11.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 109 / Tagesordnungspunkt 3

Iris Gleicke - Bürokratieentlastungsgesetz

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zielt ab auf mehr Wachstum, mehr Beschäftigung sowie mehr Innovationen. Das geht nur mit mehr öffentlichen und mit mehr privaten Investitionen in Deutschland. Wir stellen deshalb in großem Umfang zusätzliche Mittel für Infrastruktur, Bildung und Forschung zur Verfügung. Vor allem der Städtebau und die Bereiche Digitales und Energie profitieren davon.

Ein ganz wichtiger Beitrag zu mehr öffentlichen Investitionen ist auch der neu geschaffene Fonds für kommunale Investitionen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Zusammengerechnet kommen wir in dieser Legislaturperiode auf ein Paket für kommunale Investitionen von über 15 Milliarden Euro. Zudem schafft die Bundesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen, die es unseren privaten Unternehmen ermöglichen, mehr zu investieren und neue Wachstumsfelder zu erschließen.

Der Abbau von unnötiger Bürokratie ist hier ein wichtiger Punkt. Deshalb bringen wir auf Initiative unseres Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel hin die größte Entlastung der Wirtschaft von unnötigen Bürokratiekosten in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg, und das ist erst der Auftakt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sprechen hier über 744 Millionen Euro pro Jahr, die unsere Unternehmen nun in Forschung und Entwicklung stecken können, in die Digitalisierung ihrer Prozesse, in die Internationalisierung ihres Geschäftsmodells und in die Qualifizierung ihrer Beschäftigten. Es geht hier nicht um Kleinigkeiten, sondern um reale Kostensenkungen, die insbesondere für Gründer und junge Unternehmen wie ein Konjunkturprogramm wirken können, das aber nicht viel kostet. Wir entlasten die Wirtschaft, ohne unseren ausgeglichenen Haushalt zu gefährden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, über Bürokratieabbau wird immer viel geredet, in der Sache konkret getan wird jedoch meist nur wenig, vor allem dann nicht, wenn es an das Eingemachte geht und wenn man möglicherweise selbst betroffen ist. Klar ist, dass wir zwischen notwendiger und nicht notwendiger Bürokratie unterscheiden müssen. Jeder funktionierende Rechtsstaat ist auf eine gut funktionierende Verwaltung angewiesen, die dem Allgemeinwohl dienende Gesetze umsetzt, also auf eine effiziente Bürokratie. Unvermeidlich sind Vorschriften, wenn sie dazu dienen, demokratisch festgelegten Allgemeinwohlbelangen Geltung zu verschaffen und damit Mensch und Natur zu schützen. Der Mindestlohn und auch das notwendige Korrelat, die Kontrolle seiner Einhaltung, sind hierfür ein gutes Beispiel; denn der Rechtsstaat, der Gesetze erlässt, auf deren Einhaltung er nicht pocht, verlöre seine Legitimation.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer hier über mehr Bürokratie klagt, dem sage ich: Arbeitnehmerrechte sind weder Wachstumshemmnisse noch überflüssige Bürokratie,

(Beifall bei der SPD)

und Lohnpflichten stellen keinen Erfüllungsaufwand dar.

Unnötig jedoch sind übertriebene Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Meldepflichten, zu niedrige Schwellenwerte oder ein nicht zu rechtfertigender Erfüllungsaufwand. Die Auflagen müssen insbesondere für kleine Unternehmen verhältnismäßig sein. Unverhältnismäßige Vorschriften sind wir mit dem Bürokratieentlastungsgesetz angegangen.

Bei unserem Bürokratieentlastungsgesetz haben wir vor allem unsere mittelständische Wirtschaft, Existenzgründer und wachsende Unternehmen im Blick. Es ist ein wichtiger Beitrag für die neue Gründerzeit, die wir als Ziel im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Die klassische Gründerzeit war die Industrialisierung Europas. Damals entstanden viele Unternehmen wie Siemens, Borsig, Daimler, Thyssen und Krupp. Das liegt lange zurück. Um unsere großen Herausforderungen zu meistern, insbesondere den digitalen Wandel, brauchen wir aber auch heute wieder neue Impulse. Sie kommen häufig von jungen, dynamischen Unternehmen, die ihr Geld und ihre Ressourcen dafür brauchen, ihre Ideen in Geschäftsmodelle umzusetzen. Größere finanzielle Spielräume und insbesondere eine verbesserte Wagniskapitalfinanzierung sind deshalb so wichtig.

Unser Ziel ist es, erstens mehr Wachstumsunternehmen an die Börse zu bringen. Dafür wird heute Nachmittag der Startschuss für die neue vorbörsliche Plattform Deutsche Börse Venture Network gegeben werden.

