11.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 109 / Tagesordnungspunkt 4

Andrea LindholzCDU/CSU - Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Natürlich müssen anerkannte Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz erhalten und dauerhaft bei uns bleiben, schnell integriert werden. Allerdings muss man ganz klar zwischen Asylbewerbern im Allgemeinen und anerkannten Flüchtlingen unterscheiden. Ihr Antrag blendet diese zentrale Herausforderung der Asylpolitik wie immer aus und verallgemeinert, anstatt klar zu trennen. Asyl dient nach wie vor ausschließlich und in erster Linie dem Schutz von verfolgten Menschen und nicht der Anwerbung von Fachkräften.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mehr als die Hälfte aller Asylanträge in Deutschland wird derzeit von Menschen gestellt, die aus dem Westbalkan stammen, obwohl diese Anträge seit Jahren zu nahezu 100 Prozent als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Im letzten halben Jahr wurden dreimal mehr Asylbewerber vom Westbalkan registriert – dreimal mehr! – als syrische Kriegsflüchtlinge. Nur rund 15 Prozent aller Asylbewerber stammen aus Syrien. Seit dem Ausbruch des Krieges haben über 100 000 syrische Flüchtlinge hier in Deutschland Schutz gefunden. Im Gegensatz zu den Asylbewerbern aus dem Westbalkan, die nicht auf der Flucht sind, suchen sie Schutz vor Krieg und Verfolgung.

Die Flüchtlinge aus dem Westbalkan sind auf der Suche nach Arbeit. Viele geben das in den Befragungen auch ganz offen zu. Dass sie auf der Suche nach Arbeit sind, ist auch nachvollziehbar, das ist auch nichts Verwerfliches, aber die Regelungen hierfür sind nicht im Asylrecht zu suchen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Aktuell sind rund zwei Drittel aller Asylbewerber also nicht schutzbedürftig. Diese abgelehnten Asylbewerber brauchen, so leid es mir tut, keine Integrationshilfen, sondern sie müssen zügig ausreisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist kein Populismus, sondern die ganz klare gesetzliche Rechtslage.

(Zuruf der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Wir müssen unser Asylrecht konsequent durchsetzen und abgelehnte Asylbewerber ausweisen und abschieben. Wir riskieren ansonsten die öffentliche Zustimmung für unser Asylsystem. Die vielen aussichtslosen Anträge binden Ressourcen. Wir brauchen diese Ressourcen für die Versorgung der Flüchtlinge, damit diejenigen, die wirklich unsere Hilfe benötigen, Hilfe bekommen und damit die Verfahren schneller erledigt werden können.

Wir wecken damit aber auch Hoffnungen in den Herkunftsländern, die wir nicht wecken dürfen. Der im Antrag geforderte Statuswechsel für Asylbewerber zum Beispiel würde einen massiven Fehlanreiz setzen und die Verfahren noch mehr in die Länge ziehen. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu prüfen, aus welchem Grund jemand ein Recht hat, zu uns zu kommen.

Mich haben in dieser Woche im Bundestag 25 junge Asylbewerber aus einer Berufsschule meines Wahlkreises mit ihren Lehrern besucht. Auf meine Frage, woher sie kommen und wer schon einen Bescheid hat, haben drei von ihnen – syrische Flüchtlinge – geantwortet, bereits einen positiven Bescheid erhalten zu haben. Ein junger Mann hatte einen Duldungsstatus. Alle anderen haben noch auf ihren Bescheid gewartet, auch diejenigen aus den Westbalkanstaaten.

(Zuruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist noch zu lang. Sie beträgt laut Statistik sieben Monate, in der Realität geht sie noch darüber hinaus. Auch die Zahl hinsichtlich des Rückstandes ist korrekt. Hieran müssen wir in erster Linie arbeiten. Das ist das aktuell größte Problem für unser Asylsystem, aber auch für die Menschen, die zu uns kommen. Es ist wichtig, dass sie schnell wissen und Sicherheit bekommen, ob sie bleiben dürfen oder nicht. Es ist nicht richtig, dass sie eine Ausbildungsklasse besuchen und nicht wissen, ob sie bleiben dürfen.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür können Sie die Voraussetzungen schaffen!)

Es ist nicht richtig, dass sie Deutsch lernen, dass sie sich Hoffnungen machen und dann vielleicht zurückgeschickt werden.

Hier müssen wir ansetzen. Wir müssen schnellere Entscheidungen treffen. Ich hoffe, dass das mit den neuen Stellen im BAMF gelingt: 2 000 weitere Stellen sind zugesagt. Das wird seine Wirkung zeigen. Das ist wichtig für die Asylbewerber, für die Kommunen und auch für die Herkunftsländer.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin auch ich und sind auch wir dafür, dass den tatsächlich Schutzbedürftigen, wie zum Beispiel den syrischen Flüchtlingen, den Schülern, die mich am Montag im Bundestag besucht haben, schnell und unbürokratisch geholfen wird. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass sich nach wie vor über 50 Millionen Menschen auf der Flucht befinden. Dieses Problem werden wir nicht alleine mit Geld und mit Personal lösen. Wir müssen auch für Verbesserungen in den Herkunftsländern und in den Anrainerstaaten sorgen. Hier ist die ganze Europäische Union und nicht nur Deutschland gefordert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

Auch ich möchte, dass die jungen Menschen aus dem Westbalkan, die in dieser Woche bei mir im Bundestag waren, wissen, woran sie sind, dass wir sie vor Ort aufklären, welche, Frau Kollegin, legale Möglichkeit es gibt, um nach Deutschland zu kommen und hier zu arbeiten oder eine Ausbildung aufzunehmen. Wir haben diese Möglichkeiten.

