Thorsten FreiCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen vom vergangenen Montag hat deutlich vor Augen geführt, welche Zustände in Eritrea herrschen, hat deutlich vor Augen geführt, wie hier ein Volk geknechtet wird und von einem Despoten terrorisiert wird. Vieles von dem, was wir in dem 500-seitigen Bericht lesen können und was viele Kollegen im Rahmen dieser Debatte durchdekliniert haben, ist erschreckend, aber leider nicht wirklich überraschend. Auch wenn es viele westliche Politiker noch in den 1990er-Jahren gegeben hat, die geglaubt haben, dass Afewerki sozusagen ein fortschrittlicher Hoffnungsträger für Afrika sein könnte, wissen wir heute, dass er nichts anderes als ein lupenreiner Diktator ist, der mit einem perfiden Überwachungs- und Sicherheitssystem und eiserner Hand mehr als jeder andere Despot in Afrika sein Volk terrorisiert und in Angst und Schrecken versetzt, und das alles unter dem Deckmantel der Sicherung der Unabhängigkeit von Äthiopien, der Grenzstreitigkeiten mit Dschibuti, den schwierigen Verhältnissen mit eigentlich der kompletten Nachbarschaft von Eritrea. All das ist letztendlich ein Deckmantel dafür, dass sich das Land seit 1997 de facto in einem Dauerausnahmezustand befindet, die Menschen nicht an den politischen Prozessen beteiligt sind, es keine unabhängige Justiz gibt, es seit 1996 mit Militärrichtern besetzte Sondergerichte gibt, die jeden Fall an sich ziehen können, wo dann keine Anwälte und auch keine Rechtsmittel zugelassen sind.
Wenn man solche Zustände hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist das ein Failed State und nichts anderes. Eritrea ist insofern vielleicht ein Sonderfall, als es ein Failed State nicht aufgrund von Kriegen oder Bürgerkriegen und nicht aufgrund von Naturkatastrophen oder, wie wir es in der Region sehr häufig erleben, aufgrund fehlender Staatlichkeit ist. Nein, es gibt dort Staatlichkeit, aber eben fehlgeleitete Staatlichkeit. Das macht es wahrscheinlich für uns so schwierig – das hat die Debatte gezeigt –, Lösungsansätze zu finden.
Es ist geschildert worden, unter welchen erbärmlichen Umständen die Menschen dort leben und wie sehr das System die Menschen terrorisiert: dass es keine freie Presse gibt, dass es Opposition nur im Untergrund gibt, dass es keine Zivilgesellschaft gibt, dass es Verhaftungen und Hinrichtungen gibt, dass es dort 10 000 politische Gefangene gibt, wie Amnesty International sagt, dass es – wenn man sich die Lebenserwartung in diesem Land anschaut – im Prinzip einen unbegrenzten Militärdienst gibt, dass es Zwangsarbeit und Sklaverei gibt. Somit ist klar, warum wir in Europa mit den Folgen konfrontiert sind und die Menschen hierherkommen: aus lauter Verzweiflung und weil sie keinen Ausweg aus ihrer Situation sehen. Auch hier sind die Zahlen – sie sind genannt worden – wirklich alarmierend. Ein Viertel der Bevölkerung hat das Land, das weniger als 6 Millionen Einwohner hat, bereits verlassen. In Europa gibt es 360 000, in Deutschland etwa 70 000 registrierte Flüchtlinge aus Eritrea. Jeden Monat verlassen 3 000 bis 5 000 Menschen das Land. Dies macht deutlich, unter welchen Voraussetzungen die Menschen dort leben.
Uns ist natürlich auch bewusst, dass das, was wir sehen – die registrierten Zahlen, die ich gerade referiert habe –, letztlich nur die Spitze des Eisbergs ist. Die Menschen, die die wirtschaftliche Kraft aufbringen, Schlepperbanden zu bezahlen und Visa zu besorgen, und körperlich in der Lage sind, den Treck durch Kriegs- und Bürgerkriegsgebiete in Afrika, durch die Wüste bis an die libysche Küste zu nehmen oder etwa über die Sinai-Halbinsel zu fliehen, werden häufig von Banden gefangen genommen – es ist beschrieben worden – und in Containern gehalten. Ihnen werden Organe herausgerissen, die anschließend verkauft werden. Die Familienangehörigen, die zurückgeblieben sind, werden erpresst. Das sind die Zustände, mit denen wir dort konfrontiert sind.
Deshalb ist klar, dass wir versuchen müssen, mit den wenigen Möglichkeiten, die wir haben, dazu beizutragen, die Situation zu verbessern. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, die UN-Sanktionen und auch das Waffenembargo aufrechtzuerhalten, dass es darüber hinaus richtig ist, nach Möglichkeit zu verhindern, dass sich dieses Land Devisen beschafft. Wir haben darüber gesprochen, dass es eine zweiprozentige Aufbausteuer für Exilanten gibt. Sie ist immerhin die zweitwichtigste Einnahmequelle der Regierung. Die wichtigste Einnahmequelle sind die Rohstoffe. Wir sollten auch die außenpolitischen Möglichkeiten nutzen, etwa über den Sudan, in dem wir engagiert sind und der das einzige Land ist, das halbwegs vernünftige Beziehungen zu Eritrea hat. Wir sollten auch die Äthiopier darin bestärken, den Entspannungskurs fortzusetzen,
(Beifall des Abg. Martin Patzelt [CDU/CSU])
damit es möglich wird, den Verfassungsprozess von 1997 wieder aufzunehmen und letztlich – es ist gesagt worden – der Regierung von Eritrea das letzte Deckmäntelchen an Legitimität zu entreißen. Das, glaube ich, sind die wenigen Möglichkeiten, die wir aber entschlossen nutzen sollten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Kollege Johannes Selle hat abschließend für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5223205 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea |