11.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 109 / Tagesordnungspunkt 4

Jutta EckenbachCDU/CSU - Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pothmer, als ich gerade Ihre Rede gehört habe und auch die Äußerungen von Frau Göring-Eckardt, habe ich mich gefragt: Wo waren Sie eigentlich in den letzten Monaten, als wir etwas getan haben? Haben Sie sich weggeduckt?

Sie kommen heute mit einem Antrag und mit einer Pressemitteilung, Frau Pothmer, die eigentlich wieder nichts anderes macht, als die Welt – Sie machen sie sich sowieso sehr einfach – in Gut und Böse einzuteilen: Die Grünen sind bei Ihnen die Guten, und wir sind alle die Bösen.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nein, das werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir waren in der Vergangenheit gut, und wir sind auch heute gut.

Eines vorweg, was mich die ganze Zeit wirklich wahnsinnig geärgert hat. – Wenn Sie mir zuhören würden, könnten Sie an dieser Stelle auch noch etwas lernen; denn Ihre Anträge weisen immer wieder aus, dass Sie bestimmte Dinge vielleicht nicht verstehen. Das gilt für Frau Göring-Eckardt, das gilt genauso für Frau Pothmer; aber der Blick aufs Telefon ist im Moment, glaube ich, wichtiger.

Machen wir uns in dieser Frage doch mal eines klar: Wenn ein Flüchtling Deutschland erreicht hat, kommt er in ein Aufnahmelager. Er hat vieles durchlebt, ist unter Umständen traumatisiert oder wurde von der Familie weggerissen. Und dann? Dann belegen wir ihn mit Sprachkursen und der Forderung, eine Arbeit aufzunehmen. – Das alleine soll reichen? Nein, das reicht bei Gott nicht. Deswegen werden wir Ihre Forderung – Sprachkurse von Anfang an – nicht aufgreifen. Es geht immer darum, den einzelnen Menschen zu stabilisieren, ihn mitzunehmen, damit er seine Fachkenntnisse hier einbringen kann. Darum geht es.

Ich will noch einen Punkt ansprechen, den wir deutlich anders sehen als Sie – der DIHK und der Deutsche Städtetag sehen das übrigens genauso wie wir –: Wir sollten für die Menschen, die ein Bleiberecht haben und für viele Jahre in Deutschland sind, besser Sorge tragen und sie als Fachkräfte ausbilden. Ich will das, was die Kollegin Sabine Weiss vorhin gesagt hat, deutlich unterstreichen: Wir unterstützen die Forderung – das wird auch beim heute Abend stattfindenden Flüchtlingsgipfel mit Vertretern des Bundes und der Länder herauskommen –, dass wir auch dafür Sorge tragen müssen, dass die Menschen in ihren Heimatländern unterstützt werden. Es darf nicht erneut dazu kommen, dass uns der Außenminister des Kosovo davor warnt, die Menschen hierzulassen, weil das Kosovo sonst ausblute. Das wollen wir nicht. Das will ich in aller Deutlichkeit für die CDU/CSU-Fraktion sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich auf das hinweisen, was wir alle miteinander bereits auf den Weg gebracht haben; denn es ist ja nicht so, dass wir nichts getan haben. Seit 2009 ist es für geduldete Migranten einfacher, eine duale Ausbildung aufzunehmen. Rechtliche Hürden wurden damals abgebaut und Perspektiven eröffnet: Mit einer Ausbildung und einer qualifizierten Beschäftigung können sie leichter eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. 2012 wurde mit dem sogenannten Anerkennungsgesetz ein Rechtsanspruch auf eine Gleichwertigkeitsprüfung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation geschaffen. 2014 wurde das Arbeitsverbot für Asylsuchende auf drei Monate beschränkt.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das läuft ins Leere!)

Mit all dem sind wir – das ist heute Morgen schon gesagt worden – auf dem richtigen Weg, Frau Pothmer.

Aktuell wird unter der Federführung des Innenausschusses über Änderungen im Bleiberecht diskutiert. Auch das ist eine wichtige Frage, wenn wir über geduldete Jugendliche und unbegleitete jugendliche Flüchtlinge in Deutschland reden. An dieser Stelle möchte ich deutlich machen, dass vieles aufgrund der heutigen Gesetzgebung bereits möglich ist. Dabei sind drei Stadien zu unterscheiden:

Erstens. Das Asylverfahren ist noch nicht abgeschlossen: Solange sich Asylsuchende im Asylverfahren befinden, darf der Aufenthalt nicht beendet werden. Eine Abschiebung muss nicht befürchtet werden.

Zweitens. Eine Anerkennung als Asylberechtigter ist erfolgt oder ein subsidiärer Schutzstatus wurde durch das Bundesamt für Migration anerkannt: Dann kann die Ausbildung ebenso uneingeschränkt fortgesetzt werden.

