Jeannine PflugradtSPD - Gesunde Ernährung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Landgraf, ich bin der Meinung, wir können hier gar nicht oft genug über gesunde Ernährung reden. Wir unterscheiden uns vielleicht in diesem einen Punkt; aber das ist gar nicht schlimm.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Jedes sechste Kind zwischen sieben und zehn Jahren gilt in Deutschland als übergewichtig. Das Ernährungsverhalten der Kinder erscheint unausgereift. Vor allem nach der Einschulung geht die Gewichtskurve bei vielen Kindern zu steil nach oben. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts zeigt, dass ab der ersten Klasse immer mehr Kinder übergewichtig werden. In den Jahren nach der Einschulung steigt der Anteil übergewichtiger Kinder von 9 auf 15 Prozent, und der Anteil adipöser Kinder steigt sogar auf 6,4 Prozent. Die Betroffenen leiden nicht nur unter den schon angesprochenen körperlichen Folgen, sondern oft auch unter seelischen Schwierigkeiten, etwa einem schwachen Selbstwertgefühl oder Mobbing durch Gleichaltrige. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der Verzehr von zuckerhaltigen Getränken neben zu wenig Schlaf und Bewegungsmangel eine der Hauptursachen von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft um Bundesminister Schmidt an der Ausgestaltung eines nationalen Qualitätszentrums für Kita- und Schulernährung arbeitet. Wenn ich richtig informiert bin, soll hierzu Ende Juni, also in wenigen Tagen, ein erster Entwurf vorgelegt werden.
(Willi Brase [SPD]: Sehr richtig!)
Ich bin gespannt darauf, wie dieses Zentrum die Vernetzungsstellen Schulverpflegung in ihrer Arbeit ergänzt bzw. unterstützt und welchen Beitrag die Deutsche Gesellschaft für Ernährung leisten kann. Gleichzeitig appelliere ich erneut an alle Bundesländer, ihre Vernetzungsstellen mit eigenen finanziellen Mitteln auszustatten, um eine mögliche Förderung des Bundes nach 2017 zu gewährleisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich denke, alle Fraktionen sind sich einig, dass eine ausgewogene Ernährung eine wichtige Basis für ein gutes und gesundes Leben eines jeden Menschen ist. In Deutschland ist in den vergangenen Jahren eine Zunahme von ungesundem Ernährungsverhalten und besonders Bewegungsmangel festzustellen, in deren Folge die Anzahl der übergewichtigen Menschen leider zunimmt. Glauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, wovon ich spreche, auch wenn man das aufgrund meiner Kleidung heute vielleicht nicht so sieht.
(Zurufe von der SPD sowie von Abgeordneten der CDU/CSU: Oh! Oh! – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Du siehst super aus!)
– Danke, das wollte ich doch nur hören.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Es ist für uns von besonderer Wichtigkeit, dass gegen den Anstieg ernährungsbedingter Krankheiten aktiv vorgegangen wird, und gerade die Kinder und Jugendlichen müssen besonders in den Fokus gerückt werden.
In ihrem Antrag plädieren die Koalitionsfraktionen für verpflichtende Qualitätsstandards bei der Kita- und Schulverpflegung, in öffentlichen Kantinen sowie in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Darüber hinaus fordern wir ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel in Grundschulen und Kitas
(Beifall bei der SPD)
sowie süßigkeitenfreie Kassenzonen in Supermärkten. Das finde ich – hier spreche ich als Mutter – fantastisch. Zudem muss die Wirtschaft mit einer nationalen Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten in die Pflicht genommen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir möchten nicht nur ausschließlich an die Verbraucher appellieren, ihr Verhalten zu verändern, sich gesünder und bewusster zu ernähren und sich vor allem auch mehr zu bewegen. Es geht uns vielmehr darum, die Rahmenbedingungen für eine gesunde Ernährung zu verbessern, damit alle Menschen und gerade alle Kinder eine Chance auf ein gutes und gesundes Leben erhalten. Ich begrüße daher auch die Anstrengungen, die im Rahmen des Präventionsgesetzes und einer nationalen Präventionsstrategie unternommen werden, um das Ernährungsverhalten aller Menschen in den Vordergrund eines gesunden Lebensstils zu stellen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Um Kindern und Jugendlichen Obst und Gemüse schmackhaft zu machen, hat die Europäische Union 2009 ein Schulobst- und -gemüseprogramm in den Mitgliedstaaten eingeführt. Mit dem Programm werden jährlich europaweit 150 Millionen Euro Gemeinschaftsbeihilfe für die Mitgliedstaaten bereitgestellt. Deutschland stehen davon pro Schuljahr circa 20 Millionen Euro zur Verfügung. Für das laufende Schuljahr hat Deutschland 22,8 Millionen Euro beantragt und auch erhalten. 25 Prozent der Kosten müssen durch die Mitgliedstaaten aufgebracht werden, die restlichen 75 Prozent werden von der Europäischen Union übernommen. Neun Bundesländer – leider nur neun – nehmen derzeit an diesem Programm teil.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist ein Jammer!)
– Genau, ein Riesenjammer ist das.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Im Januar 2014 legte die Europäische Kommission den Vorschlag für ein neues Schulprogramm vor. Dieser Vorschlag sieht die Zusammenlegung des bisherigen Schulobst- und -gemüseprogramms mit dem Schulmilchprogramm auf Basis der beschlossenen Mittel für das Haushaltsjahr 2014 vor. Leider hat sich bis heute bezüglich einer Entscheidung nichts getan. Das EU-Parlament hat sich zwar vor zwei Wochen erneut für die Zusammenlegung ausgesprochen und fordert auch eine Erhöhung der Mittel für das Schulmilchprogramm auf 100 Millionen Euro, aber noch sind die Mitgliedstaaten sehr weit von einer gemeinsamen Position entfernt. Wie auch immer die Beratungen auf EU-Ebene ausgehen werden: Außer Frage steht, dass separate Anpassungen bei den Programmen gemacht werden müssen, um die geforderte Ernährungsbildung zunehmend im Unterricht zu etablieren. Ich hoffe außerdem, dass die bürokratischen Zugangshürden für diese EU-Programme vereinfacht werden und sich künftig alle Bundesländer daran beteiligen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Natürlich können solche Programme nicht allein die Verhältnisse der Menschen und das Verhalten der Kinder bezüglich einer ausgewogenen Ernährung ändern, vor allem, weil sie mit Sicherheit nicht alle erreichen. Möglicherweise initiieren sie aber ein Umdenken, anstelle eines Schokoriegels lieber einmal einen Apfel oder eine Möhre zu essen – nicht immer, aber vielleicht immer öfter. Hier sind kleinere Schritte gefragt, und niemand darf das Gefühl haben, zur gesunden Ernährung gedrängt bzw. gezwungen zu werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dazu macht unser Koalitionsantrag einen ersten Aufschlag.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Nicole Maisch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5229049 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Gesunde Ernährung |