10.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 108 / Zusatzpunkt 1

Niema MovassatDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschenrechtssituation in Eritrea ist katastrophal. Der Bericht der UN-Untersuchungskommission liest sich wie ein Horrorbuch, nur dass alles, was dort steht, bittere Realität ist. Zwangsarbeit, ungesetzliche Inhaftierungen, willkürliche Hinrichtungen und Folter sind an der Tagesordnung. Ein mächtiger Sicherheitsapparat unterdrückt die Bevölkerung und hält sie „in ständiger Angst“, wie es im UN-Bericht steht. Human Rights Watch nennt Eritrea ein einziges „gigantisches Gefängnis“. Leider wahr und beschämend!

Viele junge Eritreer flüchten wegen des Militärdienstes aus ihrer Heimat; denn direkt nach dem Schulabschluss muss jeder Jugendliche einen unbefristeten Wehrdienst unter erbärmlichsten Bedingungen antreten. Wer sich weigert, dem drohen Folter und Gefängnis. In Eritrea selbst kann niemand über die grausamen Zustände berichten. Reporter ohne Grenzen listet das Land auf dem letzten Platz des weltweiten Pressefreiheitsindex. Präsident Afewerki und seine Lakaien setzen ihre Macht mit allen Mitteln durch. Außer der Regierungspartei gibt es keine zugelassenen Parteien. Jede Opposition wird im Keim erstickt. Man kann den Eritreern nur wünschen, dass sie sich möglichst bald dieses Regimes entledigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch in sozialer Hinsicht ist eine andere Regierung bitter nötig; denn Eritrea ist nicht nur eines der unfreiesten Länder, sondern auch eines der ärmsten Länder der Welt. Es belegt beim HDI über den Entwicklungsstand Platz 182 von 187 Ländern. Menschen hungern. Viele Kinder können keine Schule besuchen. Für die Bauern reicht das Angebaute kaum zum Überleben. In Eritrea ereignet sich eine humanitäre Dauerkatastrophe. Wir müssen dringend Wege finden, den Menschen vor Ort zu helfen, ohne dabei das Regime zu stützen. Hilfe an der Basis, konkret für die Menschen vor Ort, muss – soweit möglich – geleistet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Angesichts der schrecklichen Situation im Land ist es sehr verständlich, dass in Europa heute 360 000 Eritreer als Flüchtlinge leben. Weltweit sind es 1 Million Geflüchtete. Ein Sechstel aller Eritreer lebt mittlerweile im Ausland. Das ist trauriger Weltrekord. Viele müssen lebensgefährliche Wege auf sich nehmen, um hier zu uns nach Europa zu kommen und so Unterdrückung und Verfolgung zu entfliehen. Viele sterben in der Wüste. Nicht wenige ertrinken im Friedhof Mittelmeer. Das ist auch eine europäische Schande. Wir müssen endlich die Festung Europa überwinden und legale Zugangswege schaffen, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])

Die Eritreer, die bei uns leben, müssen wir vor den Fängen des Regimes schützen. Es gibt Berichte, dass Eritreer, die im Ausland leben, selbst die, die mittlerweile eine andere Staatsangehörigkeit haben, von den eritreischen Botschaften erpresst werden, eine Exilsteuer zu zahlen. Sonst erhalten sie keine Papiere, oder ihre Angehörigen vor Ort werden bedroht. Ich bin fassungslos, dass im Raum steht, dass eine ausländische Botschaft in Deutschland so agieren kann. Das muss durch die Bundesregierung aufgeklärt und scharf verurteilt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD])

Eritrea ist eine der schlimmsten Diktaturen der Welt. Es ist gut, dass die Bundesregierung das ähnlich sieht. Ich wünschte mir aber, dass wir die gleichen Standards, die wir an Eritrea anlegen, auch an einige Partnerländer Deutschlands anlegten.

Vor wenigen Tagen war Ägyptens Putschpräsident el-Sisi in Deutschland. Die Bundeskanzlerin hat ihn offiziell empfangen. Unter ihm gibt es 1 500 Todesurteile, 40 000 politische Gegner sitzen in Gefängnissen, Oppositionsgruppen sind verboten, ein Parlament gibt es nicht. Trotz alledem wertet die Bundesregierung dieses Verbrecherregime auf und bietet ihm eine internationale Bühne. Erst Jahrzehnte mit Mubarak zusammenarbeiten, jetzt el-Sisi empfangen – Geschäfte haben offensichtlich für die Bundesregierung Vorrang vor Menschenrechten. Das ist beschämend.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso läuft es mit Saudi-Arabien, einer Diktatur, die foltert und öffentlich köpfen lässt. Das Strafsystem ist dem der Terrororganisation „Islamischer Staat“ ähnlich: Steinigungen von Frauen, Amputationen von Armen und Füßen. Auf den Abfall vom Glauben und auf Homosexualität steht die Todesstrafe. – Dennoch war Wirtschaftsminister Gabriel vor kurzem da. Deutschland liefert modernste Waffen. Das ist an Verlogenheit nicht zu übertreffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Solche Doppelstandards entwerten berechtigte Kritik an Diktaturen. Solange Sie von der Bundesregierung mit der einen Diktatur aus geostrategischen Überlegungen Geschäfte machen, während Sie strategisch unwichtige Diktaturen verurteilen, so lange ist Ihr Hochhalten von Menschenrechten unglaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Stellen wir uns einmal vor, Eritrea hätte viel Öl und würde es an Deutschland verkaufen. Ich befürchte, die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen wäre dann nicht mehr so laut.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist unredlich!)

Deutschland stünde es gut zu Gesicht, weltweit die gleichen Maßstäbe für die Bewertung von Menschenrechten anzulegen; sonst hat man die moralische Integrität einer Schwingtür.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rolf Mützenich [SPD]: „Moralische Integrität“, gutes Stichwort!)

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Frank Schwabe das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5223120
Wahlperiode 18
Sitzung 108
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
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