Zweitens werden wir die öffentlichen Mittel für die Wagniskapitalfinanzierung deutlicher erhöhen. Dazu legen wir einen Wachstumsfonds mit einem Volumen von 500 Millionen Euro auf. Die KfW steigt nach langer Pause wieder mit 400 Millionen Euro in die Venture-Capital-Finanzierung ein.

(Beifall bei der SPD)

Drittens wollen wir die steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital verbessern. Ein zentrales Thema sind dabei die Verlustvorträge bei Anteilseignerwechsel. Der Finanzminister und der Wirtschaftsminister haben vereinbart, hier für Verbesserungen zu sorgen.

Viertens werden wir mit unserem Bürokratieentlastungsgesetz Existenzgründern und jungen Unternehmen mehr Raum für die wichtigen Dinge geben. Sie sollen sich auf ihre Geschäftstätigkeit konzentrieren und nicht auf Formulare.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zu den wesentlichen Inhalten des Gesetzentwurfs gehört deswegen, dass künftig mehr kleine Unternehmen als bisher von Bilanzierungspflichten befreit werden. Sie sollen länger einfachere Aufzeichnungspflichten nutzen dürfen. Dazu werden die einschlägigen Grenzbeträge für Umsatz und Gewinn um jeweils 20 Prozent auf 600 000 bzw. 60 000 Euro steigen. Vor allem auch Existenzgründer werden spürbar entlastet. Dazu werden die Schwellenwerte in verschiedenen Wirtschaftsstatistikgesetzen und in der Intrahandelsstatistik angehoben. Es werden erstmals Meldeschwellen in der Umweltstatistik eingeführt.

Ein kraftvolles Signal für weniger Bürokratie ist auch die sogenannte „One in, one out“-Regelung. Sie ist ein Kernstück unserer verschiedenen Initiativen. Sie gilt bereits ab dem 1. Juli 2015. „One in, one out“ besagt: Wo zusätzlicher Erfüllungsaufwand durch neue Gesetze und Verordnungen entsteht, muss an einer anderen Stelle eine Belastung wegfallen. Das gab es noch nie in Deutschland. „ One in, one out“ heißt aber nicht, dass die Politik aufhört, zu gestalten. Wir werden die Vorhaben des Koalitionsvertrages umsetzen. „ One in, one out“ heißt jedoch, dass die Ministerien verpflichtet sind, nicht immer nur auf die neue Regelung zu schauen. Sie müssen das Gesamtsystem im Blick haben und überlegen, wo Bürokratie entfallen kann. In diesem Zusammenhang stärken wir den Normenkontrollrat, dem ich bei dieser Gelegenheit für seine exzellente Arbeit danken möchte.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich weiß, dass Herr Ludewig sowie seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht immer einfache Zeitgenossen für uns sind. Sie sind jedoch unerlässlich für die Selbstvergewisserung von Politik.

Auch die anderen Eckpunkte werden wir rasch umsetzen. So werden wir beispielsweise die Umsetzung der neuen europäischen Vergaberichtlinien in das neue Recht nutzen, um öffentliche Beschaffungen einfacher und anwenderfreundlicher zu gestalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz verschafft insbesondere den Gründerinnen und Gründern und jungen Unternehmen in unserem Land mehr Luft zum Atmen. Weitere Erleichterungen, beispielsweise im Steuerrecht, könnten dazu einen zusätzlichen Beitrag leisten. Das werden wir jedenfalls im Blick behalten.

Bürokratieabbau muss aber auch und vor allem auf europäischer Ebene stattfinden. Hier setzt sich Sigmar Gabriel zusammen mit seinen Ministerkollegen für eine starke europäische Agenda für eine bessere Rechtsetzung ein. Die EU-Kommission hat zentrale Elemente in ihre Mitteilung zur besseren Rechtsetzung aufgenommen.

Beim Bürokratieabbau genau wie bei allen anderen Maßnahmen, mit denen wir wichtige Zukunftsinvestitionen in unserem Land ermöglichen, dürfen wir nicht lockerlassen. In einer Zeit, in der sich die Wirtschaft gut entwickelt, die Beschäftigung Rekordwerte erreicht und die Löhne steigen, geben wir den Unternehmen mehr Spielraum. In diesem Sinne werbe ich auch bei diesem Vorhaben um Ihre Unterstützung. Wir handeln hier vor allem im Interesse unserer mittelständischen Wirtschaft und ihrer Beschäftigten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort erhält nun der Kollege Michael Schlecht für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5225593
Wahlperiode 18
Sitzung 109
Tagesordnungspunkt Bürokratieentlastungsgesetz
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta