Klaus ErnstDIE LINKE - Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dank der Linken haben Sie wieder einmal die Möglichkeit, tatsächlich die Interessen der Bürger aufzugreifen: Sie brauchen sich nur mit dem von uns vorgelegten Antrag gegen die privaten Schiedsgerichte auszusprechen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Peter Beyer [CDU/CSU]: Die heute-show kommt doch erst heute Abend! – Gegenruf der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/ CSU]: Die hat Sommerpause!)
Das ist dringend notwendig, weil Sie bisher jede Klarheit in dieser Frage vermissen lassen. Das gilt auch ausdrücklich – leider, sage ich – für die Sozialdemokratische Partei.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, was haben wir diese Woche für ein Drama erlebt in Brüssel: Da wurde ein Antrag vorgelegt, der vorher im Wirtschaftsausschuss ausgemauschelt worden war. In diesem Antrag war plötzlich eine Befürwortung privater Schiedsgerichte enthalten. Es zeichnete sich ab, dass eine Mehrheit dagegen stimmen würde, und, schwups, wurde das mit zwei Stimmen Unterschied von der Tagesordnung gekegelt.
Meine Damen und Herren, was ist das für ein Demokratieverständnis? Sie hätten die Möglichkeit gehabt, im Europäischen Parlament ein Zeichen zu setzen und die Kritik der Bürger daran, dass künftig private Schiedsgerichte darüber entscheiden sollen, wie viel Staaten zahlen müssen, wenn sich ein Unternehmer seiner Gewinne beraubt sieht, aufzunehmen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, Klarheit zu schaffen. Sie haben sie nicht genutzt. Das ist traurig, meine Damen und Herren, äußerst traurig.
(Beifall bei der LINKEN)
Momentan – ich sage Ihnen das ganz deutlich – ist das Hamburger Hafenwasser klarer als Ihre Position in dieser Frage.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Oh!)
Es wird Zeit, dass Sie endlich Ihre Positionen bestimmen und sagen, wo Sie hinwollen. Da sagt Herr Gabriel in der Erklärung, die er gemeinsam mit dem DGB herausgegeben hat:
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Jetzt legt er selbst einen Vorschlag vor für, ich sage einmal, ein Abkommen über besondere Investitionsschutzvorschriften. Auch wenn Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten jetzt vor einem internationalen Handelsgerichtshof geklärt werden sollen, bleibt es dabei: Es sind Sonderrechte für die Unternehmen, die zwar immer die Staaten verklagen können, wo aber nie ein Bürger die Unternehmen verklagen kann, wenn sie Umweltschutzvorschriften nicht einhalten, wenn sie Arbeitsschutzvorschriften nicht einhalten. Es geht also nur um Sonderrechte für die Unternehmen. Das gilt auch im Falle eines internationalen Handelsgerichtshofs. Was Sie hier machen, meine Damen und Herren, ist, dass Sie eine Nebelkerze werfen, und nichts anderes.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe zur Kenntnis nehmen müssen, reich und hysterisch seien die Deutschen, weil sie sich gegen TTIP aussprechen – das ist ja lustig! Und dann sagt Herr Gabriel:
Wo ist Ihre Haltung? Mein Gott, da kennt sich doch keiner mehr aus, was die Sozialdemokratie eigentlich will. Sie haben heute die Möglichkeit, Klarheit herzustellen.
Jetzt sage ich Ihnen noch eines, meine Damen und Herren: Die Frage ist, ob wir in Europa wirklich ganz allein sind mit dieser Haltung. Wie sieht es in Europa aus? 2 Millionen Unterschriften hat eine selbstorganisierte Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA, die Handelsabkommen mit den USA bzw. Kanada, gesammelt. In Deutschland ist fünfzehnmal so viel zusammengekommen, wie nach dem Quorum der Europäischen Union notwendig gewesen wäre. Welche Länder haben sich inzwischen ebenfalls an dieser Abstimmung beteiligt und das Quorum erfüllt? Österreich, Belgien, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Spanien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Schweden. Es wäre an der Zeit, dass sich die Sozialdemokratie Deutschlands an die Spitze dieser Bewegung stellt und nicht außen vor bleibt
(Dr. Eva Högl [SPD]: Gar nicht!)
und herumeiert in dieser Frage; das wäre dringend notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe auch noch Slowenien vergessen, um das deutlich zu sagen. So, es sind 14 Länder. Offiziell nötig wären nur 7, um eine entsprechende Europäische Bürgerinitiative zum Erfolg zu bringen.
