11.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 109 / Tagesordnungspunkt 8

Gitta ConnemannCDU/CSU - Gesunde Ernährung

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer von Ihnen war schon einmal in der Alten Pinakothek in München?

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich!)

– Ich hätte mir etwas mehr Zustimmung gewünscht. – Dort hängt das Gemälde „Das Schlaraffenland“. Es zeigt drei Männer unter einem Baum. Sie öffnen nur den Mund, und schon gibt es Milch, Wein und Fleisch. Essen und Trinken im Überfluss, und zwar für alle – im 16. Jahrhundert erschien dies den Menschen wie das Paradies.

Und heute? Für 800 Millionen Menschen auf der Welt bleibt das ein Traum; denn sie hungern. Täglich sterben nach wie vor 10 000 Kinder auf der Welt, weil sie nicht genug zu essen haben. Die Zahl wird kleiner. Wir finden aber, dass kein Kind an Hunger sterben sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und hier? In unserem Land gibt es Lebensmittel im Überfluss: gesund, sicher, bezahlbar. Dies verdanken wir ganz leistungsfähigen Landwirten, ganz leistungsfähigen Herstellern und übrigens auch Händlern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir dürfen sagen: Was für ein Segen ist es, dass wir in diesem Land leben. – Aber spüren wir dies noch? Wohl kaum. Die Zahlen zeigen, dass das Gefühl für den Wert von Lebensmitteln verloren gegangen ist. Beweis gefällig? Jeder Bundesbürger wirft im Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel fort. Das bedeutet hochgerechnet auf alle Privathaushalte in Deutschland: 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel. Das ist eine Zahl, die fassungslos macht. Für meine Fraktion, für die CDU/CSU-Fraktion, kann ich sagen: Lebensmittel sind zu gut für die Tonne.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer Lebensmittel wegwirft, verschwendet Nahrung, verschwendet Energie, verschwendet Geld und verschwendet Ressourcen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann machen Sie doch was!)

Glücklicherweise hat sich schon einiges getan. Unser Ministerium sorgte mit der Aktion „Zu gut für die Tonne“ für die Initialzündung. Seitdem gibt es nicht nur eine öffentliche Diskussion, sondern erstmalig auch ein Problembewusstsein für dieses Thema, das zuvor von niemandem angefasst worden ist. Auch die Aktion „Restlos genießen“ ist erfolgreich angelaufen. Die Restaurantbesitzer bieten ihren Gästen an, ihre Reste mit nach Hause zu nehmen. All das sind kleine Bausteine, aber es sind Bausteine zur Bekämpfung eines Riesenproblems. An dieser Stelle danke ich unserem Minister Christian Schmidt für seinen Einsatz und dafür, dass er an dieser Stelle nicht lockerlässt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich gibt es noch viel zu tun. Beispiel gefällig? Familienpackungen. Familienpackungen und Singlehaushalte passen einfach nicht zusammen. Da sind Reste vorprogrammiert. Ein Teil muss im Müll landen. Wir brauchen kleinere Verpackungsgrößen für Alleinstehende, gerade bei Frischprodukten. Das Angebot ist mager. Deswegen fordern wir in unserem Antrag die Bundesregierung auf, mit der Wirtschaft zu vereinbaren, dass sie ihr Angebot diesbezüglich verbessert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD])

Oder der Preis. Ohne Zweifel ist die Bezahlbarkeit von Lebensmitteln eine soziale Frage. Aber es gibt aus meiner und unserer Sicht einen Unterschied zwischen preiswert und verramschen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Beispiel gefällig? In dieser Woche wirbt ein großer Discounter: 400 Gramm Hackfleisch für 1 Euro. Ich sage Ihnen: Das ist pervers.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht jeder Preiskrieg muss zu Ende geführt werden. Hier steht der Handel in der Verantwortung, aber auch der Verbraucher, der so etwas erwirbt.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tu doch was dagegen, Mensch! Wir können doch nicht nur die Welt bejammern!)

Meine Damen und Herren, es gibt in diesem Haus Fraktionen, die an dieser Stelle gerne nach dem Gesetzgeber rufen, nach künstlichen Mindestpreisen, nach Zusatzsteuern. Die Kollegin Binder hat das eindrucksvoll bewiesen,

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, hat sie eigentlich nicht!)

und auch die Kollegin Maisch. Dies lehnen wir ab. Wir schreiben den Menschen nicht vor, was sie in ihren Einkaufswagen legen sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat sie doch gar nicht getan!)

Der Bürger soll selbst entscheiden, was er isst und wie er isst. Er will das übrigens auch; das hat die Reaktion auf den Veggie-Day eindrucksvoll bewiesen.

