Michael GerdesSPD - Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit
Frau Präsidentin! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Langzeitarbeitslosigkeit ist ohne Frage die größte Herausforderung in der Arbeitsmarktpolitik. Ich will von vornherein sagen: Die wenigsten Langzeitarbeitslosen – das hört man ja auch hier wieder heraus – sind selber schuld, dass sie arbeitslos sind. Sie haben zwar oft Schuldgefühle, aber sie haben sich das nicht selbst zuzuschreiben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wir dürfen diese Aufgabe nicht vernachlässigen, und Ministerin Nahles und ihr Haus gehen mutig voran. Das vorliegende Konzept enthält viele gute Schritte, um die Unterstützung für langzeitarbeitslose Menschen effektiver und nachhaltiger zu machen. In der Anhörung – heute schon viel zitiert – am vergangenen Montag gab es von den geladenen Experten viel Zustimmung zu unseren Maßnahmen aus dem BMAS.
Positiv hervorheben möchte ich, dass einzelne Programmteile bereits in der Umsetzung sind. Auch das ESF-Programm wurde durchaus positiv gesehen. Es bewegt sich was.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Von manchen Sachverständigen wurde allerdings das zur Verfügung stehende Finanzvolumen für Eingliederungsmaßnahmen bemängelt. Dieser Kritik müssen wir uns durchaus stellen.
Ich möchte jedoch dagegenhalten: Der Anfang ist gemacht. Die Betroffenen werden sich jedenfalls freuen, auch wenn Mitglieder des Hauses gerade gesagt haben, dass es sich dabei zum Teil um Beschäftigungstherapie handelt. Losgelöst von einzelnen Maßnahmen finde ich es besonders wichtig, dass Langzeitarbeitslosigkeit wieder ehrlich debattiert wird und auf unserer Agenda eine zentrale Rolle einnimmt.
Wir können nicht hinnehmen, dass sich Arbeitslosigkeit verfestigt. Unsere Gesellschaft definiert sich über Erwerbsarbeit. Wer ohne Job ist, hat nicht nur wenig Geld zum Leben, es fehlt auch je nach Dauer der Arbeitslosigkeit an Anerkennung, Sinnstiftung und Gesundheit. Arbeitslosigkeit stigmatisiert, grenzt aus. Das müssen wir als Gesellschaft ernst nehmen und verhindern. Dazu müssen wir an einem Strang ziehen.
Es kommt nicht nur auf Maßnahmen der öffentlichen Hand an. Auch die Wirtschaft ist gefragt. In diesem Punkt begrüße ich besonders die Stellungnahme der BDA, wonach Arbeitgeber ihre Personalpolitik stärker auf Langzeitarbeitslose ausrichten sollen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Als Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet kenne ich die Ausmaße und Folgen langer Arbeitslosigkeit durchaus. Mehr als 300 000 Menschen in Nordrhein-Westfalen gelten als langzeitarbeitslos. Fast zwei Drittel von ihnen sind länger als zwei Jahre ohne Arbeit. Nach wie vor kämpfen wir mit dem Strukturwandel und mit der Arbeitsmarktdynamik. Gerade in den letzten zehn Tagen haben gleich zwei Unternehmen in meinem Wahlkreis strukturelle Veränderungen bzw. Standortschließungen angekündigt. Jeder wegfallende Arbeitsplatz tut weh, und selbstverständlich hoffe ich, dass die betroffenen Arbeitnehmer neue Jobs finden werden. Der Ruf aus NRW nach mehr öffentlich geförderter Beschäftigung ist vor diesem Hintergrund zumindest nachvollziehbar. Gleichzeitig müssen aber reguläre Jobs das oberste Ziel bleiben.
Wir wissen alle: Langzeitarbeitslosigkeit ist komplex. Sie hat viele Gesichter. Die Gruppe derer, die ohne Arbeit sind, ist äußerst heterogen. Besonders schwierig ist die Situation für Geringqualifizierte, Ältere und Frauen mit Kindern unter drei Jahren. Somit müssen auch die Hilfen vielfältig und flexibel sein. Was für eine Alleinerziehende mit Kleinkind richtig ist, kann für einen Arbeitsuchenden über 50 das völlig falsche Angebot sein. Hier muss passgenau unterstützt werden.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann macht doch mal! Ihr seid doch in der Regierung!)
– Ja, wir sind dabei. – Dazu braucht es Zeit und Nachdruck. Die Verbesserung der Betreuungsrelation in den Jobcentern ist ein erster Schritt, der absolut begrüßenswert ist.
(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der LINKEN)
Ohnehin ist der Vermittlungsprozess für Fallmanager und Betroffene ein Weg, auf dem viele Hürden genommen werden müssen. Wer seine Situation nicht alleine verbessern kann, braucht materielle Förderung sowie intensive soziale Betreuung und Begleitung. Je nach Fall – auch das haben wir schon gehört – müssen die Fachkräfte vor Ort auch Aktivitäten einfordern dürfen, etwa wenn es um die Stärkung der eigenen Verantwortung und die Ausweitung von Fähigkeiten geht, um eben die persönlichen Chancen zu verbessern.
Das Ziel unserer Politik ist klar definiert: Wir wollen einerseits Langzeitarbeitslosigkeit abbauen, andererseits wollen wir sie verhindern. Letzteres geht nur mit Prävention. Wir setzen auf Bildung und Qualifizierung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Dazu braucht man Geld!)
Gerade in Zeiten von Industrie 4.0 und Arbeiten 4.0 gibt es immer weniger Jobs für Ungelernte. Wir müssen es schaffen, dass niemand ohne Berufsausbildung, geschweige denn ohne Schulabschluss bleibt. Es gilt, Menschen beschäftigungsfähig zu machen. Wir müssen Potenziale wecken, insbesondere bei Geringqualifizierten, Frauen, Älteren und Migranten.
Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am künftigen Arbeitsleben.
(Beifall der Abg. Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD])
Sie dürfen bei diesem Prozess nicht die Verlierer werden.
Weiterbildung darf im Übrigen keine Frage des Geldes sein. Man muss sie sich leisten können.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Und das dann tun und nicht nur reden!)
Als Vertreter der SPD befürworte ich das Modell der Arbeitsversicherung, über die Beschäftigte zukünftig einen Rechtsanspruch auf geförderte Weiterbildung erhalten könnten. Unser Konzept ist schlüssig, das der Linken ideologisch.
Herzlichen Dank und Glück auf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Matthäus Strebl von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5120620 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit |