Fall.
Dieses Scoring, diese Wahrscheinlichkeitsberechnung ist sogar im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wie müssten Unternehmen reagieren, wenn Auskunfteien diesen Score-Wert nicht an Handelsunternehmen weitergeben dürften? Sie müssten den Zahlungsausfall, der sich dann häufiger einstellen würde, auf die Preise und damit auf die zu über 97 Prozent redlichen Verbraucher umlegen. Dass es diese Möglichkeit des Scorings gibt, ist also im Sinne aller redlichen Verbraucher, die ihre Schulden begleichen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gibt seit dem 1. April 2010 ein sehr umfangreiches Informations- und Auskunftsrecht. Davon machen mehrere Zehntausende Bundesbürger Gebrauch, indem sie sich einmal im Jahr – kostenlos wohlgemerkt – von den Auskunfteien ihren persönlichen Score-Wert, ihre Bonität mitteilen lassen. Sie, Frau Kollegin Künast, fordern jetzt, dass es eine Bringschuld gebe. Sie wollen also, dass die Auskunfteien gesetzlich verpflichtet werden, einmal im Jahr alle Verbraucherinnen und Verbraucher, alle Erwachsenen in Deutschland und darüber hinaus über ihren Score-Wert zu informieren. Ich bin der festen Überzeugung: Den überwiegenden Teil der Bürger interessiert das gar nicht,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sage ich ja: Das kann man per Internet machen!)
weil sie überhaupt keine Probleme haben. Sie bekommen den Kredit, den sie wollen, dürfen die Ware, die sie kaufen wollen, auf Rechnung kaufen, erhalten den Mobilfunkvertrag, den sie wollen. Es haben nämlich, wie gesagt, über 97 Prozent eine positive Bonität.
(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es ja nicht! Es geht darum, dass die mit meinen Daten Geschäfte machen!)
Sie erwähnten einen weiteren Aspekt, nämlich dass die Löschungsfristen gesetzlich definiert werden müssten. Sie sprechen hier von sieben Jahren. Schon heute beträgt die Löschungsfrist bei einer Restschuldbefreiung lediglich drei Jahre. Also spätestens nach drei Jahren muss diese Information nach § 35 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Bundesdatenschutzgesetzes getilgt werden.
Herr Kollege, erlauben Sie – – Sie sind so groß. Ich muss regelrecht an Ihnen vorbeischauen.
So lang.
Ja, Entschuldigung. – Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung?
Selbstverständlich, sehr gerne.
Herr Kollege Mayer, vielen Dank, dass Sie meine Frage zulassen. – Sie haben gesagt, diese Löschfrist von drei Jahren sei ausreichend. Deshalb möchte ich Sie Folgendes fragen: Wie Sie wissen, bekommt man mit einer negativen Bonität zum Beispiel keinen Mobilfunkvertrag. Was war der längste Zeitraum, währenddessen Sie in den letzten Jahren ohne Ihr Handy ausgekommen sind?
Ich danke Ihnen sehr herzlich für die Frage. – Ich möchte erst einmal anmerken, dass es einen Unterschied zwischen Größe und Länge gibt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind groß, nicht nur lang! – Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])
– Nein, das ist schon wichtig.
Groß gewachsen.
Die Frage ist berechtigt. Natürlich ist der Großteil unserer erwachsenen Bundesbürger auf einen Mobilfunkvertrag angewiesen. Es gibt aber auch – das wissen Sie – andere Möglichkeiten, um sich ein Handy zu besorgen, als bloß über einen langfristigen Mobilfunkvertrag. Man kann sich Prepaidhandys zulegen. Wenn man eine Prepaidkarte kauft, wird keine Anfrage bei einer Auskunftei gestellt. Da kommt es nicht auf die Bonität an. Wenn Sie hier also insinuieren, allein durch die Möglichkeit der Abfrage der Bonität bei einer Auskunftei würde einem bestimmten Teil der Bevölkerung – wie gesagt, über 97 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher sind redlich und haben eine positive Bonität – die Möglichkeit genommen, einen Mobilfunkvertrag abzuschließen, muss ich dazu sagen: Das stimmt einfach nicht. Ich möchte sogar in Zweifel ziehen, dass es so ist, dass ein Mobilfunkunternehmen sich bei einem negativen Score- Wert, bei einer negativen Bonität automatisch weigert, einen Mobilfunkvertrag abzuschließen. Aber selbst wenn dem so wäre – hypothetisch –, bestünde immer noch die Möglichkeit, dass sich derjenige oder diejenige ein Prepaidhandy zulegt. Dieser Einwand geht also aus meiner Sicht völlig ins Leere.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ebenso ins Leere geht der Hinweis der Grünen im Gesetzentwurf, dass man doch endlich gesetzlich normieren müsse, dass Auskunfteien nicht auf Daten aus sozialen Netzwerken oder Internetforen zugreifen. Nennen Sie mir eine Auskunftei, die dies tut! Ich habe mich erkundigt: Es gibt keine einzige Auskunftei in Deutschland, die auf Daten aus sozialen Netzwerken oder Internetforen zugreift bzw. dies plant. Ihre Forderung ist also vollkommen überflüssig.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kauft die Bank halt die Daten einer Auskunftei im Ausland! Das müssen Sie regeln!)
