12.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 110 / Tagesordnungspunkt 24

Petra Pau - Speicherpflicht und -frist für Verkehrsdaten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch in der heutigen Debatte ist insbesondere von der Linken davon gesprochen worden, dass es bei uns Massenüberwachung, Massenspeicherung, Totalüberwachung geben soll.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Demnächst! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Hat niemand gesagt!)

Massenüberwachung, Massenspeicherung, Totalüberwachung – das gab es in totalitären Staaten, und das gibt es in totalitären Staaten.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Ach!)

Bei uns im demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland werden aber die Freiheit und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger nicht durch den Staat, nicht durch unsere Polizeibeamten bedroht, sondern die organisierte Kriminalität, diejenigen, die mit Kinderpornografie handeln, und der islamistische Terrorismus, sie alle bedienen sich insbesondere der sozialen Netzwerke und des Internets. Wir können doch nicht, wenn sie unsere Freiheit und unsere Sicherheit mit der Laserpistole bedrohen, unseren Ermittlungsbehörden und Polizistinnen und Polizisten sagen: Ihr dürft nur mit einer Gummischleuder und mit Pappknöllchen schießen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Sie schlagen die Artillerie vor!)

Das Ermittlungsinstrument, das heute vorgestellt wird, ist strafprozessrechtlich Schlüssellochchirurgie. Das ist polizeilich minimalinvasiv. Das ist ein außerordentlich maßvoller Vorschlag. Das bleibt weit hinter dem zurück, was der Europäische Gerichtshof und was das Bundesverfassungsgericht zugelassen haben. Das, was wir hier machen, ist sehr zurückhaltend – wir halten die verfassungsrechtlichen Grenzen strikt ein –, aber es ist im Interesse der Sicherheit und der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger zwingend notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen möchte ich ausdrücklich für diesen klugen, guten und maßvollen Gesetzentwurf den beiden Verfassungsministern, dem Bundesminister des Innern, Thomas de Maizière,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Spätestens jetzt müssten Sie nachdenken!)

und dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, Dank sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Um was geht es? Das kann man bei diesem Thema nicht oft genug sagen. Massenüberwachung, Totalüberwachung – zunächst einmal speichert der Staat überhaupt keine Daten. Richtig ist, dass die Telekommunikationsunternehmen schon heute Daten speichern; sie gehen aber völlig unterschiedlich vor. Das eine Unternehmen speichert sie gar nicht, ein anderes Unternehmen speichert sie eine Woche, ein weiteres Unternehmen speichert sie was weiß ich wie lange.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!)

Jetzt regeln wir das einheitlich. Alle Telekommunikationsunternehmen müssen die Daten nach vier Wochen bzw. nach zehn Wochen definitiv löschen. Wir regeln, dass die Daten nur in Deutschland gespeichert werden dürfen. Das ist ein Beitrag zu mehr Datensicherheit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?)

Zum Zweiten: Was für Daten werden gespeichert? Es werden keinerlei Inhalte gespeichert. Das ist im Übrigen auch ein Unterschied zu totalitären Staaten. Diese interessieren sich vor allem auch für Gesprächsinhalte. Hier geht es ausschließlich um Verbindungsdaten. Diese sollen gespeichert werden und werden im Übrigen bereits heute gespeichert. Nur regeln wir jetzt, dass sie nach bestimmten Fristen zu löschen sind.

Wann darf der Staat Zugriff auf diese Daten nehmen? Er darf das nur, wenn ein Staatsanwalt dies beantragt und ein Richter es genehmigt. Insofern, Herr Bundesjustizminister, haben wir nicht nur zwei, sondern sogar drei Schlüssel: Wir haben den Provider, den Staatsanwalt und den Richter, der unabhängig seine Genehmigung geben muss. Der Richter muss immer einverstanden sein. Es gibt kein staatsanwaltschaftliches Eilverfahren. Es ist auch nur möglich – das ist wichtig –, wenn es sich um bestimmte Straftaten handelt: um Mord oder Totschlag, um schwerste Straftaten aus dem Bereich der Sexualverbrechen, um organisierte Kriminalität. Weil es hier darum geht, die Freiheit und die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen und weil genau in diesen Kriminalitätsbereichen das Internet eine so große Rolle spielt, brauchen wir dieses Ermittlungsinstrument. Und deswegen ist dieser Gesetzentwurf auch so notwendig und so richtig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Koalition aus CDU/CSU und SPD handelt im Bereich der Innen- und Rechtspolitik. Wir haben gleich zu Beginn der Legislaturperiode etwa im Bereich der Kinderpornografie das materielle Strafrecht verschärft. Wir haben auf einen Gesetzentwurf des Bundesjustizministers hin die Bekämpfung terroristischer Organisationen im materiellen Strafrecht verbessert.

Uns haben dann unsere Polizistinnen und Polizisten und die Ermittlungsbehörden gesagt: Ja, es ist richtig, dass ihr das materielle Strafrecht im Bereich der Kinderpornografie verschärft habt, aber ihr müsst uns jetzt auch die Möglichkeiten geben, die Täter zu ermitteln. Beispielsweise brauchen wir mehr Polizistinnen und Polizisten. Insbesondere zur Ermittlung von Straftaten im Bereich der Kinderpornografie brauchen wir, weil dies oft der einzige Ermittlungsansatz ist, einen Zugriff auf die Verbindungsdaten.

Die Koalition hat im laufenden Haushalt für das Jahr 2015 eine zusätzliche dreistellige Anzahl von Personalstellen bei der Bundespolizei beschlossen. Wir schaffen mehr Personal für unsere Polizei, und wir statten sie mit einem zweistelligen Millionenbetrag auch technisch besser aus. Dabei bleibt es aber nicht, sondern wir nehmen das, was uns Polizistinnen und Polizisten und unsere Ermittler sagen, nämlich dass sie auch Ermittlungsinstrumente mit Blick auf die neuen Medien und das Internet brauchen, ernst. Deswegen bringen wir heute Gott sei Dank diesen Gesetzentwurf zur Verbindungsdatenspeicherung ein. Das ist richtig, das entspricht den sachlichen Erfordernissen, und das entspricht dem, was uns Ermittlungsbehörden und Polizistinnen und Polizisten seit Jahren sagen. Es ist verfassungsrechtlich ausgewogen, und es ist ein guter Vorschlag.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Artikel 6 der Europäischen Grundrechtecharta steht:

Dem fühlen wir uns in dieser Großen Koalition von CDU/CSU und SPD verpflichtet. Wir haben eine zunehmende Bedrohung der Freiheit und der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger im Bereich der organisierten Kriminalität bis hin zur bandenmäßig organisierten Einbruchskriminalität, in deren Zusammenhang diese Koalition im Übrigen auch handelt: Wir legen beispielsweise jetzt im präventiven Bereich ein Programm auf, um denen, die sich besser schützen wollen, zu helfen. All dies ist eine Gesamtschau, weil wir sehen, dass es diese Gefahrenlagen gibt: organisierte Kriminalität, die Perversen und die Händler im Bereich der Kinderpornografie, die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus.

Wir sind der Auffassung, dass es darum geht, unsere Bürgerinnen und Bürger davor zu schützen und ihnen Freiheit und Sicherheit zu geben. Wir sehen nicht die Bedrohung durch die Beamten in unseren Ermittlungsbehörden und durch unsere Polizistinnen und Polizisten, die ihre Arbeit machen, sondern es sind die Verbrecher und die Kriminellen, die die Freiheit und Sicherheit in diesem Land bedrohen, und denen sagen wir tatkräftig den Kampf an.

Ein entscheidendes Instrument in diesem Kampf gegen das Verbrechen sind die Verbindungsdaten; denn das Internet spielt eine immer größere Rolle für die Verbrecher und die Straftäter. Deswegen dürfen wir unsere Ermittler sowie unsere Polizistinnen und Polizisten nicht länger dumm und blind sein lassen, sondern wir müssen Möglichkeiten schaffen, dass sie auch in diesem Bereich sehen können.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Oh Mann!)

Im Sinne von Freiheit und Sicherheit in diesem Land ist somit der heutige Tag, an dem wir diesen Gesetzentwurf einbringen, ein außerordentlich guter Tag.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, genau!)

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Kollegin Katja Keul hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5233590
Wahlperiode 18
Sitzung 110
Tagesordnungspunkt Speicherpflicht und -frist für Verkehrsdaten
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