Max StraubingerCDU/CSU - 17. Juni 1953 - Für Freiheit, Recht und Einheit
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute vor 62 Jahren haben Hunderttausende Frauen und Männer den ersten Sargnagel tief in das Unrechtsregime der DDR geschlagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb ist der 17. Juni 1953 ein ausgesprochen wichtiger Tag in der Geschichte unseres Landes.
In Westdeutschland war er lange unser Tag der Einheit. Heute ist das in Vergessenheit geraten. Das müssen wir uns selbstkritisch vor Augen führen. Ich habe heute viele Tageszeitungen durchgeblättert, um festzustellen, ob es in irgendeiner Zeitung einen Beitrag zum 17. Juni 1953 gibt. Ich habe keinen gefunden. Daher ist es umso wichtiger, dass wir heute diese Debatte in diesem Hohen Haus führen, um der zu Tode Gekommenen, der Verletzten und derer, die eingesperrt worden sind, zu gedenken.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der 17. Juni ist ein großer Tag. Es ist ein Tag der Zivilcourage, des Willens zur Einheit und des Willens zur Freiheit. Deshalb ist der 17. Juni kein ost- und auch kein westdeutscher Tag; es ist ein gesamtdeutscher Gedenktag.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir im Westen hatten nach der beispiellosen moralischen und zivilisatorischen Niederlage der Nazidiktatur die einmalige Chance, unser Leben in Frieden und Freiheit selbst zu bestimmen; Kollegin Iris Gleicke hat darauf bereits hingewiesen. Auf unsere Landsleute im Osten dagegen wartete eine neue Diktatur. Herr Lutze, Sie haben gesagt, dass der Marshallplan dem Westen geholfen hat. Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass die DDR weder demokratisch noch republikanisch war und zudem den Menschen keine Freiheiten ließ. Auch insofern ging es den Menschen im Westen besser.
Eine demokratische Republik fälscht nicht die Wahlen. Ein demokratischer Staat beugt nicht die Rechte der Menschen. Ein demokratischer Staat bespitzelt nicht massenhaft und systematisch seine Bürger.
(Zurufe von der LINKEN: Aha!)
Er fertigt keine Protokolle über das Leben der Menschen an. Er sperrt auch keine Jugendlichen in Umerziehungsheime, wie es in der DDR der Fall war. Er inhaftiert keine Andersdenkenden. Demokratische Staaten gehen nicht mit Panzern gegen Demonstranten vor, und sie bauen auch keine Mauern um die eigene Bevölkerung herum auf, wie es in der DDR war, und sie erschießen niemanden, der nur das Land verlassen will. – Ein Staat, der all das tut, ist ein Unrechtsstaat,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
nicht nur in der Konsequenz, sondern von Grund auf. Die vielen Tausend Flüchtlinge und Ausreisewilligen, die Unzähligen, die in die innere Emigration gingen, die Gefangenen in Hohenschönhausen, in Bautzen, in Schwedt und anderswo, die vielen Mauertoten und die Toten des 17. Juni 1953 bezeugen das mit ihrem Schicksal. Auch ihrer gedenken wir heute.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dass wir heute zu unserem Glück vereint sind, verdanken wir dem langen Atem und dem unbedingten Freiheitswillen der Menschen in der DDR. Den mutigen Volksaufstand hat das Stasiregime noch feige mit sowjetischen Panzern niederschlagen lassen; die Toten und Verletzten wurden bereits erwähnt. Den Freiheitswillen der Menschen freilich haben Ulbricht und seine Erben nicht erdrücken können – nicht durch Panzer, nicht durch die Mauer, nicht durch den Schießbefehl und auch nicht durch die 600 000 Spitzel während der Zeit des Bestehens der DDR, die ihren Beitrag geleistet haben. Der Wille nach Freiheit blieb wach in den Herzen der Menschen. Sie haben dann mit ihrem Mut die Mauer eingerissen, eine Diktatur friedlich niedergerungen und freie Wahlen erzwungen.
Frau Kollegin Gleicke hat die Entspannungspolitik angesprochen. Wir möchten ausdrücklich die Leistungen von Brandt und Genscher anerkennen. Aber es lag auch an Menschen wie Helmut Kohl, Theo Waigel, Wolfgang Schäuble, Sabine Bergmann-Pohl und Lothar de Maizière, dass es gelungen ist, die Einheit in Freiheit zu vollenden und letztendlich dem Auftrag der Menschen des 17. Juni gerecht zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber dass diese Stunde überhaupt kommen konnte, verdanken wir nicht zuletzt unserem unvergessenen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Franz Josef Strauß.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Strauß ist nie müde geworden, darauf zu drängen, den Grundlagenvertrag auf seine Verfassungskonformität zu überprüfen. Bayerns Klage in Karlsruhe erwies sich als ein Glücksfall für die deutsch-deutsche Geschichte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es war nicht nur für mich – als Junge im Westen aufgewachsen, der sich in keiner Weise so intensiv mit der Geschichte befasste – bedeutsam, dass Franz Josef Strauß bei den vielen Reden, die er hielt, immer auf die deutsche Einheit hinwies. Als Junge hat man daran gar nicht mehr geglaubt; das sage ich ganz offen. Es war aber richtig, dass klargestellt wurde, dass das Wiedervereinigungsgebot für alle Verfassungsorgane bindend ist. Damit ist es auch gelungen, auf der Grundlage des Grundgesetzes die Wiedervereinigung zu erreichen.
Die Verweigerung der völkerrechtlichen Anerkennung war Bayerns Beitrag zum Fall des Unrechtsstaates; denn so blieben wir Deutsche, was wir trotz Teilung immer waren: ein Volk – ein Volk, das stolz ist auf die Freiheitskämpfer des 17. Juni.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Das Wort hat der Kollege Thomas Jurk für die SPD- Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5261485 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 111 |
Tagesordnungspunkt | 17. Juni 1953 - Für Freiheit, Recht und Einheit |