Peter BeyerCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch gar nicht lange her, Anfang dieses Monats, dass der Papst in Sarajevo war. Er hat von einer Atmosphäre des Kriegs gesprochen. Er hat dies auf die gesamte Weltlage bezogen, aber an diesem Ort, in Sarajevo, kann man dies durchaus auch als eine Mahnung verstehen angesichts der offenen und unterschwelligen Spannungen in der Region des westlichen Balkans.
Es ist kein Geheimnis, und wir haben es heute schon häufiger richtigerweise in der Debatte gehört, dass die KFOR-Mission und die Soldatinnen und Soldaten an der Grenze zwischen Kosovo und Serbien erforderlich sind. Sie sind erforderlich für die Sicherheit und die Stabilität. Die Sicherheit und die Stabilität, die die KFOR-Soldatinnen und -Soldaten dort bringen, ermöglichen erst die schwierigen Prozesse, die im Rahmen der Normalisierung des Verhältnisses zwischen Serbien und Kosovo in diesem Spannungsgebiet erforderlich sind. Für ihre wichtige Arbeit, die die Soldatinnen und Soldaten dort leisten, sage ich einen ausdrücklichen und herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gleichzeitig mahne ich aber auch an: Allzu häufig schauen wir nur „bei Gelegenheit“ auf den westlichen Balkan, zumeist dann, wenn einmal wieder etwas Schlechtes passiert, was uns mit Sorge umtreibt, beispielsweise die drohende massenhafte Auswanderung aus dem Kosovo, unter anderem nach Deutschland. Es ist für uns Zeit, zu erkennen, dass es mit dem bloßen bürokratischen Abarbeiten des Acquis communautaire schon lange nicht mehr alleine getan ist. Dass kein Missverständnis aufkommt: Ich bin schon davon überzeugt, dass es richtig war und nach wie vor richtig ist, eine Einzelbetrachtung bei der Heranführung an die Europäische Union sowie an europäische Standards und Strukturen vorzunehmen. Spätestens jedoch die gewaltsamen Aufstände in Mazedonien im letzten Monat, die heute schon mehrfach in der Debatte angesprochen wurden, sollten uns wachrütteln. Ich will mich nicht an Spekulationen darüber beteiligen, welche Hintergründe und Hintermänner bei den kämpferischen Aufständen in Mazedonien eine Rolle gespielt haben. Für mich steht jedenfalls fest, dass die Akteure eine Erosion der relativen Stabilität in der Region zum Ziel haben; das sollte uns mit Sorge erfüllen. Das ist eine gefährliche Situation.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
Die Europäische Union – ich meine ausdrücklich nicht die Bürokraten in Brüssel, sondern die politische Führung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten – muss erkennen und handeln. Es bedarf des Entwurfs eines in die Zukunft dieser europäischen Region gerichteten politischen, strategischen Regionalplans mit dem Ziel, dauerhaft Stabilität und Sicherheit in der Region zu etablieren.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang die Gelegenheit nutzen, die fünf EU-Mitgliedstaaten, die noch immer nicht das Kosovo als eigenständigen, souveränen Staat anerkannt haben, aufzurufen, das Versäumte nachzuholen. Durch die Nichtanerkennung wird nicht allein das Kosovo in seiner Entwicklung behindert, sondern auch andere Länder der Region. Ich halte das für die Europäische Union für einen untragbaren, ja beschämenden Zustand, der alsbald zu beenden ist.
(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] – Beifall bei der CDU/CSU)
– Ja, da kann man applaudieren. Vielen Dank, Frau Kollegin Beck, das finde ich sehr nett von Ihnen. Das gilt aber natürlich auch für die anderen.
Südosteuropa muss als Region wieder mehr in den Fokus unserer Politik gelangen und auf der politischen Prioritätenliste ein ganzes Stück weit nach oben rücken. Natürlich bin ich mir der Überlagerung durch andere Krisengebiete und andere politische Probleme auf der Welt bewusst. Aber es ist unsere Aufgabe, ein stärkeres öffentliches Bewusstsein zu schaffen und zu schärfen. Ich habe die Befürchtung, dass wir sonst zulassen, dass eine Krise mitten in Europa und sehr nahe an den Grenzen zu Deutschland entsteht. Die Folgen wären unabsehbar, und die Kosten – nicht nur finanzieller Art – wären erheblich.
Wir beobachten in letzter Zeit verstärkt etwas, das nicht neu ist, sondern – das weiß man, wenn man recherchiert und sich das noch einmal ins Gedächtnis ruft – seit Jahren vorhanden ist. In letzter Zeit rückt verstärkt ins Blickfeld, dass verschiedene Finanzierungsströme den Neubau von Moscheen in Bosnien-Herzegowina, aber auch in anderen Staaten der Region ermöglichen. Diese Geldströme kommen aus Saudi-Arabien, den Emiraten, dem Iran, dem Irak, auch aus der Türkei. Wir hören in letzter Zeit mehrfach davon, dass es Geldprämien dafür gibt, dass Frauen Kopftücher tragen und dass sich Männer lange Bärte wachsen lassen. Zudem gibt es Geld für den Besuch von Moscheen.
Radikale Islamisten des sogenannten „Islamischen Staats“ rekrutieren junge Muslime im Kosovo und in anderen Ländern der Region. In den letzten zwei Jahren kamen allein aus dem Kosovo über 200 Foreign Fighters. Das ist eine bedrohliche Situation. Die Versprechungen des „Islamischen Staats“ fallen auf den Nährboden von 70 Prozent Jugendarbeitslosigkeit im Kosovo. Es entsteht ein radikaler Islam in Europa. Wir, die Europäer, müssen uns angesichts dieser Entwicklung fragen, warum wir es eigentlich nicht schaffen, diesen jungen Frauen und Männern eine attraktive Perspektive in ihrem eigenen Land, eingebunden in euroatlantische Strukturen, anzubieten.
Damit komme ich zur Visaliberalisierung. Ich weiß, dass das in der Diskussion problematisch gesehen wird. Aber es handelt sich um eine Ungerechtigkeit. Das Kosovo ist das einzige Land in der Region, mit dem es noch keine Visafreiheit gibt. Ich werbe dafür, dass wir uns noch einmal damit befassen. Die Kriterien der Roadmap sind allesamt vom Kosovo erfüllt worden.
Abschließend will ich noch einen Gedanken in die Debatte einführen, den wir in der Westbalkan-Runde der Unionsfraktion in der letzten Zeit ventiliert haben. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, ob wir KFOR nicht in Strukturen regionaler Verantwortung weiterentwickeln sollen. Wir haben die Idee, ein regionales, NATO-geführtes Hauptquartier mit einer revolvierenden Kommandoführung zu etablieren. Das soll nichts anderes heißen, als dass die Länder der Region Stück für Stück zunehmend mehr eigene Verantwortung für die Sicherheit und Stabilität in der gesamten Region übernehmen. Ich denke, das ist eine Idee, die es wert ist, weiter diskutiert und verfolgt zu werden. Das muss unser Ziel sein.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5229457 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR) |