11.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 109 / Tagesordnungspunkt 9

Bernd WestphalSPD - Rüstungsexportkontrolle

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Export von Sicherheits- und Rüstungsgütern bedeutet nicht gleich Krieg. Dieser Export geschieht in Deutschland nach klaren Regeln und hohen Maßstäben. Die Politischen Grundsätze – sie wurden ja eben schon genannt – beruhen auf dem Artikel 26 des Grundgesetzes. Das ist ja auch durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Weiterhin gelten das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Jede Exportanfrage wird im Einzelnen überprüft, abgewogen, und erst dann wird entschieden. Eine Genehmigung wird nur dann erteilt, wenn keine Menschenrechtsverletzungen stattfinden und nachgewiesen werden können. Sie wird auch nicht erteilt, wenn Krisen in Empfängerländern sich dementsprechend entwickeln.

(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Gerade für Staaten außerhalb der NATO und der EU sind die Regeln besonders streng; denn die Bundesregierung erteilt nur in Ausnahmefällen Genehmigungen für Rüstungsexporte an Drittstaaten

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:60 Prozent!)

und betreibt keine Exportpolitik nach wirtschaftlichem Interesse. Bei Entscheidungen über Exporte in sogenannte Drittstaaten sind die im Jahr 2000 beschlossenen Rüstungsexportrichtlinien immer noch Grundlage für das Handeln der Bundesregierung.

Frau Keul, ich sage Ihnen: Das hat sich bewährt.

Ebenso wurde in den Koalitionsverhandlungen ausdrücklich festgelegt, dass diese Politischen Grundsätze weiterhin verbindlich sind. Es gilt der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung bei der Anwendung der entsprechenden Regeln des Außenwirtschaftsgesetzes und des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Auf den Gemeinsamen Standpunkt der EU für Rüstungsexporte wird in den Politischen Grundsätzen ebenfalls Bezug genommen. Diese sind demensprechend gültig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grünen fordern in ihrem Antrag zudem, dass das Bundeskabinett in Zukunft alle sensiblen Entscheidungen trifft. Wir vertreten dagegen die Auffassung, dass im Bundessicherheitsrat sowieso alle für eine solche Entscheidung zuständigen Minister vertreten sind. Wofür bedarf es dann bei einer solchen Entscheidung des Gesamtkabinetts? Das ist kein effizientes Regierungshandeln, wenn am Kabinettstisch alle Minister solche Vorlagen behandeln. Was hat zum Beispiel der Landwirtschaftsminister damit zu tun?

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Eine Menge!)

Der Kern des Vorschlags der Grünen besteht in der Forderung nach einem Verbandsklagerecht. Falls dieses eingeführt würde, könnte es in vielen Fällen bei Entscheidungen über Rüstungsexporte zu langwierigen Gerichtsverfahren kommen. Dies wäre zum Beispiel auch bei Entscheidungen der Bündnispartner zur Unterstützung der kurdischen Regionalregierung ein Problem gewesen. Ohne die Waffenlieferungen an die Peschmerga würden wahrscheinlich die vom IS verfolgten Jesiden heute nicht mehr existieren, und das ist nicht unser Ziel.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/ CSU])

Die Bundesregierung hat sich für eine restriktive Politik bei Exporten von Rüstungsgütern ausgesprochen. Dies ist im Koalitionsvertrag fest verankert, und die Zahlen für das erste Halbjahr 2014 unterstreichen dies. Im Berichtszeitraum entfielen circa 60 Prozent – das entspricht einem Wert von 1,2 Milliarden Euro – der Genehmigungen allein auf U-Boote, Fregatten und Patrouillenboote. Ich kann nicht erkennen, dass diese Waffen dort eingesetzt werden können, um zum Beispiel die eigene Bevölkerung zu drangsalieren.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Fregatten sind Kriegsschiffe!)

