Brigitte PothmerDIE GRÜNEN - Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bartke, angesichts der Zusammenfassung der Anhörung, die Sie hier vorgetragen haben, habe ich wirklich den Eindruck, dass Sie das Prinzip der selektiven Wahrnehmung zur Perfektion getrieben haben. Meine Zusammenfassung sähe jedenfalls ganz anders aus. Wenn ich nicht gleich von Verriss rede, dann ist das eigentlich auch nur der pfingstlichen Vorfreude geschuldet. Aber mindestens schwere Enttäuschung war da schon zu spüren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, Sie wissen doch alle, dass wir in der Politik für Langzeitarbeitslose einen richtigen Paradigmenwechsel bräuchten. Die Strategie der schnellen Vermittlung ist gescheitert. Wir haben eine Integrationsquote von 13 Prozent. Davon werden allein 30 Prozent in Leiharbeit vermittelt. Die wenigen, die vermittelt werden, stehen innerhalb kürzester Zeit wieder vor der Tür. Vor diesem Hintergrund brauchen wir jetzt wirklich eine völlig andere Politik für Langzeitarbeitslose.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wissen Sie, Herr Bartke, worin die Enttäuschung besteht? Die Enttäuschung besteht darin, dass Frau Nahles trotz dieser Erkenntnisse etwas vorschlägt, was schon in der Vergangenheit nicht funktioniert hat. Sie schafft Sonderprogramme für wenige, für 43 000 Langzeitarbeitslose. Ich erinnere daran, dass auch Frau von der Leyen ein Sonderprogramm aufgelegt hatte: das Programm „Bürgerarbeit“ für 33 000 Langzeitarbeitslose. Jetzt wird ein anderes Programm aufgelegt. Aber das ändert nichts an den Bedingungen, unter denen die Jobcenter für die Masse arbeiten. Im Gegenteil: Das führt sogar dazu, dass sich die Bewegungsspielräume der Jobcenter weiter reduzieren. Und das sage nicht nur ich. Herr Bartke und Herr Zimmer, Ihre eigenen Leute gehen doch inzwischen auf die Barrikaden und fordern Sie auf, dieses Programmhopping endlich zu lassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nehmen wir einmal das Beispiel ESF-Programm. Das Programm ist mit einem so hohen Aufwand und mit einer Extrastruktur verbunden, dass die Jobcenter noch nicht einmal die Plätze in Anspruch genommen haben, die Sie ihnen angeboten haben. Angesichts dessen können Sie doch nicht von einem Erfolg reden. 33 000 Plätze standen zur Verfügung. 24 000 sind nur beantragt worden. Herr Bartke, Sie haben kein Wort dazu gesagt.
Nehmen wir als Beispiel das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Dieses Programm ist in der Anhörung regelrecht verrissen worden: Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität, öffentliches Interesse – alle Experten wissen, dass das zu Arbeitsplätzen führt, die sehr weit weg sind vom ersten Arbeitsmarkt. Dabei geht es doch nicht um sinnstiftende Beschäftigung, sondern maximal um Beschäftigungstherapie.
Sie bieten Arbeitsplätze an, die mit der Arbeitsmarktwirklichkeit nichts zu tun haben und wundern sich am Ende, dass diese Plätze nicht zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt führen. Mit beiden Programmen wurde nichts Neues gewagt. Sie binden erhebliche Mittel und verringern die Bewegungsspielräume der Jobcenter. – Sie schütteln den Kopf. Wenn Sie mir nicht glauben, dann hören Sie doch wenigstens, was Senator Günthner aus Bremen dazu sagt. Er bezeichnet das, was Ihre Ministerin da macht, als grotesk, Herr Bartke.
Vielleicht schauen Sie sich auch einmal den Antrag aus NRW an, der demnächst in den Bundesrat eingebracht werden soll. Ich zitiere einfach einmal aus dem Antrag: Die zwei Programme „reichen … bei Weitem nicht aus“. Ich zitiere weiter: „Die zur Verfügung stehenden Mittel sind“ weniger als „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Ich zitiere weiter: „Sehr viele Langzeitarbeitslose werden … keine, oder nur eine unzureichende Förderung erhalten“. Deswegen fordern NRW und die anderen Länder einen sozialen Arbeitsmarkt mit einem Passiv- Aktiv-Transfer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE])
Sie fordern mehr Mittel für diesen unterfinanzierten Bereich, Planungssicherheit und mehr Weiterbildung. Nichts davon ist in Ihrem Programm enthalten. Ich sage es noch einmal: Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens Ihren eigenen Leuten. Hören Sie endlich auf mit diesem Programmhopping.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich will jetzt doch noch ein paar Worte zu dem Antrag der Linken sagen – Frau Zimmermann, ich habe es schon im Ausschuss gesagt –: Ihr Antrag enthält etliche Punkte, die wir für richtig halten. Das wissen Sie; ich will das nicht wiederholen, aber doch sagen: Ich bin, was Ihre Vorschläge zur Ausgestaltung des sozialen Arbeitsmarktes angeht, enttäuscht. Damit sind Sie auch aus meiner Sicht wirklich auf dem Holzweg – also, nicht, was den PAT angeht, aber Sie sprechen von Zusätzlichkeit. Wir wissen doch, dass das alles Quatsch mit Soße ist.
Frau Kollegin.
Ich komme sofort zum Schluss. – 10 Euro pro Stunde sind nun wirklich nicht angemessen. Ich bitte Sie: Korrigieren Sie Ihren Antrag.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist zu spät!)
So, wie er jetzt vorliegt, können wir ihm nicht zustimmen, sondern müssen ihn ablehnen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Jutta Eckenbach von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Daniela Kolbe [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit |