Frank HeinrichCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte, die ausgelöst wurde durch den Bericht von Montag, wollen wir heute führen, um klarzumachen, was in Eritrea tatsächlich passiert. Meine beiden Vorrednerinnen haben vieles schon vor Augen geführt.
Vor eineinhalb Jahren saß eine Dame von der Organisation „Human Rights Concern – Eritrea“ in meinem Büro und hat mich gebeten, ihren Namen nicht zu nennen, weil sie sonst selber gefährdet wäre. Daraufhin habe ich mit der Sonderberichterstatterin, Sheila Keetharuth, telefoniert. Mir wurde vor Augen geführt, wie brutal die Verhältnisse dort sind, und ich wünsche mir, dass dies durch diese Debatte für alle klar und deutlich wird.
Der Bericht, der seit Montag vorliegt, bestätigt genau das, was Frau Keetharuth damals, vor etwa zwei Jahren, schon geahnt hat. Ich zitiere die Experten: „In Eritrea herrscht nicht das Recht, sondern die Angst.“ In ihrem Bericht weisen die drei Ermittler auf massive Verletzungen der Menschenrechte durch den Staat hin, die den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen.
Ist das Diktatur? Darüber streitet man sich. Ich würde das Fragezeichen weglassen. In der Liste der Menschenrechtsverbrechen – teilweise sind sie schon aufgeführt worden –, die aufgrund von über 550 Interviews erstellt wurde – alle Interviewten wollten anonym bleiben, weil sie sonst gefährdet wären –, stehen: willkürliche Festnahmen, Inhaftierung, Folter, Verschwindenlassen, grausamste Haftbedingungen, Zwangsarbeit, systematisches Verbrechen des Staates gegen das Privatleben, schwerwiegende Einschränkungen – es gibt eine Klassifizierung – der Bewegungsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Glaubensfreiheit und der Versammlungsfreiheit, keine Pressefreiheit, keine Rechtsstaatlichkeit, „shoot-to-kill policy“, willkürliche Tötungen, Isolationshaft für Kinder, Vergewaltigung durch staatliche Behörden. Meine Liste hat noch einige Punkte mehr.
Reporter ohne Grenzen beschreibt den Staatspräsidenten Isayas Afewerki als einen „mitleidlosen Diktator“. Human Rights Watch spricht von einer „totalitären Kontrolle“ durch das Regime. Alle Ingredienzien einer Diktatur sind vorhanden. Viele auch meiner Kollegen reden vom „Nordkorea Afrikas“. Georgette Gagnon, die Direktorin der Afrika-Abteilung von Human Rights Watch, sagt: „Eritreas Regierung verwandelt das Land in ein riesiges Gefängnis.“
Der Schwerpunkt dabei liegt – das ist auch schon genannt worden – auf Sklaverei und Zwangsarbeit, unter anderem im unbefristeten militärischen Zwangsdienst. Manche Menschen haben sich nach 17 Jahren Militärdienst endlich entschieden, zu fliehen, und können nun Aussagen darüber machen. Kinder werden zum Wehrdienst gezwungen. Folter und eine grausame und unmenschliche Behandlung sind beim Militärdienst an der Tagesordnung. Frauen und Mädchen werden innerhalb dieses Dienstes als Sexsklaven gehalten. Sogar Behinderte werden zum Wehrdienst gezwungen.
Die Konsequenz davon ist Menschenhandel. Von den Folgen haben wir gerade gehört; denken Sie an die Menschen im Sinai. Die Flüchtlinge sind hilflos und sind den Menschenhändlern und Schmugglern durch ihre Schwäche ausgeliefert. Ich zitiere noch einmal aus dem UN-Bericht:
UNHCR schätzt – wir haben die Zahlen gerade gehört –, dass 5 Prozent der Bevölkerung geflohen sind, jeden Monat sind es mehrere Tausend Menschen. Allein im Juli letzten Jahres waren 357 406 Menschen auf der Flucht. Auf dieser Flucht erleben die Menschen Menschenhandel und Menschenschmuggel, Organentnahme, Bedrohung mit einer Organentnahme und Totschlag.
Noch ein Zitat aus dem Bericht von Human Rights Watch, den wir wenige Wochen vorher bekommen haben:
Was kann man tun? Ja, Aufsehen erregen, es deutlich machen, schockieren, weil die Sache selber schockierend ist. Das bisherige Engagement der Bundesregierung ist zu begrüßen. Ich nenne nur die Schaffung des Mandats der Sonderberichterstatterin wie auch die Verlängerung dieses Mandats im letzten Jahr. Im UPR-Prozess haben wir deutliche Worte gegen dieses Regime gefunden und die Einrichtung einer Untersuchungskommission unterstützt. Und: Ja, der Minister wird dorthin fahren. Wir werden ihn ermutigen, dort genauso wenig zu schweigen, wie er es hier auf dem Kirchentag getan hat.
Das Auswärtige Amt hat die eritreische Aufbausteuer von 2 Prozent, die im Ausland lebende Bürger Eritreas an ihren Staat abführen sollen, immer wieder verurteilt und deutlich gemacht: So etwas darf es nicht geben. – Mein Appell an unsere Regierung ist, beim Vorgehen gegen Eritrea gerne noch einen Gang höher zu schalten. Ich bin dankbar, dass unser Minister dort hinfährt.
Ich nenne in diesem Zusammenhang auch Empfehlungen an die internationale Gemeinschaft, nämlich den Grundsatz der Nichtzurückweisung mit Blick auf Flüchtlinge aus Eritrea zu beachten. Die Menschenrechte sollten bei jedwedem Engagement mit Eritrea im Vordergrund stehen. Ich vermute, dass dies auch beim Ministerbesuch der Fall sein wird.
Als letzten Punkt richte ich natürlich auch einen Appell an Eritrea, die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen nicht nur wiederaufzunehmen, sondern eigentlich erst richtig zu beginnen. Die Mitglieder der Untersuchungskommission haben ihre Erkenntnisse aufgrund von Interviews, vertraulichen Gesprächen gewonnen; sie selbst durften nicht in das Land. Wenn also von Eritrea behauptet wird, diese Berichte seien alle nicht wahr, dann soll es bitte die Experten in ihr Land kommen und die Vorfälle untersuchen lassen.
Eine weitere Forderung ist die Anerkennung von Menschenrechtsverletzungen in Eritrea und die Umsetzung der Verfassung von 1997. Das Regime in Eritrea soll endlich das selbst gegebene Wort halten. Eine letzte Forderung ist die Achtung der Verpflichtungen gemäß den internationalen Menschenrechtsübereinkommen, die Eritrea selbst unterschrieben hat. Wir bitten das Regime, an dieser Stelle endlich Wort zu halten.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Omid Nouripour das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5223100 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea |