Tom KoenigsDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme allem zu, was bisher gesagt worden ist. Die Schilderung der Situation in Eritrea könnte nicht drastischer sein. Wie man sie letzten Endes auch beschreibt – Gulag unter freiem Himmel, Nordkorea Afrikas –, sie ist entsetzlich.
Ich finde es gut, dass die Fraktionen der CDU/CSU und SPD diese Aktuelle Stunde aufgesetzt haben; denn so kommt es einmal zu einer Analyse der Fluchtursachen. Die Eritreer, die nach Deutschland kommen, verdienen Asyl und bekommen es auch. Das ist gut. Sie haben oft eine Art Weg zum Kalvarienberg durch äthiopische Flüchtlingslager zurückgelegt, bis sie überhaupt hierhergekommen sind. Manchmal sind sie nach Sinai verkauft worden, wo sie grausigen Torturen unterworfen wurden. Viele sind durch den Sudan geflohen, sehr viele durch die Wüste in Libyen. Letzten Endes waren sie immer wieder irgendwelchen Schleppern ausgesetzt, die bei ihren Verwandten anriefen und weiteres Geld verlangten.
Die Mehrzahl derer, die letzthin im Mittelmeer ertrunken sind, auch bei den großen Unfällen, waren Eritreer. Wer es dann bis Italien geschafft hat, ist immer noch nicht sicher. Viele von denen, die von Italien nach Deutschland, übrigens in erstaunlich hoher Anzahl nach Gießen, gekommen sind – es sind vor allem Jugendliche –, beschreiben, dass sie auch auf dem Weg durch Europa von Verbrechen, Erpressung und auch sexueller Gewalt begleitet worden sind. Die Durchgangsländer haben oft keinerlei Schutzsysteme – die europäischen Durchgangsländer bieten oft noch ein bisschen mehr Schutz als die afrikanischen –; deshalb ist in den Durchgangsländern sehr viel zu tun.
Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren. Diese Flüchtlinge verdienen und bekommen Asyl, und wir wissen, dass sich die Situation in Eritrea nicht in den nächsten ein, zwei, drei Jahren ändern wird; hoffentlich danach. Es dauert im Durchschnitt 11,2 Monate, bis die Flüchtlinge eine Duldung oder Asyl haben. In diesen elf Monaten hängen sie – meist junge Männer, aber auch Frauen – in der Ungewissheit. Warum fangen wir denn nicht sofort mit Integrations- und Deutschkursen an?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Das sind doch genau die Leute, die wir hier brauchen. Und sagen Sie nicht: Die gehen ja irgendwann wieder, hoffentlich bald. – Das wären genau die Leute, die wir sonst für viel mehr Geld in der Entwicklungshilfe in den afrikanischen Ländern ausbilden, und sie könnten dort auch ihre Erfahrungen mit Demokratie einbringen.
(Zustimmung des Abg. Martin Patzelt [CDU/CSU])
Das wäre also entweder eine Entwicklungshilfe oder eine Hilfe für uns, weil wir dann Experten hätten, die ausgebildet sind.
Da müssen wir am ersten Tag anfangen,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
zum Beispiel mit dem Zugang zum Gesundheitssystem, worüber immer noch verhandelt wird. Die Regelung zu sicheren Drittstaaten haben Sie von der Koalition schnell geschaffen, aber über die Gesundheitskarte wird immer noch verhandelt. Was ist denn? Nun lösen Sie das doch ein!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Annette Groth [DIE LINKE])
Oder: Deutschunterricht vom ersten Tag an! Die müssen Deutsch können, und sie lernen es auch. Es sind viele unter denen, die schon eine Bildung haben. Arbeitsvermittlung, soziale Betreuung, all das wird dringend gebraucht.
Noch eine andere Sache: Wenn diese Menschen hier im Rahmen der eritreischen Bürokratie Kontakt mit dem Konsulat haben, müssen sie die Aufbausteuer, 2 Prozent vom Netto, zahlen, übrigens auch von dem, was sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Auf unsere Anfrage wurde geantwortet, das könne man nicht ändern. Es kann doch nicht wahr sein, dass die eritreischen Behörden diese Leute in Deutschland abzocken und wir sagen: „Das können wir nicht kontrollieren“! Jede Frittenbude, die keinen Fettabscheider hat, machen wir zu. Und das können wir nicht kontrollieren? Das kann doch nicht wahr sein!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich glaube, da müssten wir uns ein bisschen mehr Flüchtlingsschutz überlegen.
Ein Allerletztes. Ja, der Herr Bundesminister Müller reist. Ich finde, man sollte auch mit dem Teufel reden. Hoffentlich redet er da deutliche Worte. Aber es gibt auch Peinlichkeiten. Die sollte er vermeiden. Thema „Auswärtige Kulturpolitik“: Der Botschafter hat ein Konzert der Philharmonie Leipzig in Eritrea vermittelt. Sehr schön haben sie gespielt – am Nationalfeiertag. Die Generäle und der Präsident saßen dabei: Hurra, die Deutschen spielen! – Ich würde mir wünschen, dass Herr Müller eine solche Peinlichkeit vermeidet.
Jeder Cent für dieses Land stützt die Diktatur, stützt die Menschenrechtsverletzungen und dient nicht den Ärmsten der Armen, die dort im Land höchst zahlreich sind.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Martin Patzelt hat für die CDU/CSU- Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5223176 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea |