Kai WhittakerCDU/CSU - Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Ich kann den verzweifelten Versuch der Kolleginnen Göring-Eckardt und Pothmer verstehen, hier den Eindruck zu erwecken, als hätten wir in der Großen Koalition in den letzten Monaten nichts getan.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind gar nicht verzweifelt! Das sind Sie vielleicht!)
Die Vorredner haben aber schon einige Punkte aufgegriffen. Ich weiß, dass sie das nicht so gerne hören. Deshalb wiederhole ich es einmal. Wir haben es in den letzten zwölf Monaten geschafft, dass Flüchtlinge bereits nach drei Monaten Arbeit aufnehmen dürfen. Sie dürfen nach spätestens 15 Monaten frei ihren Beruf wählen. Dort, wo es Fachkräftemangel gibt, können sie es sogar sofort. Sie dürfen nach drei Monaten in Deutschland wohnen, wo sie wollen. Und wir werden den Kommunen in den nächsten zwei Jahren mit über 1 Milliarde Euro zusätzlich unter die Arme greifen. Darüber hinaus gibt der Bund zusätzlich 40 Millionen Euro für Sprach- und Integrationskurse aus. Ich finde, dass man wirklich nicht sagen kann, dass wir die Hände untätig in den Schoß gelegt haben. Vielmehr haben wir als Bund unsere Hausaufgaben gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn ich mir Ihren Antrag so anschaue, bekomme ich den Eindruck, dass Sie es nicht wirklich ernst meinen. Werte Kollegen von den Grünen, ich weiß, es bereitet Ihnen eine diebische Freude, von diesem Pult aus zu betonen, dass Sie in mehr Bundesländern regieren als die Union.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir heute noch gar nicht gemacht! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie uns daran erinnern!)
Offensichtlich aber wissen Sie nicht, wie Sie mit dieser Verantwortung umgehen sollen. Die allermeisten Punkte, die Sie in Ihren Antrag geschrieben haben, können Sie in den Ländern schon längst umsetzen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir auch!)
Ob es um Sprachkurse, Netzwerkarbeit, Beratung oder Betreuung geht, das alles ist Sache der Länder. Stattdessen laden Sie Ihre Verantwortung beim Bund ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Bund ist für das Asylverfahren zuständig, die Länder sind für die Flüchtlinge da. Dass das auch geht, sieht man an den Bundesländern Bayern und Baden- Württemberg. Ich bin wirklich unverdächtig, ein großer Anhänger des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu sein; das trifft allerdings auch auf die Bundestagsfraktion der Grünen zu. Kretschmann macht genau das, was Sie fordern, nämlich zielgruppenspezifische Sprachkurse auf Kosten des Landes anzubieten. Ich empfehle den grünen Landespolitikern anderswo, einen Besuch im – das hat Jürgen Trittin, glaube ich, vor zwei Jahren ganz charmant formuliert – „Waziristan“ der Grünen abzustatten. Wahrscheinlich trauen sie sich nicht, dorthin zu fahren. Es könnte eine unangenehme Begegnung mit der Realität werden.
Herr Whittaker, die Kollegin Pothmer hat die Bitte nach einer Zwischenfrage.
Der Kollegin Pothmer kann ich keinen Wunsch abschlagen. – Bitte schön.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Herr Kollege Whittaker, das kann Sie noch teuer zu stehen kommen.
(Heiterkeit – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das werden wir ja gleich sehen!)
Herr Kollege Whittaker, unser Antrag ist mit dem Titel „In die Zukunft investieren – Asylsuchende auf ihrem Weg in Arbeit und Ausbildung unterstützen“ überschrieben. Da haben wir es im Wesentlichen mit bundespolitischen Kompetenzen zu tun. Wenn Sie hier sagen, der Bund habe seine Hausaufgaben gemacht, dann müssen Sie uns hier einmal erklären, warum die Bundesagentur für Arbeit ein 15-seitiges Papier mit dem Titel „Herausforderung und Handlungsempfehlungen: Humanitäre Zuwanderer in Ausbildung und Arbeit bringen“ vorgelegt hat.
Die Bundesagentur für Arbeit sieht erheblichen Handlungsbedarf. Sie selber ist mit der Forderung an die Öffentlichkeit getreten, 1 000 Stellen zusätzlich einzurichten, weil wir in den Jobcentern und bei den Agenturen einen Flaschenhalseffekt haben und weil es unheimlich viel Nachsteuerungsbedarf gibt, zum Beispiel in der Frage der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen. Ich könnte diese Liste weiter fortsetzen.
Nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, dass es nicht nur die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist, sondern dass es darüber hinaus die Bundesagentur für Arbeit ist, dass es die Arbeitgeberverbände sind und dass es die IHK und die Handwerkskammern sind, die einen erheblichen Handlungsbedarf sehen. Stellen Sie nicht fest, dass Sie mit Ihrer Auffassung zunehmend einsam werden?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Kollegin Pothmer, ich finde eher, dass es sehr einsam um Ihre Fraktion geworden ist. Sie haben letzte Woche in der Medienlandschaft groß verkündet, dass Sie 1 000 neue Stellen für die BA schaffen wollen, um dieses Problem zu beheben. In Ihrem Antrag steht davon nichts mehr.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich steht es da drin!)