Genauso überflüssig ist Ihre Forderung, gesetzlich zu verbieten, dass man Daten, die Staatsangehörigkeit, Geschlecht, Sexualleben oder eine mögliche Behinderung betreffen, verwendet. Auch dem ist nicht so. Keine Auskunftei in Deutschland nutzt solche Daten oder hat vor, solche Daten zu nutzen. Sie entfachen mit Ihrem Gesetzentwurf eine Scheindebatte, die jeglicher Grundlage entbehrt.
Der Gesetzentwurf ist aber nicht nur überflüssig, wie ich eben ausgeführt habe, sondern aus meiner Sicht auch kontraproduktiv, kontraproduktiv vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die Datenschutz- Grundverordnung. Das ist mir schon sehr wichtig; denn wir sind nun in der Endphase der Verhandlungen bezüglich eines sehr wichtigen Rechtsinstruments auf europäischer Ebene, nämlich der Vollharmonisierung des Datenschutzrechts in 28 Mitgliedsländern, in denen 500 Millionen Menschen leben.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist jetzt auch überflüssig, Herr Mayer, oder was?)
Den vorliegenden Gesetzentwurf jetzt zu verabschieden, wäre eben deshalb kontraproduktiv, weil er schon in wenigen Monaten obsolet wäre. Es ist geplant, während der Luxemburger Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres die Datenschutz-Grundverordnung endgültig unter Dach und Fach zu bringen. Spätestens dann wäre das Bundesdatenschutzgesetz erneut zu novellieren,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie ja sowieso!)
weil wir es der neuen Datenschutz-Grundverordnung anpassen müssten. Erlangte diese Verordnung sogar Allgemeingültigkeit, bedürfte es einer gesetzlichen Regelung in Deutschland gar nicht mehr; sie wäre nämlich überflüssig.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Ein weiterer Punkt, bei dem Sie absolut ins Leere schießen: Sie wollen, dass die Bundesregierung in einer Rechtsverordnung die näheren Anforderungen an das wissenschaftlich anerkannte mathematisch-statistische Verfahren der Auskunfteien festlegt. Da gehen Sie wirklich an die Kronjuwelen der Auskunfteien.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kronjuwelen sind die Daten über die Kunden!)
Dieses mathematisch-statistische Verfahren ist ein hoch schützenswertes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Auskunfteien. Ich halte es für vollkommen verfehlt, dass Sie nun so weit gehen und der Bundesregierung auferlegen wollen, Anforderungen an die Auskunfteien zu stellen, wie sie dieses Verfahren durchzuführen haben.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie legen sich da hin und spielen toter Mann! Es geht um die Daten der Kunden!)
Um es klar zu sagen: Wenn Ihr Gesetz in der vorliegenden Fassung in Kraft treten würde, dann wäre in Zukunft der Kauf auf Rechnung in Deutschland unmöglich; denn Sie beabsichtigen des Weiteren, dass jeder Bundesbürger vor der Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte über die vorgesehene Nutzung seiner Daten schriftlich unterrichtet wird. Sie müssten also bei jeder Neuberechnung des Score-Werts, wenn also neue Daten beispielsweise von einem Bankinstitut oder einer Versicherung eingehen, jeden Bundesbürger darüber informieren, dass sich nun sein Score-Wert bzw. seine Bonität möglicherweise ändert. Dies muss auch noch dokumentiert werden. Sie würden einen Bürokratie- und Dokumentationswust entfachen, der unvorstellbar wäre. Die Folge wäre: Es würde kein Handelsunternehmen in Deutschland mehr geben, das Waren auf Rechnung verkaufte. Entweder müsste man immer bar zahlen – das ist mit Sicherheit nicht im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher –, oder die Unternehmen müssten das Risiko eingehen, die Waren ohne Wahrscheinlichkeitsberechnung herauszugeben. Viele Unternehmen würden das aber insbesondere bei hochpreisigen Waren nicht machen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzentwurf ist wirklich überflüssig. Er ist aber, wie ich ausgeführt habe, nicht nur überflüssig, sondern auch kontraproduktiv. Allein dass jährlich Informationen an alle Bundesbürger gegeben werden müssten, führte bei der Schufa zu einem Kostenaufwand in Höhe von 40 Millionen Euro. Das ist meines Erachtens in jeder Hinsicht übermäßig. Deswegen kann ich Ihnen nur den wohlgemeinten Rat geben, den Gesetzentwurf in der Schublade verschwinden zu lassen. Er hat es aus meiner Sicht in keiner Weise verdient, weiter intensiv und ernsthaft debattiert zu werden.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD])
Vielen Dank, Stephan Mayer. – Nächster Redner in der Debatte: Harald Petzold für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5119971 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Verbesserung der Transparenz beim Scoring |