Johannes SelleCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie meine Vorredner schon detailliert ausgeführt haben, sind die Schilderungen des Berichtes der Vereinten Nationen zur Menschenrechtssituation in Eritrea erschreckend. Sie zeugen von einem Machtwillen, der ohne Rücksicht auf das Schicksal der Menschen im Lande durchgesetzt wird. Die drastischen Sanktionen der Vereinten Nationen mit einer De-facto-Ächtung des Regimes bleiben wirkungslos. Irgendwann wird die internationale Gemeinschaft ernsthaft über wirksamere Instrumente diskutieren müssen.
Der Präsident Eritreas hat in über 20 Jahren nichts zustande gebracht, um die materielle Lage seines Volkes zu verbessern. Offensichtlich ist er nicht willens dazu. Entsprechende Angebote auch aus Deutschland hat es immer wieder gegeben, aber eben nur unter der Bedingung, dass sich die Menschenrechtslage verbessert. Wen wundert es, dass die auf Autarkie getrimmte Wirtschaftspolitik das Land ruiniert hat?
Der Präsident hat ein Regime aufgebaut, das auf die absolute Kontrolle bis in die kleinsten Winkel des Landes und bis in die banalste Alltagssituation in der Gesellschaft ausgelegt ist. Weder gibt es eine Opposition, nicht einmal im Untergrund, noch andere Ansätze einer zivilgesellschaftlichen Bewegung. Kooperationen mit ausländischen Organisationen finden so gut wie nicht statt. Mit anderen Worten: Es handelt sich um eine Gesellschaft, die in eine Isolation gezwungen ist, wie wir sie vielleicht nur noch aus Nordkorea kennen.
Immer wieder müssen wir uns die Frage stellen: Was können wir unternehmen, um das Regime zum Einlenken zu bewegen und den Menschen zu helfen? Für Entwicklungspolitiker ist die Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit, zumal bei einem so niedrigen Entwicklungsstand, immer schmerzhaft. Dann rücken Verbesserungen erst recht in weite Ferne. Wegen der unhaltbar gewordenen Zustände musste die bilaterale Zusammenarbeit mit Eritrea bereits 2007 eingestellt werden. Selbst die sonst in vielen Fällen mögliche Förderung nichtstaatlicher Akteure von außen ist im Falle Eritreas nicht möglich; denn erstens gibt es aufgrund der Unterdrückung keine zivilgesellschaftliche Bewegung, die gefördert werden könnte, und zweitens sind Organisationen, die eine solche Unterstützung leisten können, in Eritrea nicht zugelassen.
Wir dürfen nicht aufgeben, Eritrea im multilateralen Kontext der EU zum Einlenken zu bewegen. Bis 2020 sind im Europäischen Entwicklungsfonds 200 Millionen Euro für Eritrea vorgesehen. Im Gegensatz zu meinem linken Kollegen habe ich nicht so ein furchtbares Bild von der Europäischen Union. Aber das Geld darf natürlich nicht unkonditioniert vergeben werden, das ist klar, und das werden wir auch nicht tun.
Wenn wir uns fragen, was wir tun können, dann müssen wir thematisieren, dass Eritrea Ausgangsland einer massiven Flüchtlingsbewegung ist. Die beschriebenen massiven Menschenrechtsverletzungen zwingen jeden Monat Tausende Eritreer zur Flucht. Gegenüber 2013 wurde in 2014 eine Steigerung der Anzahl von Flüchtlingen von 153 Prozent festgestellt. Ein Teil davon tritt die gefährliche Weiterreise gen Norden an.
In unserer Kreisstadt gab es eine öffentliche Veranstaltung mit jungen Eritreern zu ihrer dramatischen Flucht, bei der sie mehrfach vom Tode bedroht waren: beim Übertritt der Grenze, bei der Flucht durch die Wüste und dann bei der gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer. Ein Großteil verbleibt jedoch in den Staaten, in denen die Menschenrechtssituation zwar auch nicht unbedingt zufriedenstellend ist, aber immerhin haben sie dort das Recht, zu leben und zu arbeiten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann meines Erachtens ein Ansatzpunkt sein. Die Hilfe zur Integration der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeländern wird auch im Empfehlungskapitel des VN-Berichtes hervorgehoben. Das ist eine Aufgabe, der sich die Entwicklungspolitik annehmen kann.
Lassen Sie uns den Menschen, die in der Region bleiben, eine Perspektive geben. Diese Menschen mit einer Perspektive können dann auch ein Gegengewicht zum Regime in Asmara bilden und zurückkehren, wenn die Lage in der Heimat dies zulässt. Das BMZ unterstützt das punktuell schon in Äthiopien. Wir müssen diesen Ansatz offensiv und im europäischen Kontext auf die Zehntausende von Flüchtlingen im Sudan ausdehnen, die bislang ohne Hilfe bleiben und daher gezwungenermaßen andere Wege aus ihrer Situation suchen. Der Sudan hat mir gegenüber auf Ministerebene einem dauerhaften Bleiberecht zugestimmt. Lassen Sie uns tun, was wir tun können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5223215 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Menschenrechtsverletzungen in Eritrea |