Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja immer schön, wenn wir über Dinge sprechen, bei denen wir eine Erfolgsgeschichte zu verzeichnen haben. Wir alle – egal welcher Fraktion wir angehören; alle hier vertretenen Parteien tragen in den Ländern Verantwortung; das Ganze ist ja ein gemeinsames Projekt von Bund und Ländern – können stolz darauf sein, dass wir solch immense Steigerungen im Bereich der Betreuungsplätze haben. Das kann man an dieser Stelle einmal sagen.
Das ist auch kein, sage ich mal, Dollpunkt in der Form, dass man jetzt sagt: Aber jetzt, wegen der Regierung, ist es eigentlich gar nicht gut. – Ich finde, das ist auch einen Dank wert, vor allen Dingen an die Kommunen vor Ort, die mit unseren Gesetzen umgehen müssen, einen Dank wert an diejenigen, die in den Kindertagesstätten arbeiten, und an die gesamten Träger, die in dem Bereich unterwegs sind, weil sie auf unsere Anforderungen eingehen und die Angebote machen, die wir politisch wollen. Diesen herzlichen Dank sollte, glaube ich, das ganze Haus hier aussprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
9,4 Milliarden Euro, 87 Prozent Zuwachs in diesen Bereichen, bei U 3 liegt die Quote bei 32,3 Prozent, wir haben über 74 Prozent mehr pädagogisches Personal: Das alles ist geschehen, seitdem die letzte Große Koalition diese Maßnahmen auf den Weg gebracht hat. Ich glaube, das sind Zahlen, die sich ganz eindeutig sehen lassen können.
Natürlich besagt der Bericht auch, dass wir noch Defizite haben, dass noch nicht alles erfüllt ist. Deshalb sind wir dabei, mit den doch manchmal bescheidenen Mitteln – wir als Fachpolitiker wünschen uns doch alle mehr Mittel für unsere Bereiche; aber wir haben als Große Koalition wieder zusätzliches Geld in die Hand nehmen können –, auf die Defizite, auf die der Bericht aufmerksam macht, einzugehen. Fast 1 Milliarde Euro mehr im System, ich glaube, auch das ist etwas, worauf wir stolz sein können.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Jetzt zu den Punkten, die wir hier gerade diskutiert haben. Ein Punkt ist die Forderung nach einem Qualitätsgesetz des Bundes. Das hört sich zunächst einmal gut an, weil „Qualität“ ein positiv behafteter Begriff ist. Wer will nicht mehr Qualität in Kindertagesstätten? Das ist ja keine Frage. Die Frage ist allerdings, ob es immer automatisch besser ist, wenn der Bund etwas allein macht. Eine Aufgabe wird nicht immer dann am besten wahrgenommen, wenn der Bund allein zuständig ist und die Werte und Normen festlegt; vielmehr birgt das auch eine Gefahr.
Insofern ist dieses Qualitätsgesetz umstritten, auch innerhalb der einzelnen Parteien und Fraktionen, ich glaube, auch zwischen Bund und Ländern – zu Recht – und auch in den Fachverbänden. Die Diakonie beispielsweise sieht so etwas sehr kritisch, während die AWO es begrüßt. Wir dürfen also nicht so tun, als ob dieses Gesetz jetzt etwas ist, was aus der Szene heraus ganz besonders gefordert wird und womit wir, nur weil wir auf der Bundesebene die Standards festlegen, automatisch bessere Standards haben.
Es gibt dabei nämlich eine Gefahr: Wir haben in Teilen – wir haben es gerade gehört: in Bremen – einen hohen Personalstandard, in anderen Bundesländern aber einen niedrigeren Personalstandard. Nun glauben wir doch nicht, dass, wenn wir uns mit den Ländern zusammensetzen, alle automatisch den Standard nach oben angleichen wollen. Die Linken und die Grünen sind doch mit verantwortlich in den Ländern. Es ist ja nicht so, dass dieses Gesetz automatisch nur am Bund scheitert, sondern es scheitert auch an der erforderlichen Zustimmung der Länder.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir sollten die Länder nicht aus der Verantwortung entlassen; denn hier liegt eine Aufgabe der Länder.
Umso richtiger – auch weil wir wissen, dass wir als Bund die Länder ruhig ab und zu das ein oder andere Mal schütteln sollten – ist die Initiative der Familienministerin, die gesagt hat: Setzen wir uns zusammen, und entwickeln wir gemeinsame Standards. – Das ist genau der richtige Weg: Bund und Länder gemeinsam und nicht einfach der Bund von oben verordnend.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Zweiter Bereich: Beitragsfreiheit. Ich möchte vor einer Sache warnen: davor, Beitragsfreiheit gegen Qualität zu stellen. Ich glaube, das sollten wir nicht tun. Nicht automatisch ist in den Bereichen, wo das richtige Ziel – die Beitragsfreiheit – verfolgt wird, die Qualität schlechter.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)
– Ich habe gar nicht gesagt, dass Sie das gesagt haben, Herr Kollege. Ich sage es nur allgemein. Ich glaube, dass wir nicht der Versuchung nachgeben sollten, zu sagen, dass all diejenigen, die Beitragsfreiheit als Ziel formulieren, deshalb für eine schlechtere Qualität wären und umgekehrt. Beides muss möglich sein.
Aber wir müssen uns ehrlich machen: Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Deshalb ist es richtig, dass wir Dinge auch schrittweise angehen und nicht alles auf einmal fordern. Aber das ist vielleicht manchmal die Aufgabe der Opposition: alles auf einmal zu fordern.
Der dritte Bereich, der uns im Moment sehr stark beschäftigt, ist die Aufwertung von Erziehungs- und Sozialberufen. Wir erleben aktuell einen Tarifkonflikt. Da macht es sich nicht besonders gut, wenn Bundestagsabgeordnete, Bundesminister oder Bundespolitiker sich ganz konkret in diese Auseinandersetzung einmischen.
Aber wir können auch nicht so tun, als ob der Streik, der da gerade stattfindet, die Tarifauseinandersetzung, die da gerade stattfindet, nicht auch etwas mit dem zu tun hat, was wir sonst in anderen Reden alle gemeinsam immer fordern: Wir fordern doch immer die Aufwertung von Erziehungs- und Sozialberufen, wir fordern höhere Löhne in Sozial- und Erziehungsberufen. Von daher kann der Streik, kann diese Auseinandersetzung auch nicht vollkommen an uns vorbeigehen. Deshalb finde ich es nur richtig, wenn man an der ein oder anderen Stelle auch Solidarität, wenn auch nicht unbedingt mit den konkreten Forderungen, und auch Gesprächsbereitschaft zeigt und sagt: Ja, eure Ziele sind auch unsere Ziele. – Der Erziehungs- und Sozialdienst muss aufgewertet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])
Bei dem Streik geht es ja nicht nur um eine höhere Eingruppierung – darüber wird in den Tarifverhandlungen konkret gesprochen –; vielmehr zeigt die Debatte auch, dass andere Themen besprochen werden, um die es bei uns in Zukunft gehen wird.
Ich denke zum Beispiel an die Frage, warum Frauen immer noch über 20 Prozent weniger verdienen als Männer. Wir alle wissen, welche Gründe das hat. Ein konkreter Grund ist die Lohndiskriminierung. Ein anderer Grund ist, dass viele Frauen in Teilzeit arbeiten. Sie wollen zwar lieber in Vollzeit arbeiten, haben aber noch kein Rückkehrrecht. Deshalb werden wir in Angriff nehmen, dass es ein Recht zur Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit gibt. Das wird übrigens ganz besonders auch den Erzieherinnen und Erziehern helfen, weil bei ihnen Teilzeitarbeit sehr ausgeprägt ist. Eine weitere Begründung für den Lohnunterschied ist, dass viele Frauen eher im Bereich der Sozial-, Gesundheits- und Erziehungsdienste tätig sind. Deshalb gehört den Erzieherinnern und Erziehern unsere Solidarität für die grundsätzlichen Forderungen, die sie aufstellen.
Wir hoffen, dass sich die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gemeinsam an einen Tisch setzen und zu einer vernünftigen Lösung kommen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Bettina Hornhues für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Bericht über den Ausbau der Kindertagesbetreuung |