Ute Finckh-KrämerSPD - Rüstungsexportkontrolle
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Alle 14 Minuten stirbt auf der Welt ein Mensch durch eine Kugel aus einer Waffe von Heckler & Koch – das hat die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ ausgerechnet. Angesichts dessen, was über Jahrzehnte an deutschen Waffen in Umlauf gekommen ist, fürchte ich, dass sie recht hat.
Jürgen Grässlin schreibt in seinem Buch Schwarzbuch Waffenhandel, dass täglich im Durchschnitt etwa 2 000 Menschen auf der Welt durch Waffengewalt sterben, die meisten davon – rund 95 Prozent – durch Kleinwaffen. Deswegen ist nicht nur für die SPD, sondern auch für die Organisationen, die sich zu Recht und mit großem Engagement gegen Rüstungsexporte einsetzen, das Thema „Kleinwaffenproliferation und Kleinwaffenexporte“ seit Jahren das entscheidende.
An diesem Punkt ist in diesem Jahr tatsächlich etwas passiert: Einerseits gab es eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss, weil die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ eine Petition auf den Weg gebracht hatte, die 90 000 Unterschriften erhalten hat. Zu dieser Anhörung ist Sigmar Gabriel selber gekommen. Er hat ganz deutlich gesagt, dass aus seiner Sicht als Wirtschaftsminister – ich glaube, da hat er für die ganze SPD-Fraktion gesprochen – Waffenexporte kein Mittel der Industrieförderung sind, Rüstungsforschung auch kein Grund dafür ist, Waffenexporte zu genehmigen, sondern dass, wenn überhaupt, nur andere Kriterien – da hat er sich auf die Rüstungsexportrichtlinie bezogen – herangezogen werden dürfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vogler?
Ja, gerne.
Bitte schön, Frau Kollegin Vogler.
Liebe Kollegin Finckh-Krämer, vielen Dank, dass Sie meine Zwischenbemerkung zulassen. Ich freue mich, dass Sie so ausführlich über die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ und über die Aktivitäten zur Begrenzung von Kleinwaffenexporten sprechen. Ich würde einfach mal nachfragen wollen: Wie passt es, wenn die SPD hinter diesen Aktivitäten steht und auch der Wirtschaftsminister angeblich alles dafür tun will, dass der Handel mit Kleinwaffen nicht mehr Bestandteil der Wirtschaftspolitik ist, ins Bild, dass der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Uwe Beckmeyer im Februar dieses Jahres, und zwar unmittelbar nach dem Red Hand Day, an dem wir gegen den Einsatz von Kindersoldaten demonstriert haben, im Rahmen einer Reise nach Indien, einem Land, in dem Kinder für gewalttätige Auseinandersetzungen rekrutiert werden, eine umfangreiche Wirtschaftsdelegation zu Rüstungs- und Sicherheitstechnologien bei sich gehabt hat, in der unter anderem die Firma Heckler & Koch vertreten war? Die Kollegin Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries hat diesen Vorgang in der Fragestunde des Bundestages als Rüstungsförderung „by the way“ bezeichnet. Ist es so, dass die SPD – den Eindruck konnte man auch bei der Rede Ihres Kollegen aus dem Wirtschaftsbereich bekommen – es nach außen hin so darstellt, als ob sie Rüstungsexporte gar nicht so gut findet und wirklich etwas dagegen unternehmen und sie transparenter gestalten will, tatsächlich aber heimlich Wirtschaftsdelegationen zur Förderung des Kleinwaffenhandels in Ländern wie Indien begleitet, und das unmittelbar nach dem Red Hand Day?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Liebe Kathrin Vogler, das, was Uwe Beckmeyer als Parlamentarischer Staatssekretär macht, basiert nicht auf einem Beschluss der SPD-Fraktion. Insofern wäre ich froh, wenn diese Frage an ihn gerichtet würde und nicht an mich.
Was ich referieren kann – das kommt ebenfalls aus dem Wirtschaftsministerium, aber nicht von Uwe Beckmeyer –, sind die neuen „Grundsätze der Bundesregierung für die Ausfuhrgenehmigungspolitik bei der Lieferung von Kleinen und Leichten Waffen, dazugehöriger Munition und entsprechender Herstellungsausrüstung in Drittländer“ vom 18. März dieses Jahres. Darin sind einige der Forderungen aufgegriffen, die von Organisationen wie der „Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung“ oder von der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ geäußert worden sind – ich zitiere Punkt 6 –:
– so geht es weiter im Text –
– sie wird dazwischen geschildert –
Ein weiterer Punkt dieser Grundsätze, die übrigens im Internet auf der Seite des Wirtschaftsministeriums öffentlich zugänglich sind, ist der Punkt 9, bei dem es um die Kennzeichnung von Kleinen und Leichten Waffen geht, weil der Weiterverkauf bzw. die unkontrollierte Weitergabe eines der großen Probleme bei Kleinen und Leichten Waffen ist. Unter Punkt 9 heißt es:
Unter Punkt 10 heißt es schließlich – hoffentlich wird er sich in Zukunft hilfreich auswirken –:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul?
Ja.
Bitte schön. – Vielleicht darf ich vorher noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die Zwischenfragen oder Zwischenbemerkungen immer kurz und präzise sein sollten, damit eine ebenso kurze und präzise Antwort möglich ist.
Ich werde das berücksichtigen. – Frau Finckh- Krämer, Sie zitieren aus diesem glorreichen Papier. Ich möchte deshalb nachfragen, ob Sie mir einen Punkt nennen können, der in irgendeiner Weise neu ist. Alle diese Punkte, die Sie eben genannt haben – Punkt 6: „Neu für Alt“, Punkt 9: „sind zu kennzeichnen“, Punkt 10: „bekräftigen wir“ –, stehen seit Jahren wortwörtlich so in den Rüstungsexportberichten, einschließlich: „Wir werden keine Waffenlizenzen an Drittstaaten genehmigen“. – Das steht alles wortwörtlich seit Jahren in den Berichten. Wo in diesen Grundsätzen ist auch nur irgendein Komma neu?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Neu ist zumindest, dass es eine Absichtserklärung der Bundesregierung ist, die in der letzten Legislaturperiode vielleicht nicht ganz so – das hat die SPD in der Opposition zu Recht kritisiert – eingehalten wurde. Jetzt wird sie noch einmal in zehn knappen und präzisen Punkten festgelegt. Letztlich ist es – das kann man so formulieren – eine Bekräftigung, dass man die etwas lockerere Genehmigungspraxis der letzten Legislaturperiode nicht mehr haben möchte.
Bernd Westphal hat eben schon aus dem Zwischenbericht über die Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2014 zitiert, der im Herbst veröffentlicht wurde. Dort ist gegenübergestellt, wie viele Kleinwaffen im ersten Halbjahr 2013, also unter Schwarz-Gelb, in NATO- bzw. EU- Länder oder in Länder außerhalb der EU bzw. NATO und gleichgestellte Länder exportiert wurden. Hier sind die Zahlen drastisch zurückgegangen. Übrigens enthält dieser Bericht in der Anlage eine vollständige Liste über die „Genehmigungen von Kleinwaffen für Drittländer im ersten Halbjahr 2014 (endgültige Ausfuhren)“. Man kann also nachlesen, in welche Länder im ersten Halbjahr 2014 exportiert wurde.
Aus meiner persönlichen Sicht ist jede Kleinwaffe, die exportiert wird, eine zu viel. Andererseits haben etliche in diesem Haus – auch von Ihrer Partei, soweit ich weiß – diversen VN-Missionen zugestimmt. In Anlage 7 zu diesem Zwischenbericht sind auch einzelne Exporte in VN-Missionen aufgeführt. Das sollten Sie dann unter Umständen mal intern diskutieren.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen VN-Missionen haben wir überhaupt nichts! Damit haben wir kein Problem!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5229257 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Rüstungsexportkontrolle |