Andrea LindholzCDU/CSU - Seenotrettung und EU-Asylpolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Anlass dieser Debatte berührt uns alle, und das Kernanliegen der beiden Anträge halte ich auch für berechtigt.
Natürlich darf Europa nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken. Europa sieht auch nicht tatenlos zu. Europäische Marinesoldaten überwachen in diesem Moment ein gewaltiges Gebiet vor der nordafrikanischen Küste und haben schon Tausende Menschenleben gerettet. Ihr Einsatz verdient unsere höchste Anerkennung.
Genauso müssen wir auch den Besatzungen der Handelsschiffe und den europäischen Grenzschutzbeamten danken, die im Rahmen der Frontex-Operation Triton ebenfalls viele Tausend Migranten aus Seenot gerettet haben. Das zeigt auch, wie ernst Europa seine humanitäre Verpflichtung gegenüber den Bootsflüchtlingen nimmt, auch wenn es nie genug sein kann. Trotzdem halte ich die meisten Forderungen in den Anträgen für überholt und teilweise auch für nicht zu Ende gedacht.
Fangen wir mit dem Antrag der Grünen an. Sie fordern eine Rettungsmission auf dem Niveau der alten italienischen Mission Mare Nostrum. Mit der Rettungsmission Mare Sicuro der italienischen Marine gibt es das längst. Im Gegensatz zu Mare Nostrum wird diese Mission auf bilateraler Ebene von zwei deutschen Marineschiffen, einem irischen und einem britischen Marineschiff unterstützt. Die Mittel für Frontex wurden verdreifacht, und das Einsatzgebiet der Operation Triton wurde stark ausgeweitet. Frontex überwacht jetzt nicht nur in Küstennähe, sondern ein Gebiet, das 250 Kilometer auf das offene Meer reicht.
Auch Ihre Forderung, die Bundesregierung sollte noch mehr Aufnahmeplätze für schutzbedürftige Flüchtlinge in Europa fordern, ist erfüllt. Die Bundesregierung fordert das seit Monaten, sogar seit Jahren. Sie setzt sich nachhaltig dafür ein, dass wir ein gesamteuropäisches Aufnahmeprogramm bekommen. Wir alle mahnen das in jeder Rede hier an. Wir alle sind uns einig: Europa darf keine Einbahnstraße sein. Ich möchte ausdrücklich daran anschließen. Wir brauchen eine gesamteuropäische Verantwortung, und wir brauchen auch mehr Aufnahme von Flüchtlingen in ganz Europa. Aber sagen Sie mir doch bitte, mit welchen Mitteln wir das so umsetzen sollen, dass es auch gelingt. Wir sind in gewissem Maße auf Freiwilligkeit angewiesen. Es gibt keine Androhung von unmittelbarem Zwang oder Ähnlichem.
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kabarett!)
Insofern sind wir hier auf die diplomatischen Kanäle angewiesen. Ich bin mir sicher, Sie alle werden in Ihren Parteien auf allen Ebenen, vielleicht auch länderübergreifend, dafür werben, dass uns das zeitnah gelingt.
Der UN-Flüchtlingskommissar hat die deutsche Asylpolitik als Vorbild für ganz Europa bezeichnet. Wir haben längst drei Sonderkontingente für syrische Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Ja, angesichts des Leides kann man sagen, dass es nie genug ist. Ich will aber an dieser Stelle auch sagen – ich spreche hier ausdrücklich Herrn Trittin an –: Etwa 11 Millionen Syrier befinden sich auf der Flucht, 4 Millionen in den Nachbarstaaten und 6,5 Millionen in Syrien. Ich spreche nur Syrien an. Dann sagen Sie mir bitte, wie man dieses Problem mit wie vielen Aufnahmeprogrammen hier lösen will.
Deshalb ist es richtig, dass wir – ich höre das immer wieder – unseren Fokus auf die Hilfe vor Ort richten müssen. Nur wenn wir die Fluchtursachen bekämpfen und nur wenn wir die Krisenstaaten stabilisieren, kann uns wirklich die Linderung von Leid gelingen. Es ist seit Jahren das zentrale Ziel der Außen- und Entwicklungspolitik dieser Bundesregierung, unseren Fokus auf die Hilfe vor Ort zu richten. Das halte ich angesichts von über 50 Millionen Menschen, die sich auf der Flucht befinden, für den richtigen Weg.
Ich möchte noch auf eine Forderung der Linken eingehen. Sie fordern in Ihrem Antrag die Auflösung von Frontex. Wenn wir Frontex heute auflösen würden, dann würden wir nicht nur die Sicherheit der Menschen in Europa gefährden, sondern auch das Leben der Migranten auf dem Mittelmeer. Würde man diese Forderung umsetzen, hätten Schmuggler, die organisierte Kriminalität und auch IS freie Bahn. Europa würde seine Kontrolle über die Migrationsströme verlieren. Dadurch würde auch die solidarische Lastenverteilung für den europäischen Grenzschutz abgeschafft werden. Sie würden damit auch das Leben der vielen Menschen gefährden, die aktuell auf dem Mittelmeer gerettet werden.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)
Ein Seenotrettungsdienst, wie Sie ihn fordern, wäre kein Ersatz für Frontex. Denn Frontex schützt nicht nur unsere Grenzen, sondern rettet auch im Notfall. Frontex leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und zur Bekämpfung der kriminellen Schleusernetzwerke. Natürlich müssen wir diese Schleusernetzwerke – ich sage das an dieser Stelle – mit allen möglichen und uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Wir dürfen diese Schleuserkriminalität nicht länger zulassen. Wir müssen dem kriminellen Treiben ein Ende bereiten, soweit uns das möglich ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD])
Ich habe vorhin gehört, man solle das ganze Mittelmeer überwachen. Ich frage mich, ob Sie einmal geschaut haben, wie groß das Mittelmeer ist. Das Mittelmeer hat 2,5 Millionen Quadratkilometer. Erklären Sie mir einmal, Frau Jelpke, in einer Ihrer nächsten Reden, wie Sie das bewerkstelligen wollen. Wir können die Flüchtlingskrisen nur in den Herkunftsländern lösen. Die Anträge sind, wie ich schon sagte, teilweise überholt und nicht bis zum Ende gedacht. Gehen Sie doch auch einmal darauf ein, was wir mit den vielen Menschen machen wollen, die sich innerhalb ihrer Länder auf der Flucht befinden. Auch dafür müssen wir Lösungen finden. Die Lösung kann nicht sein, unbegrenzt eine Brücke nach Europa zu bauen, so sehr man das auch sympathisch, menschlich und human finden kann. Aber es ist keine Lösung für über 50 Millionen Menschen auf der Flucht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5234360 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 110 |
Tagesordnungspunkt | Seenotrettung und EU-Asylpolitik |