Drittens. Wenn dies nicht gegeben ist, gibt es immer noch die Möglichkeit, unter Bezugnahme auf das Aufenthaltsgesetz eine Duldung aus dringenden persönlichen Gründen zu erwirken, um einen Aufenthalt bis zum Ende der Ausbildung zu ermöglichen.

Sie sehen, meine Damen und Herren von den Grünen und den Linken: Bereits heute erhalten die Auszubildenden und die Ausbildungsbetriebe die Sicherheit, dass die Investition in die Berufsausbildung nicht vergebens ist. Wir müssen an die Arbeitgeber appellieren; denn sie sollten sich noch ein wenig deutlicher für diese Menschen einsetzen und sie befähigen, eine Ausbildung zu absolvieren.

Ich will gar nicht abstreiten, dass es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, dass es noch weitere Verbesserungen geben muss. In dem Antrag der Grünen wird gefordert, das Erlernen der deutschen Sprache sofort zu ermöglichen. Ich habe gerade schon einmal versucht, unsere Meinung dazu deutlich zu machen: Erst einmal muss der Status geklärt werden. Die Menschen müssen stabilisiert werden. Das Erlernen der deutschen Sprache ist das Wichtigste überhaupt; aber es geht auch darum, beim Erlernen der deutschen Sprache auf die spezifischen Besonderheiten einzugehen. Das ist ganz wichtig; denn wir müssen die Fachkräfte befähigen, in ihren Berufen tätig zu sein. Sie sollten nicht irgendeinen Beruf aufnehmen müssen. In der Tat ist es richtig, dass die Menschen arbeiten gehen wollen. Ich möchte aber nicht, dass ein Mediziner in irgendeinem Landschaftsgartenbaubetrieb tätig ist. Nichts gegen Landschaftsgärtner, aber der Mediziner muss als Mediziner eingesetzt werden können. Auch die Pflegerin muss als Pflegerin eingesetzt werden können. Auch sie sollte nicht irgendeinen Beruf aufnehmen müssen. Die Bedingung dafür ist, dass wir das entsprechende Programm der BA stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das sollten wir in aller Ruhe machen. Das bedeutet Zeit, das bedeutet Geduld, und das wird nicht von heute auf morgen gehen. Die Welt ist nicht einfach, Frau Pothmer. Die Welt ist etwas komplizierter. Wir können sie uns in Deutschland auch nicht einfach stricken. Manches bedarf Zeit. Qualifizierung braucht Zeit, und die müssen wir uns auch nehmen.

Lassen Sie mich noch auf eines eingehen – ich denke, auch das ist eine wichtige Geschichte, die wir hier angehen müssen –: Wir müssen immer den Handlungsbedarf sehen und reagieren. Wir haben heute Abend eine große Runde mit den Ländern. Ich habe jetzt schon zweimal die Frage gehört: Warum sind die Kommunen nicht eingeladen? Wenn Sie unser Föderalismussystem kennen

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch jetzt eine Ausrede! Das hat doch mit den reellen Problemen nichts zu tun! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Ausflucht!)

– ich denke, Sie sind lange genug dabei, und Sie kennen es mittlerweile –, dann wissen Sie, dass der Bund in dieser Sache natürlich mit den Ländern verhandelt. Hier will ich auf eines hinweisen: Es wäre ganz toll, wenn auch die Bundesländer, und zwar alle Bundesländer, die 500 Millionen Euro, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, an die Kommunen weitergeben würden.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Das wäre ganz toll!)

Das ist nämlich nicht in allen Bundesländern so. Dann kämen wir vor Ort an dieser Stelle weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Zweiten. Die Bundesländer engagieren sich ja. Ich will deutlich machen, dass es zwei Bundesländer gibt, die von sich aus auch eigene Sprachkurse anbieten. Auch das ist etwas, was wir benötigen: Gemeinsamkeiten von Kommunen, Ländern und Bund. Wir werden nicht alles zentral regeln können. Denn ansonsten würden wir an dieser Stelle dem Föderalismus in Deutschland nicht mehr gerecht werden. Ich glaube, das wollen auch Sie nicht; denn das würde vieles aushebeln.

Sie können also etwas machen. Sie können es in den Ländern machen. Sie können es auch und gerade in Nordrhein-Westfalen machen. Insofern sind wir darauf gespannt, was kommt.

Es ist vorhin von einem Zug die Rede gewesen; Frau Kolbe hat davon gesprochen. Ich denke, Sie sind mit Ihrem Antrag letztendlich auf dem Abstellgleis gelandet.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Genau das Gegenteil! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Gott!)

Wir sind da weiter. Wir werden Sie überholen, und das wird sich schon morgen herausstellen.

Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Fraktion Die Linke, das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5227772
Wahlperiode 18
Sitzung 109
Tagesordnungspunkt Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende
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