(Widerspruch der Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE])

Dann setzen sie auch keine Hoffnungen in aussichtslose Asylverfahren.

Wenn ein Unternehmen wie Daimler Fachkräfte sucht, dann sollte es erst einmal die legalen Einreisemöglichkeiten für Fachkräfte aus dem Ausland nutzen. Das geltende Arbeitsmigrationsrecht für Hochqualifizierte und für Fachkräfte aus Drittstaaten wurde vor zwei Jahren massiv ausgeweitet. Wir haben 70 Mangelberufe definiert, um den Branchen, die tatsächlich unter einem Fachkräftemangel leiden, die Anwerbung von Fachkräften auch aus Nicht-EU-Staaten zu erleichtern. Zudem stellte Deutschland im letzten Jahr rund 90 Prozent aller Blauen Karten aus der EU aus. Es ist doch nicht so, dass es keine Möglichkeit gibt, zu uns zu kommen. Erzählen Sie uns das doch nicht immer! Das ist schlicht falsch. Wir müssen zwischen berechtigten Asylbewerbern und Arbeitsuchenden trennen, für die es andere Möglichkeiten und Wege gibt, zu uns zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte auf einen anderen Aspekt eingehen. Laut Studie des DGB liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland trotz des Rekordniveaus der Beschäftigung bei 300 000. So viele junge Menschen in Deutschland sind ohne Arbeitsplatz. Von denen spricht in der Zwischenzeit kein Mensch mehr.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

In vielen freizügigkeitsberechtigten EU-Staaten wie Spanien, Frankreich und Italien ist die Jugendarbeitslosigkeit nach wie vor extrem hoch. Deutschland muss daher nach wie vor erst hier bei uns, danach in Europa und dann im Rest der Welt nach Arbeitskräften suchen. Das hat nichts mit der Frage zu tun, wer einen Asylanspruch hat und wem wir auf diesem Weg zügig helfen.

(Widerspruch von der LINKEN)

Ich wehre mich dagegen, dass Sie alle, die zu uns kommen, in einen Topf schmeißen. Ich wehre mich auch dagegen, dass die Wirtschaft hier nicht differenziert und aus meiner Sicht teilweise falsche Forderungen erhebt und suggeriert, man hätte keine Möglichkeit, Asylbewerber auf legalem Wege bei sich arbeiten zu lassen.

Frau Kollegin, es gibt vom Kollegen Rossmann aus der SPD-Fraktion den Herzenswunsch nach einer Zwischenfrage. Wollen Sie sie zulassen?

Ich möchte gern den einen Aspekt noch abhandeln. Dann können Sie Ihre Zwischenfrage stellen.

Dann ist aber Ihre Redezeit um.

Ich dachte, die Zwischenfrage stoppt die Redezeit.

Ja, aber wenn sie um ist, dann gibt es nichts mehr zu stoppen.

(Heiterkeit)

Dann rede ich jetzt zu Ende. – Asylbewerber und Flüchtlinge haben bei uns bereits viele Möglichkeiten. Der Besuch einer Schule, einer Berufsschule oder auch einer Universität ist bei uns erlaubnisfrei möglich. Nur in Deutschland gibt es mit § 60 a Aufenthaltsgesetz für Geduldete die Möglichkeit, die Ausweisung aufgrund einer laufenden Ausbildung auszusetzen. Nicht einmal im liberalen Schweden gibt es diese Möglichkeit. Ihre Forderung im Antrag unter Punkt 8 ist damit überflüssig.

Wir haben im letzten Jahr die Residenzpflicht eingeschränkt, wir haben den generellen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt nach drei Monaten erleichtert. Mit dieser relativ zügigen Erteilung der Arbeitserlaubnis schaffen wir zwar auf der einen Seite Verbesserungen, aber auf der anderen Seite müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, dass das auch migrationspolitische Anreize setzt, zu uns zu kommen. Ich halte die Forderung, dass man hier vom ersten Tag an arbeiten darf, migrationspolitisch schlicht für einen Fehlanreiz. Allein jetzt schon wird jeder dritte Asylantrag in der EU in Deutschland gestellt. Warum ist das denn so? Wir haben nach wie vor die besten Bedingungen. Deshalb höre ich mir von der Kollegin von der Linken nur ungern diesen im Übrigen unqualifizierten Vorwurf an, Deutschland sei nicht aufnahmefreundlich, Deutschland oder auch Bayern oder die CDU oder die CSU seien am Ende auch nicht zuwanderungsfreundlich. Das ist völliger Blödsinn und geht an dem vorbei, was wir in den letzten Monaten und Jahren in diesem Bereich schon für die Menschen getan haben.

(Widerspruch der Abg. Sevim Dagdelen [DIE LINKE])

Im Übrigen treten Sie auch das Engagement der vielen Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die sich für die Asylbewerber engagieren, mit Ihrer Rede

(Zurufe von der LINKEN)

– es ist empörend, was Sie vorhin gesagt haben – mit Füßen, und ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie sich dafür entschuldigen. Das war wirklich eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wünsche dem Gipfel bei der Kanzlerin heute viel Erfolg. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen der SPD ganz ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit auch im Bereich der Innenpolitik. Ich weiß, dass wir in den kommenden Monaten weiterhin für die Menschen, die zu uns kommen, gute Regelungen schaffen werden und dass wir für eine gute Politik und auch für eine gute Integrationspolitik stehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Kurzintervention des Kollegen Dr. Rossmann.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5227851
Wahlperiode 18
Sitzung 109
Tagesordnungspunkt Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende
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