12.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 110 / Tagesordnungspunkt 24

Johannes FechnerSPD - Speicherpflicht und -frist für Verkehrsdaten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wenn wir Verbindungsdaten anlasslos speichern, dann ist das ohne Zweifel ein Grundrechtseingriff, den wir als Gesetzgeber gut begründen und rechtfertigen müssen. Ich meine, dass es vor allem zwei Aspekte sind, die es rechtfertigen, den vorliegenden Gesetzentwurf zu beschließen, zwei Aspekte, weshalb dieser Gesetzentwurf sinnvoll und erforderlich ist.

Erstens. Wir haben uns in vielen Gesprächen mit Praktikern, Richtern und Staatsanwälten – es waren keine Scharfmacher, sondern erfahrene und besonnene Richter und Staatsanwälte – davon überzeugt, dass es Beispielsfälle gibt, in denen dieses Instrument notwendig ist, weil damit Verbrechen aufgeklärt werden können, weil dadurch Täter ermittelt werden können und weil dadurch zukünftig Verbrechen verhindert werden können.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Welche?)

Zweitens bringt dieses Gesetz schlicht mehr Rechtssicherheit und Klarheit. Es wird klar geregelt, dass die Verkehrsdaten nur auf richterlichen Beschluss abgefragt werden können. Es wird klar geregelt, welche Daten gespeichert werden dürfen und welche nicht. Ausdrücklich wird es keine Verpflichtung geben, Kommunikationsinhalte, etwa Inhalte von E-Mails, zu speichern. Das ist absolut tabu – ein ganz wichtiger Punkt für uns. Und: Die Abfrage von Verkehrsdaten ist nur noch bei schweren Straftaten möglich, und das nur – ich erwähnte es – auf richterlichen Beschluss, ohne Eilkompetenz für die Staatsanwaltschaft oder gar für Polizeibehörden.

Wichtig ist auch, dass die Standortdaten von Funkzellen nur vier Wochen und alle anderen Verkehrsdaten nur zehn Wochen gespeichert werden dürfen. In Frankreich gibt es Überlegungen, auch die Inhalte der Daten zu speichern, und das wesentlich länger. Ganz zu schweigen davon, dass es Internetdienstleister gibt, die E-Mails auswerten und lesen. Und: Nach vier Wochen ist auf die etwaig geschäftsmäßig gespeicherten Standortdaten kein Zugriff der Sicherheitsbehörden mehr möglich; denn wir als SPD wollen nicht, dass es möglich wird, Bewegungsprofile über Monate zu erstellen.

Wir haben es also im europäischen Vergleich mit einem äußerst restriktiv gestalteten Instrument zu tun.

Wir sorgen für bessere Datensicherheit. Wir regeln die gesetzliche Verpflichtung, dass Betroffene, deren Daten abgefragt werden, darüber informiert werden müssen, dass Daten abgefragt wurden. Es gibt eine klare Verpflichtung, die Daten zu löschen. Wenn ein Unternehmen das widerrechtlich nicht tut, erhält es ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500 000 Euro. Ein ganz wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass die Speicherung in Deutschland stattfindet, nicht etwa in den USA oder an anderen Orten, wo wir keine Kontrolle über die Daten haben.

Ganz neu ist der Straftatbestand der Datenhehlerei. Wer also heimlich etwa Daten weiterverkauft, macht sich strafbar. Wichtig ist dabei, dass wir, Frau Kollegin Keul, das Gesetz extra so gestaltet haben, dass weder Journalisten noch Whistleblower befürchten müssen, sich strafbar zu machen.

(Beifall der Abg. Gabriele Fograscher [SPD] – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wenn gesagt wird, dass sich zahlreiche Verbände gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen haben, dann muss auch gesagt werden – auch das gehört zur Wahrheit –, dass dieser Gesetzentwurf manchen Verbänden nicht weit genug geht,

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Deutscher Richterbund!)

etwa dem Richterbund. Ich möchte auch ausdrücklich darauf verweisen, dass es Verbände gibt, die sich mit unserem Vorschlag einverstanden erklären. Stellvertretend möchte ich den Deutschen Kinderschutzbund nennen, der sich ausdrücklich für dieses Instrument ausspricht.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört! Was meinen die Grünen dazu?)

Da sehen Sie: Einigen Verbänden geht es nicht weit genug, andere sagen: „Macht das so!“ Also scheinen wir doch einen sehr guten Kompromiss gefunden zu haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Noch ein Wort zu den Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, über die in dieser Woche diskutiert wurde. Mit solchen Gutachten muss man ja immer sehr sorgfältig umgehen.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr! – Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist wahr!)

Das eine Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die anlasslose Speicherung rechtlich nach dem Urteil des EuGH nicht unmöglich ist;

(Dr. Eva Högl [SPD]: Genau!)

das steht explizit so drin. Das andere Gutachten besagt auch nicht, dass der Gesetzentwurf verfassungswidrig ist; vielmehr wird eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wie bestimmte Regelungen noch klarer gefasst werden können. Die Gutachten enthalten also interessante und durchaus prüfenswerte Verbesserungsvorschläge, aber keine K.-o.-Kriterien, die diesen Entwurf verfassungswidrig erscheinen ließen.

Es ist gut, dass wir durch das eingeleitete Notifizierungsverfahren bis September dieses Jahres Zeit haben, alle Anregungen zu prüfen. Wenn es vernünftige Verbesserungsvorschläge gibt – ob vom Wissenschaftlichen Dienst, von Parteikonventen oder aus der Netzcommunity –, dann sollten wir sie uns durchaus anschauen.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Aber nur anschauen, nicht anfassen!)

Mir ist wichtig, dass diese Diskussion sachlich verläuft. Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten. Nicht jeder Gegner der Vorratsdatenspeicherung ist gleich ein Staatsfeind oder verharmlost Kinderpornografie. Andererseits sollte man den Befürwortern nicht gleich unterstellen, dass sie das Ende der modernen digitalen Gesellschaft einleiten wollen.

Zum Schluss will ich deshalb sagen, dass mit diesem Gesetz in der öffentlichen Debatte für meinen Geschmack einerseits zu viele Befürchtungen, andererseits aber auch zu viele Hoffnungen verbunden werden. Was regelt dieses Gesetz denn tatsächlich neu? Was machen wir denn in der Sache neu? Wir schaffen – in Anführungszeichen – „nur“ die Möglichkeit, dass alle Unternehmen verpflichtet werden, ihre zu Abrechnungszwecken heute sowieso schon gespeicherten Verkehrsdaten einheitlich zehn Wochen bzw. bei Funkzellendaten vier Wochen zur Verfügung zu halten, damit diese Daten, und auch nur bei schweren Straftaten, abgefragt werden können. Nicht mehr und nicht weniger regeln wir.

Für mich ist dieser Gesetzentwurf deshalb ein Baustein für mehr Sicherheit, möglicherweise kein Allheilmittel. Damit verbunden ist zugegebenermaßen ein Grundrechtseingriff, aber kein ungerechtfertigter. Und er läutet bestimmt nicht das Ende der modernen digitalen Gesellschaft ein. Dieser sehr restriktive Gesetzentwurf ist ein gelungener Interessenausgleich zwischen der Sicherung der bürgerlichen Freiheiten einerseits und dem berechtigten Anliegen der Bevölkerung auf eine effektive Kriminalitätsbekämpfung andererseits.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5233597
Wahlperiode 18
Sitzung 110
Tagesordnungspunkt Speicherpflicht und -frist für Verkehrsdaten
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