17.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 111 / Tagesordnungspunkt 1

Elisabeth ScharfenbergDIE GRÜNEN - Hospiz- und Palliativversorgung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Laumann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste, die heute dieser Debatte zuhören können! Es ist ein schweres Thema, mit dem wir uns heute befassen: Palliativ- und Hospizversorgung. Das ist nichts, was wir von uns wegdrücken können. Das betrifft uns alle, jede und jeden hier im Raum. Es geht um die eigene Endlichkeit. Es geht auch um das eigene Sterben. Wir alle haben Angst vor Abhängigkeit. Wir haben Angst vor Hilflosigkeit und natürlich auch Angst vor dem Verlust der Würde. Wir haben Angst vor dem Verlust unserer Selbstbestimmung. Wir haben Angst vor Schmerzen. Es geht aber auch um Loslassen und Abschied für Angehörige. Es geht auch um die Akzeptanz von Grenzen, gerade für Ärzte und für Pflegepersonal. Das heißt, wir drücken dieses Thema weg, solange wir irgendwie können, bis wir uns eben nicht mehr wegducken können, bis wir uns mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Das tun wir heute hier.

Bei der Palliativ- und Hospizversorgung gibt es trotz aller Fortschritte der letzten Jahre immer noch sehr, sehr viel zu tun. Das ist – da gebe ich der Kollegin recht – kein Thema für parteipolitisches Gezänk.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Der Bundestag muss sich intensiv mit diesen schweren Fragen befassen. Es ist an uns, diese Debatte anzustoßen bzw. auszulösen, die Debatte zu führen und das Thema dadurch natürlich auch in die Gesellschaft zu tragen. Diese Debatte hat eine ganz hohe symbolische Bedeutung. Deshalb dürfen wir daraus keine Symbolpolitik machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Pia Zimmermann [DIE LINKE] – Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Das finde ich auch!)

Ihr Gesetzentwurf ist an vielen Stellen gut und richtig. Aber ich denke, die Probleme werden nicht in der ganzen Breite grundsätzlich genug angepackt. Was meine ich damit? Ich meine insbesondere die stationären Einrichtungen und Krankenhäuser. Sie wollen die Palliativversorgung in stationären Pflegeinrichtungen und Krankenhäusern stärken. Das ist absolut notwendig. Kliniken und Pflegeheime sind die Orte, an denen 80 bis 90 Prozent der Menschen sterben. Um ein Gefühl dafür zu entwickeln: Ich rede hier von 700 000 bis 800 000 Menschen; das ist, um es noch deutlicher zu machen, die Einwohnerzahl von Frankfurt am Main. Das zeigt uns, wie drängend dieses Problem ist. Diese Realität erreicht täglich die Menschen, die in stationären Einrichtungen und Krankenhäusern leben, versorgt werden oder auch arbeiten. Diese Einrichtungen sind nicht darauf eingerichtet. Dennoch müssen sie diese Situation managen.

Es fehlt an Personal. Es fehlt an Geld. Gute Palliativ- und Hospizversorgung in Kliniken und Pflegeheimen ist aber von einem sehr, sehr gut ausgebildeten Personal abhängig. Das ist auch und vor allem eine Frage von genügend Personal. Dazu steht derzeit leider noch wenig in Ihrem Gesetzentwurf. Wir alle wissen, dass es in Kliniken wie in Pflegeeinrichtungen doch wirklich an allen Ecken und Enden an Personal fehlt. Wir haben einen zunehmenden Fachkräftemangel; das ist kein Geheimnis. Das können wir täglich erleben. Das können wir lesen, und das können wir spüren. Auch die Menschen in den Einrichtungen berichten uns das sehr drastisch.

Ein Problem ist natürlich die unzureichende Finanzierung des Pflegepersonals. Ich denke, die Zusammenlegung der Pflegeberufe wird dieses Problem nicht lösen. Aber was könnte eine Lösung sein? Ich denke, ein Schrittin die richtige Richtung wäre ein verbindliches Personalbemessungsinstrument.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Damit würde der Personalbedarf in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen objektiv gemessen werden, das heißt: Wie viel Personal brauche ich denn wirklich für welche Tätigkeit? Damit könnte man auch punktgenau landen.

Ein weiteres Problem ist, dass Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Einrichtungen quasi keinen Anspruch auf einen stationären Hospizplatz haben; das ist ein Riesenproblem. Denn man geht davon aus, dass diese Menschen in der stationären Einrichtung oder im Altenpflegeheim versorgt sind. Aber auch da fehlt es an Händen, und da fehlt es an Zeit. Ich denke, damit müssen wir uns ganz ehrlich auseinandersetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das alles – das weiß auch ich – geht nicht von heute auf morgen. Das wird Geld kosten. Aber das muss uns gute Pflege auch wert sein. Die Palliativ- und Hospizversorgung ist auf gute Pflege absolut angewiesen. Gute Palliativ- und Hospizversorgung kostet Zeit und Geld. Wenn wir ehrlich sind, weiß das jeder hier im Raum. Ich denke, wir sollten uns dem stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Was braucht es noch? Angehörige sterbender Menschen brauchen eine bessere Unterstützung. Trauerbegleitung ist besonders wichtig. Der Sterbeprozess, denke ich, ist ein ganz besonderer Prozess; Kliniken berichten uns das. Angehörige zu unterstützen, ist aktive Prävention und beugt Erkrankungen nach dem Todesfall vor. Ich meine hiermit ganz klar Depressionen.

Auch das fehlt mir derzeit noch – ich sage: „derzeit noch“ – in Ihrem Gesetzentwurf. Ich denke aber, das ist leicht zu heilen und wird nicht allzu viel Geld kosten. Die Wirkung ist enorm groß, und wir sollten auch hier genau hinschauen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Ich denke, die Gesetzesvorhaben, die wir im Moment angehen, nehmen beeindruckend schnell Gestalt an, aber ich glaube wirklich, wir sollten auch noch mutige Weichenstellungen vornehmen. Wir haben zurzeit eine riesengroße Chance. Diese Chance sollten wir nutzen, gerade im Bereich der Palliativ- und Hospizversorgung. Das sind wir den Menschen im Land und auch uns schuldig.

Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in diesem Haus einen interfraktionellen Arbeitskreis Palliativ- und Hospizversorgung, in dem sehr kollegial und gut miteinander gearbeitet wird. Ich bitte einfach wirklich noch einmal, zu erwägen, ob dies nicht ein Thema für einen gemeinsamen interfraktionellen Gesetzentwurf ist. Wir alle haben gute Ideen. Lassen Sie sie uns einspeisen und uns gemeinsam an einem Strang ziehen. Das wäre ein starkes Zeichen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich erteile dem Kollegen Jens Spahn für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5260683
Wahlperiode 18
Sitzung 111
Tagesordnungspunkt Hospiz- und Palliativversorgung
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