Meine Damen und Herren, Investor-Staat-Klagemöglichkeiten sind eine Gefahr für die demokratischen Strukturen. Das wissen Sie; deshalb gibt es bei den Sozialdemokraten Gott sei Dank auch erheblichen Widerstand dagegen. Staaten können in Millionenhöhe, nein, in Milliardenhöhe verklagt werden – wie die Bundesrepublik Deutschland derzeit von Vattenfall verklagt wird vor einem internationalen Schiedsgericht. Meine Damen und Herren, ausländische Investoren werden bessergestellt als einheimische. Das Klagerecht bekommen nur internationale Konzerne, aber nie die Bürger.
Jetzt schlägt Herr Gabriel einen staatlich organisierten internationalen Gerichtshof vor. Meine Damen und Herren, das ändert aber nichts an dem Punkt, und das wissen Sie auch genau. Frau Malmström hat Ihnen gesagt, dass es kurzfristig schlichtweg nicht möglich ist, einen solchen Gerichtshof zu installieren. In CETA, in dem Abkommen mit Kanada, ist es nun eindeutig so, dass diese Schiedsgerichte vereinbart sind, und zwar die alten, nicht die nach dem Vorschlag von Gabriel.
Wenn Sie also wenigstens den Vorschlag Ihres eigenen Parteivorsitzenden ernst nehmen würden, dann müssten Sie aus diesem Grunde CETA ablehnen, weil Sie diese Dinge sonst automatisch auch bei TTIP nicht mehr loswerden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber auch das tun Sie nicht, sondern Sie eiern herum. Wer an einen solchen Gerichtshof glaubt, der glaubt auch, dass der Storch die Kinder bringt. Ich glaube, dem einen oder anderen ist aus der Realität etwas anderes bekannt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihren eigenen Vorschlag ernst nehmen würden, müssten Sie handeln und Klarheit herstellen. Es bleibt auch nach Ihrem Vorschlag bei einer Paralleljustiz, obwohl es keinerlei empirischen Nachweis für die Notwendigkeit von Investitionsschutzabkommen gibt. Es gäbe außerdem weiterhin Privilegien für internationale Konzerne.
Wir brauchen tatsächlich einen internationalen Gerichtshof. Es muss gewährleistet sein, dass die Bürgerinnen und Bürger und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlang der internationalen Handelskette die Möglichkeit haben, vor Gerichten zu klagen, wenn in den Ländern, in denen internationale Konzerne tätig sind, Menschenrechte nicht beachtet werden. Wenn, wie in Bangladesch, Frauen in Fabriken verbrennen, weil die Läden zugesperrt wurden, aber keine juristischen Konsequenzen daraus gezogen werden, könnte es tatsächlich sinnvoll sein, derartige internationale Gerichte zu schaffen. Das machen Sie aber nicht.
Deshalb bleibe ich dabei: Nutzen Sie Ihre Chance, diese Schiedsgerichte heute durch Zustimmung zu unserem Antrag abzulehnen. Die Bürgerinnen und Bürger Europas würden es Ihnen danken. 40 000 Menschen haben in München – allein in München – gegen die internationalen Schiedsgerichtshöfe und TTIP demonstriert. Wenn Sie einmal etwas Vernünftiges machen wollen, schließen Sie sich dem Widerstand der Bürger an.
Danke fürs Zuhören.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Kollege Andreas Lämmel hat für die CDU/CSU- Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5233685 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 110 |
Tagesordnungspunkt | Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen |