10.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 108 / Zusatzpunkt 1

Frank SchwabeSPD - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich nichts dazu sagen; aber da wir uns bei Eritrea offenbar einig sind – ich wüsste auch nicht, wie man sich an der Stelle nicht einig sein könnte –, möchte ich Ihnen, Herr Movassat, schon etwas sagen: Ich würde mir auch von der Linkspartei wünschen, dass sie nicht unterschiedliche Kriterien anlegt und bei Ländern wie Venezuela oder Nordkorea nicht bereit ist, gelegentlich nachsichtiger zu sein als bei anderen Ländern. Das ist nämlich das, was ich wahrnehme. Insofern fällt der Vorwurf, den Sie an uns richten, auf Sie selbst zurück.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das zum Thema Schwingtür!)

Ich möchte einen Satz zu der Lage in Aserbaidschan sagen. Ich glaube, das kann man bei einer Menschenrechtsdebatte machen, auch wenn wir am Freitag noch zu diesem Thema hier im Parlament kommen; denn ich bin wirklich empört darüber, dass Aserbaidschan die OSZE-Mission aus dem Land verweist. Wie wichtig Transparenz ist, diskutieren wir gerade am Beispiel von Eritrea. Wir können die Länder nicht miteinander vergleichen; aber es zeigt sich, was passiert, wenn ein Land nicht will, dass es internationale Transparenz gibt. Ich will die Gelegenheit nutzen, von hier aus zu sagen: Das Verhalten Aserbaidschans ist skandalös; das kann nicht ohne eine internationale Reaktion bleiben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Lage in Eritrea ist von den Kolleginnen und Kollegen schon umfassend beschrieben worden. Sie wird deutlich in den Überschriften, die man in dieser Woche in den Zeitungen lesen konnte. „ Von dort, wo die Angst herrscht“, hat die Süddeutsche Zeitung getitelt. „ Horrorbericht über die Republik der Angst“, so stand es in der taz. Das hat etwas mit dem in seiner Wirkung und seiner Bedeutung nicht zu unterschätzenden Bericht der Vereinten Nationen zu tun, der unter der deutschen Präsidentschaft jetzt in der Sommersession des UN-Menschenrechtsrats diskutiert wird.

Auch da ist es benannt worden: Eritrea erfüllt leider alle negativen Kriterien – wirklich alle –, die man sich auf der Welt so vorstellen kann. Amnesty International berichtet von 10 000 politischen Gefangenen; jede freie Meinungsäußerung wird drakonisch bestraft. Es fliehen so viele Menschen aus diesem Land, obwohl die zurückbleibenden Familien mit Strafe bedroht sind. Das ist so. Diese Familien werden herausgefiltert. Es gibt offenbar sehr differenzierte Mechanismen, um herauszubekommen, wer das ist. Diese Familien müssen am Ende mit Repressionen schlimmster Art rechnen. Es gibt keine Parteien, keine freien Medien, erst recht keine internationalen, keine Gewerkschaften, es gibt Folter und drastischste Haftbedingungen, die auch hier genannt worden sind.

Verantwortlich dafür ist eine Clique in dem Land unter Präsident Isayas Afewerki. Auch das muss klar sein: Wir haben im internationalen Strafrecht leider noch nicht genügend Möglichkeiten, aber wir müssen die bestehenden Regeln des internationalen Strafrechts anwenden, um diesen Präsidenten und seine Clique zur Verantwortung zu ziehen; denn die Vereinten Nationen haben, wie ich glaube, recht mit ihrer Einschätzung, dass es sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, die in Eritrea verübt werden.

Ich finde die Reiseplanung des Ministers interessant und bin einmal gespannt, was an Reiseaktivitäten zustande kommt. Ich bin mir ganz sicher, dass der Minister, wenn diese Reise zustande kommt, eine klare Ansage zu all den Punkten macht, die wir hier miteinander diskutiert haben. Es ist leider richtig, wie gerade gesagt wurde: Das Land erfüllt leider überhaupt keine Voraussetzung, um mit ihm in irgendeiner Art und Weise Entwicklungszusammenarbeit zu betreiben, weil vollkommen sicher ist, dass jeder Cent, der dorthin fließt, in die falschen Hände gerät.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Warum kommen eigentlich so viele Eritreer nach Deutschland? Das fragen sich ganz viele in meinem Wahlkreis. Sie fragen: Warum aus Eritrea? Viele Leute wissen gar nicht, was da los ist. Ich glaube, etwas dagegen getan zu haben, ist das Verdienst des UN-Berichts, aber auch der Anfrage der Grünen. Mittlerweile haben das Evangelische Missionswerk und andere entsprechende Berichte vorgelegt. Auch die heutige Debatte ist wichtig; denn wir brauchen Informationen. Wir müssen versuchen, die Lage so transparent wie möglich zu machen; denn genau das will dieses Land auf keinen Fall. Dass unser Ansatz zum Teil funktioniert, habe ich festgestellt – ich nenne jetzt keine Namen –, als ich an einer deutschen Botschaft war und dort über Eritrea diskutiert habe. Botschaftsmitarbeiter, die für Menschenrechtsfragen zuständig waren, haben mir gesagt: Na ja, das sind doch eher soziale Gründe, die die Menschen aus Eritrea nach Europa treiben. – Deswegen ist es wichtig, darüber zu informieren.

Die Zahl ist bereits genannt worden: 360 000 Eritreer halten sich in der Europäischen Union auf. Man muss sich vor dem Hintergrund von gerade einmal 6 Millionen Einwohnern in diesem Land vorstellen, was das für ein Verhältnis ist und wie weit damit Eritrea vor allen anderen Ländern Afrikas ist, was die Flucht nach Deutschland und nach Europa angeht. In der Tat, Tausende dieser Flüchtlinge sterben im Mittelmeer. Unsere Verantwortung besteht neben der Benennung der Situation in Eritrea darin, dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa nicht sterben müssen. Wenn sie dann in Deutschland sind, brauchen sie eine Chance, eine Perspektive. Die bekommen sie zum Teil leider auch nicht.

Ich habe in der letzten Woche dem Standesamt von Castrop-Rauxel die Geburt meiner Tochter gemeldet. Herr Grabosch hat mir gesagt – ich habe ihm versprochen, das zu benennen –, er habe es jetzt sehr häufig mit eritreischen Familien zu tun, unter anderem mit einem Paar, das gerade ein Baby bekommen hat. Ein Problem ist, das viele Eritreer oft leider kein Englisch sprechen. Wie denn auch? Es gibt in Eritrea gar keine Universität mehr; sie sind alle geschlossen worden. Flüchtlinge aus Eritrea sind häufig nicht einmal in der Lage, in Deutschland eine Eheschließung vorzunehmen oder ihre Kinder nach der Geburt standesamtlich anzumelden. Ich glaube, auch da haben wir die Verantwortung, mit diesen Menschen vernünftig umzugehen und der Öffentlichkeit zu erklären, warum Menschen aus Eritrea nach Deutschland kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Tom Koenigs das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5223121
Wahlperiode 18
Sitzung 108
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
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