Gabriela HeinrichSPD - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! 200 000 Menschen waren bis Ende 2014 aus Eritrea in die Nachbarländer Sudan und Äthiopien geflüchtet. In Europa beantragten im letzten Jahr 37 000 Eritreerinnen und Eritreer Asyl, in Deutschland waren es über 13 000. Damit stand das ostafrikanische Land letztes Jahr an dritter Stelle der Herkunftsländer.
Jetzt hat der Bericht der Vereinten Nationen eine vergessene Krise ans Tageslicht und in das öffentliche Bewusstsein gezerrt. Eritrea ist ein totalitär regierter Staat. Eritrea belegt den letzten Platz der Pressefreiheitliste von Reporter ohne Grenzen. Verschwindenlassen, Willkür, Folter, jahrelange Zwangsarbeit, die als Sklaverei bezeichnet werden muss, gehören zur permanenten Realität der Menschen. Hinrichtungen und unsägliche Haftbedingungen in unterirdischen Verliesen kommen hinzu. Die Täter gehören oft staatlichen Stellen an: der Polizei, den Geheimdiensten, sonstigen Behörden bis hin zu den höchsten Kreisen der Politik. Der Bericht spricht davon, dass Folter nicht etwa vereinzelt oder durch besondere Gruppen verübt wird, nein, es handele sich vielmehr um systematische Folterpolitik der Regierung.
Die Menschen, die versuchen, diesem Elend zu entfliehen, nehmen ungeheure Risiken auf sich. Sie müssen sich Schleppern anvertrauen, und auf dem Weg lauern Gewalt, Ausbeutung, Vergewaltigung, Folter, um Geld zu erpressen, und im schlimmsten Fall der Tod. Niemand von uns kann sich vorstellen, wie furchtbar ein Leben sein muss, damit jemand diesen Weg geht. Die Unterdrückung hat einen langen Arm. Denn selbst diejenigen, denen die Flucht gelungen ist, werden gezwungen, viel Geld aus dem Ausland zu überweisen. Tun sie das nicht, müssen ihre Angehörigen büßen, die in Eritrea geblieben sind.
Die Kommission hat eine lange Liste von Forderungen erstellt, um die Menschenrechtslage in Eritrea zu verbessern. Es fehlt an allen Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Ich habe keine Ahnung, ob sich Politik, Behörden und Armee dort darum scheren, was sich aus Sicht der Vereinten Nationen ändern muss. Fakt ist: 3 000 bis 5 000 Menschen verlassen das Land – pro Monat! –, und das trotz der Gefahr; denn auf Menschen, die aus dem Land fliehen, wird scharf geschossen.
Ich muss sagen: Ich fühle mich sehr hilflos in Bezug darauf, was wir ändern können. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Eritrea musste 2008 beendet werden. Deutsche Nichtregierungsorganisationen sind nur noch punktuell im Land tätig. Von außen ist es schier unmöglich, die Menschen in Eritrea vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Wir können den Staat Eritrea, so wie ihn der UN-Bericht beschreibt, mit keinem Euro unterstützen, ohne dass das Geld in falsche Hände gerät. Aber wir müssen es dann auf einem indirekten Weg versuchen.
Zunächst müssen wir in dieser Region Ostafrikas alles daransetzen, die schlimmste Not zu lindern. Wenn 200 000 Menschen in ja ebenfalls instabile Länder fliehen, können sie vielleicht der persönlichen Verfolgung und dem Terror entgehen, nicht aber dem Hunger und den fast notwendig neu entstehenden Konflikten in den Aufnahmeländern. Wir müssen noch stärker den Sudan und Äthiopien dabei unterstützen, die Flüchtlinge aus Eritrea zu versorgen und menschlich mit ihnen umzugehen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Bericht der Vereinten Nationen nennt in zehn Punkten Forderungen an die internationale Gemeinschaft, die dringend umgesetzt werden müssen. Ich möchte drei Aspekte herausgreifen, die mir für die deutsche Politik besonders wichtig und gleichzeitig praktikabel erscheinen:
Erstens. Wir dürfen Eritreerinnen und Eritreer, die als Flüchtlinge zu uns kommen, nicht zurückweisen.
Zweitens. Wir müssen legale Migrationswege ermöglichen, damit sich die Menschen nicht Schlepperbanden anvertrauen und den Gefahren im Mittelmeer aussetzen müssen.
Und drittens. Wir müssen Menschenhändler, Menschenschmuggler und Schlepper bekämpfen und auch die Erpresser in Deutschland ins Visier nehmen, die die Flüchtlinge unter Druck setzen.
Die beiden letzten Forderungen gelten natürlich nicht nur für Flüchtlinge aus Eritrea.
In Europa ist zumindest einiges in Bewegung gekommen. Wir müssen eine gemeinsame Flüchtlingspolitik schaffen, die sich an der Würde der Menschen und auch an den Realitäten orientiert. Hier sind wir vor allem gefordert – nicht nur für die Menschen, die aus Eritrea fliehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Annette Groth für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5223037 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea |