Gerda HasselfeldtCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen war die Welt zu Gast in Bayern. Der G-7- Gipfel in Elmau war ein voller Erfolg, ein Erfolg für uns alle: für Bayern, für Deutschland, ja, für die ganze Welt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Die Signale, die von Elmau ausgingen, waren eindeutig und klar: Erstens. Die führenden Industriestaaten halten zusammen. Zweitens. Sie verständigen sich gemeinsam auf ehrgeizige Klimaziele. Drittens. Sie kämpfen gemeinsam gegen Epidemien und Hunger. Viertens. Die klare Botschaft an Präsident Putin war: Die Annexionspolitik, die Expansionspolitik Russlands ist völkerrechtswidrig. Die Sanktionen können nur dann beendet werden, wenn Russland aufhört, die Ukraine zu destabilisieren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dieser Erfolg von Elmau ist ein persönlicher Erfolg unserer Bundeskanzlerin. Ich möchte ihr dazu herzlich gratulieren und ihr für diesen Einsatz danken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es ist in der Debatte zu Recht deutlich geworden, dass ein wesentlicher Schwerpunkt des Gipfels in den nächsten Tagen die Migrations- und Flüchtlingspolitik sein wird. Dieses Problem bewegt die Menschen. Wir haben die größte Flüchtlingswelle der Nachkriegszeit. Die Menschen fragen zu Recht: Was ist eure Antwort? Dabei gilt sicher: Die Antwort kann nicht nur eine nationale sein, sondern die Antwort muss eine europäische sein. Es ist unser gemeinsames Anliegen, in Europa diese Herausforderung zu meistern.
Die Aufgaben sind so schwierig, dass sie nicht mit einer Maßnahme allein erledigt werden können. Es ist Vielfältiges notwendig. Als Erstes gilt es, alles zu tun, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben können, das heißt die Fluchtursachen zu bekämpfen. Ich begrüße außerordentlich das große Engagement von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, der unermüdlich unterwegs ist, um für die Flüchtlinge Perspektiven aufzubauen und zu schaffen, damit sie in ihrer Heimat bleiben können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Es ist auch der richtige Ansatz, dass sich die Europäische Union im Herbst dieses Jahres zu einem EU- Afrika-Gipfel in Malta trifft. Denn nur dann, wenn gemeinsam besprochen wird, wo Hilfe möglich ist, kann es gelingen, instabile Regionen zu stabilisieren. Das muss dann auch gemacht werden.
Daneben ist es aber auch notwendig, bilateral alle Gelegenheiten zu nutzen, instabile Regionen zu stabilisieren: persönliche Kontakte oder Gespräche, die sich bei Besuchen ergeben, sowohl in den betreffenden Ländern als auch dann, wenn ausländische Gäste bei uns sind, beispielsweise als der ägyptische Präsident hier war. Auch das ist notwendig, um das Ziel zu erreichen, instabile Regionen zu stabilisieren. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass Menschen in ihrer Heimat verbleiben können; denn wir in Europa können nicht die Probleme der ganzen Welt lösen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein zweiter Ansatz, dem wir uns widmen müssen, ist die Rettung der Menschen durch die Intensivierung der Seenotrettung und die Bekämpfung der Schlepperbanden. Ich begrüße, dass die finanzielle Unterstützung der Mittelmeeroperationen, die von Frontex durchgeführt werden, erhöht wurde. Ich danke ausdrücklich den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die in den letzten Wochen durch ihren Einsatz fast 4 000 Menschen gerettet haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Daneben müssen wir auch über so manche neue, vielleicht noch nicht erprobte, noch nicht ganz zu Ende diskutierte Lösungsmöglichkeit nachdenken, wie beispielsweise Asylzentren, entweder in Nordafrika oder in einer anderen Region. Ich weiß auch, dass da noch viele Fragen offen, viele Fragen zu klären sind. Aber die Herausforderung ist so groß, dass wir nicht einfach Ideen und Vorschläge, die sinnvoll erscheinen, auf die Seite wischen können, nur weil noch Probleme und Fragen zu klären sind. Das ist etwas, womit wir uns meines Erachtens zu beschäftigen haben; denn wir in Europa können nicht alle Probleme Afrikas lösen. Vielmehr müssen wir alle Lösungsmöglichkeiten auch wirklich ausschöpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Die dritte Aufgabe liegt darin, dass wir an einer fairen und gerechten Lastenverteilung in Europa zu arbeiten haben. Es ist eben nicht fair und nicht gerecht, wenn etwa drei Viertel der Asylbewerber in Europa von nur fünf Staaten aufgenommen werden. Das hat mit Solidarität in Europa nichts zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun habe ich schon Verständnis dafür, dass die Interessen aufgrund der unterschiedlichen Möglichkeiten in den einzelnen Nationalstaaten verschieden sind. Deshalb begrüße ich, dass der Bundesinnenminister gemeinsam mit seinem französischen Kollegen nicht einfach nur eine Forderung aufstellt, sondern die Bedenken anderer Staaten auch ernst nimmt, Vorschläge macht und an konkreten Lösungen mitarbeitet. Ich hoffe sehr, dass diese Lösungsansätze zu einem Ergebnis führen, das eine gewisse Differenzierung und systematische Erarbeitung des Problems mit beinhaltet.
Nun weiß auch ich, dass all diese Probleme nicht nur europäisch gelöst werden können, sondern dass wir dazu auch national unsere Hausaufgaben machen müssen. Dazu dient unter anderem auch das Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten auf der Ministerpräsidentenkonferenz am heutigen Nachmittag, die gut vorbereitet ist. Da geht es nicht nur um das Geld, sondern auch – das ist ganz wesentlich – um strukturelle Änderungen. Es wird damit deutlich: Dieses Problem ist so groß, dass eine Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Gemeinden gefragt ist. Dieser Verantwortungsgemeinschaft, meine Damen und Herren, sind wir uns im Bund auch bewusst und haben entsprechende Vorschläge sowohl im finanziellen als auch im strukturellen Bereich unterbreitet.
(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich möchte bei dieser Gelegenheit all denen sehr herzlich danken, die in unseren Städten und Gemeinden ehrenamtlich arbeiten und die Arbeit der Behörden und der Politik unterstützen. Das ist ein großes Engagement, das gar nicht hoch genug gewürdigt werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ein weiterer Schwerpunkt des Gipfels wird auch die Zukunft und die weitere Gestaltung der Währungsunion sein. Es ist richtig, was die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung gesagt hat: dass wir auf der einen Seite eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Geldpolitik haben, dass wir auf der anderen Seite in der Gestaltung der Wirtschaftspolitik aber eine weitgehende Souveränität in breitem Umfang haben. Das führt dazu, dass man immer wieder koordinieren muss, dass immer wieder austariert werden muss, weil wir alle miteinander durch eine nicht koordinierte Wirtschaftspolitik in Europa unter Umständen Nachteile haben oder Schaden nehmen. Deshalb ist es auch richtig, dass man sich bei diesem Gipfel über eine intensivere Koordinierung der Wirtschaftspolitik in Europa Gedanken macht. Mindestens genauso wichtig aber ist, dass der Geist der Europäischen Währungsunion nicht verloren geht. Dieser Geist heißt: Vereinbarungen werden getroffen, und die Vereinbarungen müssen auch eingehalten werden. – Das gilt es sich immer wieder bewusst zu machen und zu unterstreichen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt sich insbesondere auch bei der aktuellen Situation in Griechenland. Das, was die derzeitige griechische Regierung veranstaltet, schadet den Menschen in Griechenland, schadet dem Euro und schadet auch Europa. Dessen muss sich diese Regierung bewusst sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Es wurde in der Debatte schon deutlich, dass die Grundphilosophie, die in den letzten Jahren die Politik der Währungsunion getragen hat – nämlich Solidarität auf der einen Seite, verbunden mit Solidität auf der anderen Seite –, erfolgreich war, dass sie aber auch für Griechenland in der Zukunft gelten muss. Nur dann wird es auch eine Möglichkeit geben, dass sich die Situation für die Menschen in Griechenland verbessert. Da kann es nicht darum gehen, mit Frechheit und Erpressung zu arbeiten, sondern da kann es nur darum gehen, miteinander verantwortungsvoll umzugehen, Solidarität nicht überzustrapazieren und auch die entsprechende Solidität unter Beweis zu stellen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Flüchtlingsfragen, in der Frage der Sicherheitspolitik oder auch der Wirtschaftspolitik wird uns immer deutlicher bewusst – ich habe den Eindruck, auch den Menschen im Land –, dass die großen Herausforderungen unserer Tage nicht nur mit nationalen Maßnahmen gelöst werden können, sondern dass sie zunehmend einer globalen, mindestens aber europäischen Lösung bedürfen. Dass dies bei den unterschiedlichen nationalen Interessen, bei den unterschiedlichen nationalen Kompetenzen nicht immer ganz einfach ist, erleben wir seit Jahren – ich möchte fast sagen: seit Jahrzehnten. Die Bundeskanzlerin hat in all diesen Jahren bei schwierigsten Diskussionen in Europa und darüber hinaus immer großes Geschick bewiesen. Ich wünsche ihr auch weiterhin eine glückliche Hand.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Christian Petry ist der nächste Redner für die SPD- Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5266033 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |