Nina WarkenCDU/CSU - Seenotrettung und EU-Asylpolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder bestimmen die dramatischen Ereignisse, die sich im Mittelmeer abspielen, die Schlagzeilen unserer Nachrichten. Der traurige Höhepunkt in diesem Jahr ereignete sich am 19. April. Ein völlig überladenes Schlepperboot mit Flüchtlingen an Bord kenterte auf seinem Weg von Libyen nach Italien. Nach Schätzungen sind dabei über 800 Menschen ums Leben gekommen, auch weil sie unter Deck zusammengepfercht waren. Nur 28 Menschenleben konnten gerettet werden.
Katastrophen wie diese machen uns alle tief betroffen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, von dem Unglück ging auch ein Signal aus: Europa war bereit, sofort und entschlossen zu handeln. Auf dem EU-Sondergipfel am 24. April dieses Jahres wurden als Sofortmaßnahme die Mittel für die Seenotrettung im Mittelmeer deutlich aufgestockt und ausgeweitet. Auch Deutschland stellte sich seiner Verantwortung und hat umgehend Schiffe der Bundeswehr ins Mittelmeer entsandt. Letzten Samstag wurden bei einer Rettungsaktion von deutschen Schiffen rund 1 400 Menschen aufgenommen und versorgt. Inzwischen sind es insgesamt über 3 000 Flüchtlinge, die die Bundesmarine aus Seenot gerettet hat. Für ihren unermüdlichen Einsatz möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten danken. Sie werden weiterhin im Mittelmeer Präsenz zeigen und unter psychisch wie physisch schwersten Bedingungen dort Leben retten. Wir schulden ihnen allen unseren Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, Europa hat gemeinsam reagiert und seine Präsenz im Mittelmeer verstärkt, um Flüchtlinge zu retten. Dennoch sollte uns eines bewusst bleiben: Alleine mit der Ausweitung von Seenotrettungsmaßnahmen werden wir die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer nicht lösen. Stattdessen gilt: Nur wenn es uns gelingt, die Ursachen der Flüchtlingskatastrophen zu beseitigen und den Menschen in ihrer Heimat eine echte Perspektive zu geben, werden wir die Probleme nachhaltig lösen. Auf dieses Ziel arbeiten wir hin.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Die Europäische Kommission hat mit der Migrationsagenda und ihren Umsetzungsvorschlägen einen Ansatz entwickelt, der sowohl kurzfristige als auch langfristige Maßnahmen enthält. Ein solches aufeinander abgestimmtes Vorgehen ist der einzig richtige Weg. An erster Stelle steht hier die noch konsequentere Bekämpfung der Schleuserbanden, auch wenn Teile von Ihnen das nicht einsehen. In allen Mitgliedstaaten sollen Ermittlungsstellen eingerichtet werden, um die Boote aus dem Verkehr zu ziehen und das Vermögen der Schleuser zu beschlagnahmen. Den Kriminellen muss endlich das Handwerk gelegt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Lösung der Flüchtlingsproblematik gehört in meinen Augen auch, dass wir legale Wege nach Europa schaffen.
(Beifall der Abg. Burkhard Lischka [SPD] und Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Im Gegensatz zu den Grünen bin ich aber der Auffassung, dass humanitäre Visa nicht der richtige Ansatz sind. Auch die Forderung der Linken nach einer visumfreien Einreise für Flüchtlinge wäre keine Lösung. Erstens sind es nicht nur Schutzsuchende, die nach Europa kommen wollen. Ein großer Teil sucht nach Arbeit. Dafür brauchen wir andere Instrumente wie zum Beispiel Programme zur Anwerbung von Arbeitskräften in Afrika. Zweitens würde man durch die visafreie Einreise die Sogwirkung, die Europa auf die afrikanischen Staaten ohnehin erzeugt, vervielfachen und damit dafür sorgen, dass viele dieser Länder förmlich ausbluten würden. Für die Entwicklung eines ganzen Kontinents wäre das eine Katastrophe.
Meine Damen und Herren, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Wir können nicht alle, die in Afrika auf der Flucht sind, zu uns holen. Deshalb halte ich die geplante Schaffung von Migrationszentren in den Herkunfts- und Transitländern für zweckmäßiger und vielversprechender. Schutzbedürftige würden dort eine Anlaufstelle finden und könnten im Rahmen von Aufnahmekontingenten der Mitgliedstaaten nach Europa gebracht werden.
Gleichzeitig bietet es sich an, in den Aufnahmezentren auch über legale Zuwanderungswege nach Europa und über ernsthafte und glaubhafte Alternativen im Heimatland zu informieren. Bis zum Jahresende soll im afrikanischen Niger ein solches Aufnahmezentrum als Pilotprojekt eingerichtet werden. Ich glaube, in diesem Ansatz liegt viel Potenzial.
Die Vorschläge der EU-Kommission gehen insgesamt in die richtige Richtung. Es soll erstmals ein europäisches Aufnahmeprogramm geben, wodurch 20 000 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge nach Europa gebracht und auf die Mitgliedstaaten verteilt werden.
Auch der zeitlich befristete Notfallmechanismus zur Umsiedlung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland ist richtig. Da zurzeit die Lage auf den griechischen Inseln immer kritischer wird, hat sich der Frontex-Direktor bei der Europäischen Kommission dafür eingesetzt, dass Griechenland umgehend zusätzliche Gelder für die Flüchtlingsaufnahme bekommt. Teams von Frontex und dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen werden Italien und Griechenland künftig bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützen. Europa zeigt dadurch Handlungsfähigkeit, Solidarität und Verantwortung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Tosender Beifall!)
Der langfristige Schlüssel zum Erfolg liegt aber in der Beseitigung der Fluchtursachen. Die Menschen brauchen in ihrer Heimat eine echte Zukunftsperspektive. Hier muss Europa gemeinsam weiter nachfassen.
Wir brauchen ein langfristiges und nachhaltiges Entwicklungskonzept für die betroffenen afrikanischen Staaten. Es muss – um den Bundesentwicklungsminister zu zitieren – zum Kerngeschäft europäischer Entwicklungszusammenarbeit werden, den Menschen vor Ort zu helfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, Deutschland und die EU sind fest entschlossen, zu verhindern, dass Menschen weiterhin auf der Flucht ihr Leben riskieren müssen. Auch wenn wir bei der Beseitigung der Fluchtursachen einen langen Atem brauchen werden, bin ich mir sicher, dass wir diese Aufgabe gemeinsam mit unseren europäischen Partnern erfolgreich bewältigen werden. Stellen wir uns gemeinsam dieser Verantwortung!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Lars Castellucci, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5234347 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 110 |
Tagesordnungspunkt | Seenotrettung und EU-Asylpolitik |