Insofern mache ich mir um meine Einsamkeit keine Sorgen, Frau Kollegin Pothmer.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich nehme Ihren Antrag auch deshalb nicht wirklich ernst, Frau Kollegin, weil ich glaube, dass es eher ein Showeffekt ist, den Sie versuchen hier zu platzieren. Es ist ja nicht so, dass die Flüchtlinge erst seit Sonntag in dieses Land kommen. Wir diskutieren dieses Thema seit über einem Jahr, und – andere Kollegen haben das schon gesagt – es gibt keine einfachen Antworten. Aber Sie zetteln für heute eine Debatte an und schaffen es gerade einmal zwei Tage vorher, in Ihrer eigenen Fraktion zu klären, was Sie überhaupt wollen, um einen Antrag im Bundestag zu stellen,
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte?)
und das an einem Tag, an dem der Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern stattfindet. Ich kann nichts anderes darin erkennen als den verzweifelten Versuch Ihrer Bundestagsfraktion, mit diesem Thema in den Medien zu landen.
Das ist eine freundliche Erinnerung Ihres Parteifreundes – ich hoffe, er ist noch Ihr Parteifreund – Joschka Fischer. Das hat er von diesem Pult aus einmal gesagt.
Ich nehme Ihren Antrag aus einem dritten Grund nicht ernst. Ihr Showantrag geht an der Realität vorbei. Was ist das Hauptproblem dafür, dass Asylbewerber keinen Job finden bzw. Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben?
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt habe ich Ihnen den Antrag schon im Vorfeld zugeschickt, und Sie haben ihn immer noch nicht gelesen!)
Vor kurzem wurde eine Bertelsmann-Studie veröffentlicht, in der ganz klar steht, dass die Asylverfahren zu lange dauern. Letztes Jahr betrug die durchschnittliche Wartezeit circa sieben Monate. Diese Wartezeit ist nicht hinnehmbar. Deswegen haben wir beim letzten Flüchtlingsgipfel vereinbart, 2 000 neue Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu schaffen. Damit verdoppeln wir fast das Personal in diesem Amt, um diesen unsäglichen Wartestau zu beseitigen. Dazu steht in Ihrem Antrag nichts. Das ist enttäuschend.
In Ihrem Antrag schweigen Sie zu einem weiteren Thema, das Ihnen unangenehm ist, nämlich zu der Frage, wie wir Wirtschaftsflüchtlinge so schnell wie möglich in ihre Heimatländer zurückbringen können. Die Deutschen – das nehme ich in meinem Wahlkreis wahr; das wird sicherlich vielen Kollegen hier genauso gehen – sind sehr offen und extrem hilfsbereit gegenüber den Flüchtlingen, die Schreckliches erlebt haben. Sie engagieren sich wirklich aufopferungsvoll als Sprachlehrer, als Integrationshelfer oder sind einfach nur da.
Dieser bemerkenswerte Satz stammt nicht von mir, sondern vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, nachzulesen in der Zeit vom 19. September letzten Jahres.
Wer mit den Menschen spricht, wird merken, dass dieser Satz wahr ist. Die Menschen in diesem Land sehen sehr wohl den Unterschied zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und aus humanitären Gründen Geflüchteten. Sie wissen genau, wer dringend Hilfe braucht und wer nicht. Deshalb wäre es ein starkes Signal von Ihnen, liebe Grünen, wenn Sie hier im Deutschen Bundestag und im Bundesrat Ihre Blockadehaltung endlich aufgäben, damit wir alle Balkanstaaten endlich zu sicheren Herkunftsländern erklären können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber das wollen Sie nicht hören. Das passt nicht in Ihre heile Flüchtlingspolitik.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Argumentation ist wirklich hanebüchen!)
Stattdessen ist es einfacher, sich hierhinzustellen und uns als Union zu verunglimpfen. Aber ganz so einfach ist es eben nicht.
Wir als Union haben schon nach dem Zweiten Weltkrieg die Flüchtlingspolitik neu begründet.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie?)
Ich zitiere:
Das stand so im CDU-Wahlprogramm von 1949. Da waren Sie von den Grünen, wie man sagt, noch Quark im Schaufenster.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie?)
Deshalb heißen wir übrigens „Union“ und nicht „Partei“: Wir haben es als politische Kraft verstanden, Menschen als Union zusammenzubringen und nicht als Partei zu spalten. Es war eben die Union, die dafür gesorgt hat, dass nach dem Zweiten Weltkrieg 8 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene eine neue Heimat in Westdeutschland gefunden haben.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich noch mal ein bisschen die Geschichte angucken! Wo leben Sie eigentlich?)
Heute reden wir von 400 000 Flüchtlingen. Es ist deshalb schon, wie ich finde, eine Ironie der Geschichte, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir nichts von Flüchtlingspolitik verstehen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen ist der Geschichtsunterricht ausgefallen!)
Dazu fällt mir und meinen Kollegen der CDU/CSU-Fraktion wirklich nichts mehr ein. Sie nutzen diese Debatte schlicht und ergreifend zur Effekthascherei, für eine billige Schlagzeile in der Zeitung. Dafür sind wir nicht zu haben.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5227931 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitsmarktpolitik für Asylsuchende |