Bettina MüllerSPD - Hospiz- und Palliativversorgung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute verbringt die Mehrheit der Menschen die letzte Lebensphase in stationären Einrichtungen, in Pflegeheimen oder in Krankenhäusern. Wenn die schwerkranken und sterbenden Menschen eine Wahl hätten, würden die meisten von ihnen lieber zu Hause im Kreis ihrer Angehörigen sterben. Dafür brauchen wir einen umfassenden Ausbau der Palliativmedizin, der Pallia- tivpflege und der hospizlichen Sterbebegleitung.
Insbesondere im ländlichen Raum fehlt es jedoch an ausreichenden Angeboten auf diesem Gebiet. Deshalb wollen wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf auch die Hausärzte durch Programme und Netzwerke stärker an der Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen beteiligen. Sie haben oft über Jahre hinweg einen sehr intensiven und auch sehr vertrauensvollen Kontakt zu ihren Patienten. Die meisten Kranken wünschen sich daher, dass der Arzt, der die Familie ein Leben lang begleitet und auch sie selbst behandelt hat, am Ende des Lebens zur Stelle ist und sie ihm ihre Sorgen und Nöte mitteilen können. Wir werden daher ein besonderes Augenmerk auf die Versorgungsverträge richten, die die Selbstverwaltungspartner für diesen hausärztlichen Bereich aushandeln müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dabei muss natürlich auch darauf geachtet werden, dass die Qualität stimmt. Entsprechende Zusatzqualifikationen oder eine enge Anbindung an SAPV-Teams sind unabdingbare Voraussetzung für einen Einsatz in diesem Bereich. Eine Palliativversorgung zweiter Klasse wird es mit uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht geben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])
Hier gilt aber auch: Konkurrenzdenken ist völlig fehl am Platz. Vielmehr werden wir in den nächsten Jahren aus allen Berufsgruppen Spezialisten für diese wichtige Aufgabe brauchen. Es wird zum einen aufgrund der demografischen Entwicklung eine höhere Anzahl schwerkranker und sterbender Menschen geben. Zum anderen wird gerade mit diesem verbesserten Angebot für die hospizliche und palliative Versorgung im häuslichen Bereich, die wir mit diesem Gesetz schaffen, auch die Zahl derer steigen, die zu Hause bleiben und diese Form der Versorgung in Anspruch nehmen wollen. Gerade in der letzten Lebensphase verändert sich zudem der Hilfebedarf ständig, sodass eine vernetzte Versorgung – dieses Stichwort ist heute wiederholt gefallen – besonders wichtig ist. Hier wird es ein Zusammenwirken von Fachärzten, Hausärzten, SAPV-Teams und Hospizdiensten geben müssen, um den Bedürfnissen der Schwerkranken gerecht zu werden.
Wir brauchen nicht nur ein Mehr an Versorgung; wir brauchen vor allen Dingen auch die Vielfalt an Versorgungsformen. Wir brauchen also alle, die für diese Versorgung geeignet sind. Ich appelliere an alle, sich eng zu vernetzen und in den Regionen zum Wohl der Patienten zusammenzuarbeiten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die häusliche Krankenpflege hat hier eine besondere Bedeutung. Wir werden daher die Voraussetzung dafür schaffen, dass Menschen über die üblichen vier Wochen hinaus palliativpflegerisch betreut werden können, und das Leistungsspektrum entsprechend erweitern. Um den Ausbau der SAPV im ländlichen Raum zu fördern, werden wir – das ist schon angeklungen – die betreffenden Versorgungsverträge dadurch unterfüttern, dass wir Schiedsverfahren einführen, damit im Fall von Uneinigkeit schnell Lösungen herbeigeführt werden können.
Auch die unersetzlichen – das will ich betonen – ambulanten Hospizdienste wollen wir mit diesem Gesetz stärken. Wir werden neben den Personalkosten künftig auch die Sachkosten berücksichtigen, und es soll in diesem Bereich ein angemessenes Verhältnis zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die besten Strukturen nützen jedoch nichts, wenn die Betroffenen nichts davon wissen. Daher haben Versicherte künftig einen Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen bei der Auswahl und Inanspruchnahme von Leistungen im Hospiz- und Pallia- tivbereich. Dazu gehören auch schriftliche Informationen über die lokal vorhandenen Angebote und Hilfestellungen bei der Kontaktaufnahme hierzu. Die Krankenkassen sollen hierbei mit der Pflegeberatung, mit den kommunalen Servicestellen oder auch mit den schon vorhandenen Versorgungsstrukturen zusammenarbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jahrelang war die Hospiz- und Palliativversorgung ein Stiefkind des Gesundheitswesens. Heute besteht aber Einigkeit darüber, dass eine menschenwürdige Behandlung schwerkranker und sterbender Menschen ein zentrales Anliegen von Medizin und Pflege sein muss. Am Ende geht es nicht mehr um invasive Apparatemedizin, sondern es geht darum, dass die Menschen nicht allein sind, dass sie keine Schmerzen haben und dass sie selbst entscheiden können, wie sie ihre letzte Zeit verbringen. Dafür, denke ich, schaffen wir mit diesem Gesetz gute Voraussetzungen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Letzter Redner in der Aussprache ist der Abgeordnete Erwin Rüddel, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5260770 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 111 |
Tagesordnungspunkt | Hospiz- und Palliativversorgung |