Bei Exporten sind die legitimen Sicherheitsinteressen eines Empfängerlandes zu berücksichtigen. Boote werden unter anderem zum Schutz von Hoheitsgewässern auf internationalen Seewegen benötigt. Nicht jedes Rüstungsgut trägt automatisch zur Eskalation einer Situation bei oder ist eine potenzielle Bedrohung für die heimische Bevölkerung. Bei den Staaten in der Golfregion handelt es sich um souveräne Staaten mit eigenen außen- und sicherheitspolitischen Interessen. Diese Staaten nehmen ihre legitimen Aufgaben wahr, ihr eigenes Recht und ihr eigenes Land zu schützen, zum Beispiel gegen Terrorismus.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Westphal?

Ja, sicher.

Vielen lieben Dank, Herr Kollege Westphal, dass Sie die Frage zulassen. – Sie sprechen ja gerade von den legitimen außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Empfängerländer. Jetzt ist es ja so gewesen: Vor ein paar Jahren ist Saudi-Arabien mit Panzern in das Nachbarland Bahrain einmarschiert, um dort den friedlichen Aufstand im Rahmen des Arabischen Frühlings zu unterdrücken. Saudi-Arabien ist ja ein großer Empfänger von deutschen Rüstungsexporten. Halten Sie das für legitime außen- und sicherheitspolitische Interessen, die von deutscher Seite aus mit Rüstungsexporten unterstützt werden sollen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das sind nicht unbedingt Panzer. Man muss sich ganz genau angucken, welche Dinge dorthin geliefert werden. Es handelt sich auch um viele Dinge aus dem Sicherheitsbereich. Das kann zum Beispiel ein Zaun mit Sicherheitssystemen sein, der die Grenzen von Saudi- Arabien schützt, der auch unter den Export von Rüstungs- und Sicherheitsgütern fällt. Es ist sicherlich legitim, solche Dinge an dieses Land zu liefern.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Panzer!)

Im ersten Halbjahr 2014 wurden Einzelausfuhrgenehmigungen für Waren im Wert von 2,2 Milliarden Euro erteilt. Das ist immerhin ein Rückgang um 700 Millionen Euro. Rund zwei Drittel des Gesamtwertes betrafen Genehmigungen für Lieferungen an sogenannte Drittstaaten, vor allem an Israel, Singapur, Südkorea und Brunei. Allein auf die Genehmigung der Lieferung eines U-Bootes nach Israel entfällt zum Beispiel ein Wert von 600 Millionen Euro.

Bei den Exportgenehmigungen für Kleinwaffen und Kleinwaffenteilen an Drittländer ist eine erhebliche Abnahme von 18 Millionen Euro auf 1,4 Millionen Euro zu verzeichnen. Mit Ausnahme von Indonesien sank die Zahl der Genehmigungen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013. Der Wert der Genehmigungen war bei den eben genannten Ländern ebenfalls rückläufig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bezüglich der Forderung nach einer ausführlichen Unterrichtung des Parlaments wurden hier schon einige Dinge gesagt. Ich denke, es kommt dem Wunsch des Parlamentes entgegen, dass wir schon jetzt viele Berichte zeitnah bekommen. Der Rüstungsexportbericht wird zeitnah zweimal im Jahr veröffentlicht. Bisher vergingen bis zur Veröffentlichung bis zu eineinhalb Jahre.

Die Entscheidung des Bundessicherheitsrates muss innerhalb von zwei Wochen an den Wirtschaftsausschuss des Bundestages berichtet werden. Das ist bereits Praxis. Damit wurde die Geheimhaltungspraxis bei Exporten von deutschen Rüstungsgütern sowie bei Rüstungs- und Beschaffungsprojekten für die Bundeswehr beendet.

Deutschland verfolgt nicht das Ziel eines offensiven Verkaufs von Wehrtechnik. Rüstungs- und Verteidigungsgüter werden nicht eingesetzt, um weltweit Konflikte zu erzeugen oder anzuheizen.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt!)

Sie dienen dem Frieden und der Durchsetzung von Menschenrechten, der Sicherheit von Regionen und dem berechtigten Schutz von Menschen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Und sie helfen vor allem, geschützte Räume zum Beispiel für den Einsatz von Hilfskräften zu garantieren.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Saudi-Arabien!)

Das wird weiterhin im Fokus unserer Politik stehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Helmut Nowak von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5229226
Wahlperiode 18
Sitzung 109
Tagesordnungspunkt Rüstungsexportkontrolle
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