12.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 110 / Tagesordnungspunkt 25

Heribert HirteCDU/CSU - Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wie immer bei Anträgen von den Linken: sehr laut und nicht lustig. Lustig war es bei der SPD; das muss man eingangs wirklich einmal sagen.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was war denn da lustig?)

Schauen wir uns den Antrag jetzt doch einmal genau an. Sie schreiben darin, dass Sie keine Paralleljustiz wollen. – Sie haben es noch nicht verstanden. Es geht hier um Abkommen zwischen Staaten, und zwischen Staaten gibt es überhaupt kein staatliches Justizsystem.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Den Europäischen Gerichtshof!)

Das wollen wir mit dem Handelsgerichtshof schaffen; dies wurde unter anderem von Sigmar Gabriel vorgeschlagen. Im Augenblick ist von Paralleljustiz gar keine Rede. Erster Fehler in Ihrem Antrag.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das sagt doch die SPD selber! Das sagt die SPD!)

– Sie sollten ein bisschen Redezeit beantragen. Aber Sie haben ja schon x-mal zu diesem Thema gesprochen. Wir kennen das alles. Das ist wirklich langweilig.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir beantragen beim nächsten Mal eine Aktuelle Stunde!)

Gehen wir es weiter durch. Zweiter Fehler: Sie reden von internationalen Konzernen und davon, dass das alles diesen Konzernen nutzen soll. Nein, die internationalen Konzerne brauchen keine Freihandelsabkommen, die können sich selber helfen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ganz genau!)

Wir wollen den deutschen, den tschechischen, den niederländischen, den französischen

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dem Bäcker aus Gütersloh! Dem nutzt das!)

und umgekehrt auch den amerikanischen Unternehmen helfen, damit sie auf der anderen Seite des Atlantiks Geschäfte machen können. Das ist unser Anliegen, und das konterkarieren Sie. Damit handeln Sie gegen die Interessen der Arbeitnehmer.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Es geht nicht um Konzerne, sondern es geht um normale Unternehmen, ganz normale kleine und mittelständische Unternehmen,

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

die nach dem augenblicklichen Stand nicht nach Amerika exportieren können. Diesen Unternehmen wollen wir die Chance geben, es den Großen gleichzutun. Sie reden nur von den Großen. Wir reden von den kleinen und den mittelständischen Unternehmen. Das ist die Wahrheit. Das sollten Sie einmal begreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weiter heißt es hier, dass Sie gegen Sonderklagerechte sind, die Investoren ein exklusives Recht einräumen. Das ist doch auch falsch. Es geht um Abkommen zwischen Staaten. Da klagen normalerweise die Staaten. Der normale Weg wäre, dass ein Mensch aus dem einen Staat sagt: Ich möchte von meinem Staat, dass er gegen den anderen Staat vorgeht.

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Wenn wir ihm das erleichtern, ist das gelebte Subsidiarität. Es geht darum, dass die Unternehmen des einen Staates unmittelbar in dem anderen Staat klagen können. Ich würde mir wünschen, wir hätten eine solche Regelung auch bei Doppelbesteuerungsabkommen, sodass die Kläger ihre Rechte unmittelbar gegenüber den Begünstigten geltend machen können.

Herr Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh nein!)

Schon wieder? Vielleicht in ein paar Minuten; es könnte sein, dass sich die Frage dann schon erledigt hat.

In ein paar Minuten haben Sie keine Redezeit mehr. Dann geht es nicht mehr. Sie sagen also Nein? – Bitte schön.

(Zuruf von der CDU/CSU: Danke, Heribert!)

Das bedeutet doch, dass es um eines geht: Irreführung, Fehlangaben, Fehldarstellungen. Das verbreiten Sie hier. Dem sitzen leider viele Leute in unserem Land auf. Das bedeutet: Wir müssen die Dinge richtigstellen. Daran arbeiten wir. Ich finde es bedauerlich, dass sich der Deutsche Gewerkschaftsbund jetzt auch in die Liste der TTIP-Gegner eingereiht hat.

(Beifall des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

Wissen Sie, der DGB hatte vorher Zeit; denn bei der Europäischen Kommission gab es eine Anhörung. Dort hat sich der DGB nicht geäußert. Der Vertreter des DGB, mit dem ich ein paar Mal auf dem Podium zusammensaß, hat gesagt: Wir fanden es nicht wichtig. – Interessant, jetzt, wo Sie laut schreien, findet er das wichtig.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Weil sie sich damit beschäftigt haben!)

Das ist kein sachliches Argument. Aber sachliche Argumente liegen Ihnen ja sowieso nicht besonders.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie schreiben weiter in Ihrem Antrag: Wir wollen hohe Schadenersatzforderungen ausschließen. Haben Sie eigentlich einmal darüber nachgedacht, was die Alternative im staatlichen Rechtssystem ist? Gerade im Fall Vattenfall wird ja auch vorm Bundesverfassungsgericht geklagt. Das Bundesverfassungsgericht kann die Gesetze für unwirksam erklären. Das geht also viel weiter als das, was Sie hier für schrecklich halten. Auch das müssen Sie den Bürgern sagen. Auch hier Irreführung und Nebelkerzen, und zwar genau die Nebelkerzen, von denen Sie eben gesprochen haben.

Zu Schadenersatzforderungen – ich zitiere weiter aus Ihrem Antrag –:

Ehrlich gesagt, wenn es stimmt, dass ein Staat nicht verklagt werden darf, dann darf staatliches Unrecht nicht überprüft werden. Das scheint aber Ihre eigentliche Denke zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN)

Da muss ich sagen: Sie haben mit dem Rechtsstaatsverständnis Probleme. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Das wundert Sie wahrscheinlich sowieso nicht.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wir sind hier nicht im Ohnsorg-Theater!)

Jetzt sollten wir über die Frage nachdenken: Was sind die Alternativen? Ich bin den Grünen ausdrücklich dankbar, die gesagt haben, dass wir natürlich über diese Frage nachdenken können. Wir haben das getan, und wir haben hier bisher nicht nur einen Antrag zu diesem Thema beraten. Wir wissen, dass es bei Schiedsverfahren manche Dinge gibt, die nicht so laufen, wie man es sich wünscht. Das hängt nicht damit zusammen, dass es irgendwelche anonymen großen Industrien gibt, die das so durchgesetzt haben, sondern es hängt schlicht damit zusammen, dass wir Hunderte von Schiedsverfahren in der Welt haben, bei denen man über diese Frage nicht nachgedacht hat. Ich bin Ihnen dankbar, dass wir das jetzt diskutieren können. Das ist schon eine gute Sache. Aber die Frage ist: In welche Richtung diskutieren wir? Ich möchte das wiederholen, was ich zu diesem Punkt schon mehrfach gesagt habe: Ich halte es für richtig, über ein stehendes internationales Gericht nachzudenken, in dem Profis in dieser Sache entscheiden. Das sind die Vorschläge, die jetzt von Gabriel und Malmström ins Gespräch gebracht wurden.

Ich habe hier gesagt: Wir können als Deutscher Bundestag bei vorhandenen Freihandelsabkommen autonom daran arbeiten, die Auswahlentscheidung in unsere Hände zu nehmen. Wir haben die Entscheidungsbefugnis über die Auswahl der Richter am Europäischen Gerichtshof auch vom Wirtschaftsministerium auf uns übertragen. Das könnten wir bei Schiedsgerichtsinstitutionen genauso machen, und auf europäischer Ebene könnte dies das Europäische Parlament machen. Lassen Sie uns doch über solche Vorschläge reden. Sie sind seit längerem in der Welt. Das war wohl auch einer der Gründe dafür, warum das Wirtschaftsministerium und die Europäische Kommission über Alternativen nachdenken.

Lassen Sie uns über die Frage reden, wie sich nationaler und internationaler Rechtsweg – jedoch nicht zwingend Schiedsrechtsweg – zueinander verhalten, dass man sich die Wege nicht aussuchen kann, sondern die sogenannte „fork in the road“ hat, nämlich dass man nur eine Klage erheben und nicht zwischen den Rechtswegen hin und her wechseln kann.

Wir können gern über eine Berufungsinstanz reden, aber ich sage auch: Das Bundesverfassungsgericht fordert keine Berufungsinstanz. Wir sind an anderer Stelle durchaus auf der Linie, dass wir sagen: Verfahren sollen nicht unnötig verlängert werden. Es gilt, das gegeneinander abzuwägen.

Schließlich: Es ist richtig, Schiedsverfahren erfolgen sozusagen auf der Basis von Stundenhonoraren. Das heißt, sie sind für große Unternehmen relativ billig und für kleine Unternehmen relativ teuer. Da haben Sie den Vorsitzenden des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft in der Tat richtig zitiert. Aber deshalb wollen wir daran arbeiten, solche Verfahren auch für die Unternehmen zugänglich zu machen, die nach dem bisherigen System keinen Zugang dazu haben. Das bedeutet: Wir wollen TTIP auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen; denn transatlantischer Handel ist gut für die Bürger in Europa und auch für die Bürger auf der anderen Seite des Atlantiks.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Klaus Ernst.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5233926
Wahlperiode 18
Sitzung 110
Tagesordnungspunkt Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen
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