Frau Connemann, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Maisch zu?

Ja, sehr gerne.

Bitte.

Frau Kollegin Connemann, Sie haben gesagt, ich hätte in meiner Rede Mindestpreise und Sondersteuern gefordert. Können Sie belegen, welche Mindestpreise und welche Sondersteuern sowie wann und wo ich das in meiner Rede gesagt haben soll?

Ich habe nicht gesagt, dass Sie Mindestpreise gefordert haben,

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das haben Sie gesagt!)

sondern ich habe gesagt, dass Fraktionen in diesem Haus danach gerufen haben, zum Beispiel die Kollegin Binder,

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Sie haben „Maisch“ gesagt!)

und sehr deutlich auf die Preisbildung, aber auch auf gesetzliche Regulierungen eingegangen sind. Ich weise an dieser Stelle nicht nur auf den Veggie-Day hin, sondern auch auf die von Ihnen auf dem letzten Bundesparteitag der Grünen mitbeschlossene Veggie-Steuer.

(Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz)

– Ich bin noch nicht fertig. – Die Grünen wollen durch diese Besteuerung den Verbrauch von Fleisch reduzieren. Das ist für mich eine Bevormundung und Gängelung, die es in sich hat, liebe Frau Kollegin Maisch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Für mich auch!)

Das lehnen wir ab. Wir lehnen auch Strafsteuern auf Zucker, Fett oder Salz ab. Es gibt nämlich kein per se schlechtes Lebensmittel. Die Dosis macht bekanntlich das Gift.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht im Antrag doch gar nicht drin! Das steht in keinem Antrag! – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keiner hat das gesagt!)

Hier hilft nur Wissen, Wissen, Wissen; die Kollegin Mortler wird darauf noch eingehen.

Dass unsere Bürger staatliche Gängelung ablehnen, zeigte übrigens auch die Diskussion über einen anderen Punkt unseres Antrags:

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Kehr doch mal zum Antrag zurück!)

über die quengelfreien Kassen ohne Süßigkeiten. Als der Eindruck entstand, wir wollten diese gebieten, war der Gegenwind aus der Bevölkerung sehr groß – übrigens zu Recht; denn auch hier wollen wir Wahlfreiheit. Deshalb plädieren wir für Familienkassen. Süßigkeiten gehören ohne Frage dazu, aber nicht als Lockmittel in jede Warteschlange; denn Kinder greifen zu, ohne nachzudenken. Hier wollen wir Eltern eine echte Alternative bieten, eine Alternative auf freiwilliger Basis.

Wir nehmen die Verbraucher ernst. Deshalb lehnen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion übrigens auch ein Mittel, das hier wiederholt angesprochen wurde, ab: die Ampelkennzeichnung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Karin Binder [DIE LINKE]: Ja, ja!)

Der Verbraucher ist nicht so dumm, wie Sie ihn immer darstellen. Dass die Ampelkennzeichnung, wie sie in England gelebt wird, am Ende ein Rohrkrepierer ist, zeigt die Tatsache, dass die Europäische Union inzwischen ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, und zwar aus zwei Gründen: Der eine Grund ist, dass dies ein Eingriff in den Binnenmarkt ist. Aber das viel wichtigere Argument ist – das ist der andere Grund für die Europäische Union –: Hier findet tatsächlich eine Täuschung des Verbrauchers statt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn am Ende ist auch das Olivenöl mit Rot gekennzeichnet, und der Verbraucher, der sich etwas Gutes tun will, greift dann vielleicht zu einem anderen Produkt. Oder aber es kommt zu einer anderen Täuschung, wie mir vor kurzem ein Kollege aus England bestätigte. Er sagte: Inzwischen ist es so, dass Lebensmittel mit der Kennzeichnung Rot bei unseren Verbrauchern als lecker gelten. – Das ist eine Fehlsteuerung. Da hilft nur Wissen, Wissen, Wissen, das wir deshalb in den Mittelpunkt unseres Antrags gestellt haben.

Wir haben mit dem Bild von Bruegel begonnen. Am Ende ist ein Schlaraffenland auch Synonym für Übermaß und Völlerei. Das Einzige, was an dieser Stelle hilft, ist, den Verbraucher ernst zu nehmen und ihn aufzufordern, ihn darin zu bestärken, sich zu bewegen und sich gesund zu ernähren. Das wollen wir mit diesem Antrag tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß das Wort.

(Karin Binder [DIE LINKE]: Erst noch eine Kurzintervention, bitte!)

Okay. Entschuldigung, das habe ich übersehen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5229068
Wahlperiode 18
Sitzung 109
Tagesordnungspunkt Gesunde Ernährung
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