Matthias BartkeSPD - Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Meldung ist noch frisch, aber sie war absehbar: Seit Jahresbeginn haben mehr als 100 000 Menschen die gefährliche Flucht über das Mittelmeer nach Europa gewagt. Die meisten von ihnen kommen aus dem Nahen Osten und aus Afrika. Der Anstieg der Zahlen ist dramatisch und stellt uns vor neue Herausforderungen. Es geht um Tausende persönliche Schicksale, tausendfach um Zukunft und Hoffnung; Frau Zimmermann, ich fand, dass Sie das durchaus anschaulich dargelegt haben. Deswegen dürfen wir uns von dem Flüchtlingsstrom gefordert fühlen. Aber wir müssen gleichzeitig klarstellen, dass wir nicht überfordert sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Seit Beginn unserer Regierungszeit haben wir daher schon eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Länder und Kommunen bei der Versorgung und der Integration von Flüchtlingen zu unterstützen.
Geld spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle. Deswegen erhalten die Länder 2015 und 2016 einen höheren Anteil an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer. Dieser Anteil beträgt jeweils 500 Millionen Euro. Außerdem haben wir die Zahl der Personalstellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2014 und 2015 um 750 aufgestockt. Weitere 750 Stellen wurden im Nachtragshaushalt 2015 bewilligt. Es ist ein erster Erfolg, dass dies bereits zu einer deutlichen Verkürzung der Asylverfahren geführt hat.
Aber Asylverfahren sind das eine, ein Dach über dem Kopf ist das andere. Mit Veränderungen im Baurecht haben wir deshalb dafür gesorgt, dass Flüchtlingsunterkünfte schneller zur Verfügung stehen. Diese Veränderung ging auf eine Bundesratsinitiative meiner Heimatstadt Hamburg zurück. Hinzu kommt: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben überlässt Flächen zur Unterbringung von Flüchtlingen künftig mietfrei. Das spart Kommunen und Ländern jährlich weitere 25 Millionen Euro. Mit dem Bundesprogramm „Willkommen bei Freunden“ unterstützen wir – Frau Griese hat darauf hingewiesen – gemeinsam mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung die Kommunen dabei, junge Flüchtlinge willkommen zu heißen.
Das alles sind Maßnahmen, die Flüchtlingen hier in Deutschland bessere Bedingungen bieten. Das allein reicht jedoch nicht aus. Voraussetzung dafür, dass die Flüchtlinge auch in unserer Gesellschaft ankommen, ist das Erlernen der deutschen Sprache. Deshalb haben wir die Integrationskurse zum Spracherwerb nachhaltig gestärkt.
(Beifall bei der SPD)
Im parlamentarischen Verfahren zum Bundeshaushalt 2014 konnten wir die Mittel hierfür um 40 Millionen auf 244 Millionen Euro erhöhen und im Haushalt 2015 verstetigen. Über den Nachtragshaushalt konnten wir die Mittel um weitere 25 Millionen Euro erhöhen.
(Beifall bei der SPD)
Die Sprache ist Ausgangspunkt, um im Alltag mit Mitmenschen zusammenzukommen. Das gilt auch und ausdrücklich für Asylbewerber. Wir haben die Mittel für die Sprachförderung massiv aufgestockt. Das ist doch, meine Damen und Herren von der Linken, nicht „nichts“; das ist schon sehr, sehr viel. Aber es stimmt: Das Erlernen der Sprache bleibt nur ein erster Schritt. Teilhabe an der Gesellschaft funktioniert bei uns ganz wesentlich über Beschäftigung.
In den vergangenen Monaten habe ich an dieser Stelle mehrfach Reden zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gehalten. Ich habe dabei immer wieder betont, dass Arbeit hilft, soziale Ausgrenzung zu vermeiden. Zwischen Langzeitarbeitslosen und Flüchtlingen gibt es jedoch einen wesentlichen Unterschied. Bei Langzeitarbeitslosen ist die Vermittlung in Arbeit so wichtig, damit sie der Gesellschaft nicht verloren gehen. Bei Flüchtlingen hingegen ist sie so wichtig, um sie in die Gesellschaft überhaupt erst zu integrieren. Es war uns deswegen ein zentrales Anliegen, den Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber und Geduldete schon früher als bisher zu ermöglichen. Wir haben uns damit durchgesetzt. Asylbewerber und Geduldete können sich nun schon nach drei Monaten um einen regulären Job bewerben. Nach 15 Monaten Aufenthalt entfällt außerdem die Vorrangprüfung, ob nicht ein deutscher Staatsbürger oder EU-Bürger die Stelle besetzen könnte. Ich sage dazu: Wenn es nach mir ginge, könnten wir das noch einmal deutlich reduzieren.
(Beifall bei der SPD)
Durch die Verkürzung der Geltungsdauer des Arbeitsverbots sowie die Lockerung der Vorrangprüfung und der Residenzpflicht wird der Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge erleichtert; Frau Kolbe hat zutreffend darauf hingewiesen. Der schnellere Zugang zum Arbeitsmarkt und die große Anzahl an Flüchtlingen stellen uns nun vor neue Aufgaben. Wir müssen deutlich mehr Asylbewerber bei der Arbeitsmarktintegration unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/ Die Grünen, an dieser Stelle setzt Ihr Antrag durchaus zu Recht an. Er nimmt zu Recht auf laufende Maßnahmen Bezug. Dazu gehört das Projekt „Early Intervention“, das hier schon mehrfach – so auch in Ihrem Antrag – erwähnt wurde. Hier wird erprobt, wie eine schnelle, qualitativ hochwertige Arbeitsmarktintegration von qualifizierten Asylbewerbern gelingen kann. Das Projekt ist im Januar 2014 gestartet und zeitigt bereits Erfolge. Ich stimme Ihnen hier ausdrücklich zu.
Mit vielen Ihrer Forderungen, die auch aus dem Projekt resultieren, rennen Sie daher bei uns durchaus offene Türen ein.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bekommen wir ja von Ihnen Zustimmung!)
Nicht umsonst bin ich in meiner Rede schon mehrfach auf Sprachkenntnisse zu sprechen gekommen. Obwohl wir die Mittel für Integrationskurse zum Spracherwerb bereits deutlich erhöhen konnten, wird deutlich, dass die Mittel zukünftig nicht ausreichen werden.
(Beifall bei der SPD)
Auch die berufsqualifizierenden Kurse bei der Bundesagentur für Arbeit müssen ausgebaut werden. Unsere Arbeitsministerin Andrea Nahles hat diesen Bedarf erkannt und wird sich für die Bereitstellung der Mittel einsetzen. Asylsuchende und Geduldete, die mit hoher Wahrscheinlichkeit lange Zeit in Deutschland bleiben, sollten von Beginn an die Möglichkeit zum Spracherwerb und zu berufsqualifizierenden Angeboten haben.
(Beifall der Abg. Daniela Kolbe [SPD])
Ich freue mich, dass wir mit dem Nachtragshaushalt für Integrationskurse einen Schritt in diese richtige Richtung unternommen haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch im Hinblick auf Jugendliche und ihre Ausbildung sehen wir keinen Dissens. Jugendliche und junge Erwachsene sollten meines Erachtens unabhängig von ihrem Asylverfahren eine berufliche Ausbildung aufnehmen und beenden können. Dabei ist es nur konsequent, auch nach Beendigung der Ausbildung einen sicheren Aufenthaltsstatus zu bieten. Ich freue mich, dass Sie mit Ihrem Antrag unserem Handeln Nachdruck verleihen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es liegt in unser aller Interesse, Flüchtlinge bei uns willkommen zu heißen und ihnen die besten Startmöglichkeiten zu bieten. Deswegen werden wir auch in den nächsten Monaten unsere Anstrengungen hierfür fortsetzen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Herr Dr. Pätzold von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5227873 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende |