Ute Finckh-KrämerSPD - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Auch ich möchte mit einer persönlichen Erfahrung beginnen. Ich war vor Jahren auf einem Evangelischen Kirchentag bei einem Workshop, wo es um Kriegsdienstverweigerung zur Zeit des Zweiten Weltkrieges ging. Der Workshop wurde englischsprachig durchgeführt. Am Schluss der Diskussion meldeten sich zwei junge Männer und sagten: Wir kommen aus Eritrea. In unserem Land besteht dieses Problem heute. – Sie fragten, wie man unserer Meinung nach am besten mit der Situation in einem Land umgeht, wo das Militär unter dem Vorwand, dass man sich gegen einen großen, militärisch übermächtigen Nachbarn wehren müsse, die ganze Bevölkerung unterwirft. Sie zogen den Schluss, dass man in einer solchen Situation den Kriegsdienst verweigern darf und muss. Das geht in einem Land wie Eritrea aber nur, indem man flieht.
Sie haben sich in Frankfurt – ich glaube, Gießen ist auch eingeschlossen – einer Exilorganisation eritreischer Kriegsdienstverweigerer angeschlossen. Diese Exilorganisation arbeitet seit vielen Jahren hier in Deutschland, und sie hat sich international vernetzt. Sie hat letztes Jahr eine Tagung in Pretoria unter dem Titel „Strategische Überlegungen über die politische und sozio-ökonomische Krise in Eritrea“ durchgeführt. Es ging um die Frage, was die vielen in verschiedenen Exilländern lebenden Eritreer zur Verbesserung der Situation beitragen können, in dem Sinne, dass sie ein Konzept entwickeln, wie ein demokratisches, ein wirtschaftlich nicht mehr völlig dem Militär unterworfenes und damit für seine Bewohner lebenswertes Eritrea aussehen könnte. Das finde ich sehr interessant; denn das ist ein weiterer Ansatz, den wir haben, um eine Veränderung in Eritrea zu bewirken. Dass wir nämlich nicht nur die, die als Flüchtlinge zu uns kommen, individuell unterstützen in der Hoffnung, dass sie irgendwann in das Land zurückkehren können, sondern dass wir unter ihnen eine Diskussion darüber befördern, sie darin unterstützen und bestärken, wie ein zukünftiges Eritrea aussehen könnte, ein Eritrea, das wieder lebenswert ist und sich nicht nur über eine militärische Bedrohung durch das Nachbarland Äthiopien definiert.
In diesem Papier gibt es einige Hinweise, die ich einmal zitieren möchte, weil sie exemplarisch dafür sind, wie weitsichtig und klug diese Menschen sind, die sich vor einem Jahr in Pretoria getroffen haben. Sie sprechen darüber, dass es in ihrem Land vor und nach der Unabhängigkeit eine Kultur der Intoleranz und Straflosigkeit gab und gibt. Sie sprechen darüber, dass man Mechanismen zur Konfliktlösung entwickeln muss, um in einem solchen Land, in dem im Augenblick die einen die anderen unterdrücken, anschließend wieder zusammenleben zu können. Sie sprechen davon, dass in einem so autoritär strukturierten Land eine Beteiligung der Bevölkerung auf Graswurzelebene gesichert werden muss. Sie sprechen von der Notwendigkeit eines ernsthaften Aussöhnungsprozesses unter Eritreerinnen und Eritreern. Sie wollen Mechanismen finden, mit denen man den sozialen Zusammenhang im Land wiederherstellt und stärkt, weil in diesem autoritären Regime alles kaputtgeht – auch dies zeigt der Menschenrechtsbericht –, was es an sozialem, an menschlichem Zusammenhang gibt. Und – auch das finde ich interessant – sie sprechen davon, dass die Rolle von einheimischen Strukturen und Bräuchen für einen Versöhnungsprozess unter Eritreerinnen und Eritreern auf der Ebene der Sippen und Gemeinschaften gefunden werden muss, also genau das, was wir in Bezug auf andere Konfliktregionen in der Welt auch sagen. Die Lösungen müssen aus der eigenen Tradition, aus der eigenen Kultur heraus kommen. Die Lösungen können nicht von außen aufgestülpt werden.
Ich wünsche mir, dass wir einen Weg finden, diesen Diskussionsprozess, der nicht nur in Deutschland stattfindet, sondern nach der Erklärung, die von Eritreerinnen und Eritreern aus Afrika, Australien, Europa und Nordamerika verfasst ist, offensichtlich auf mindestens vier Kontinenten stattfinden kann, zu unterstützen und zu stärken.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Kollege Thorsten Frei hat für die CDU/CSU- Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5223204 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea |