18.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 5

Gunther KrichbaumCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte zum Europäischen Rat zeigt eines: Wir beschäftigen uns schwerpunktmäßig mit einem Thema, das so eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung steht, nämlich mit Griechenland. Das zeigt aber eben auch, wie sehr die Krise in und um Griechenland unsere Energien beansprucht, die wir dann auf andere Themen, die tatsächlich auf der Tagesordnung stehen, gar nicht mehr verwenden können, seien es die dramatischen Ereignisse in der Ukraine, sei es vor allem auch die dramatische Situation der Flüchtlinge.

Gleichermaßen: Die Lage ist, wie sie ist. Deswegen möchte auch ich, zu Beginn jedenfalls, auf die Lage in Griechenland eingehen. Wichtig scheint mir dabei, eines zu unterstreichen: Die Politik zur Stabilisierung des Euro und damit die Politik unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel war und ist erfolgreich.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wir dürfen nicht vergessen, wo wir eigentlich herkamen: Wir hatten 2009 und 2010 die seit dem Zweiten Weltkrieg schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa, ja weltweit. Etliche Länder gerieten in Schieflage. Im Falle der Insolvenz eines dieser Länder hätte ein verheerender Dominoeffekt gedroht, den wir wahrscheinlich kaum mehr hätten beherrschen können.

Seit dieser Zeit haben wir eine Stabilisierungsarchitektur in der Euro-Zone geschaffen, die sich sehen lassen kann. Wir haben die EFSF begründet, die dann später durch den ESM abgelöst wurde. Wir haben das Europäische Semester mit seinen länderspezifischen Empfehlungen aus der Taufe gehoben. Wir haben eine Bankenunion geschaffen. Wir holten im Prinzip das im Zeitraffer nach, was wir vernünftigerweise damals mit dem Vertrag von Maastricht schon hätten machen müssen, sprich: mit der Einführung des Euro.

Da gebührt mein persönlicher Dank ganz besonders unserem Bundesfinanzminister Herrn Dr. Schäuble, der sich in mitunter sehr zähen Verhandlungen erfolgreich für diese Strategie eingesetzt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Rainer Arnold [SPD] und Joachim Poß [SPD])

Die damals drohenden Ansteckungsgefahren jedenfalls sind heute weitestgehend gebannt.

Und nun zu Griechenland. Griechenland wird an diesem Erfolg nichts ändern – so oder so. Denn zu einer Rettung gehören mindestens zwei: der eine, der rettet, und der andere, der sich auch retten lassen muss. Bitter ist, dass das Land grundsätzlich auf einem guten Weg war, bis es die Neuwahl in Griechenland gab und damit eine linksradikale und rechtspopulistische Regierung ans Ruder kam. Das ist selten von Erfolg gekrönt.

In Griechenland gab es drei Quartale hintereinander mit Wirtschaftswachstum, und es gab wieder einen sogenannten Primärüberschuss. Das heißt, dass die Einnahmen – unter Außerachtlassung der Zinsen – die Ausgaben überwogen. All das darf man nicht vergessen. Dieser Weg wurde durch Vereinbarungen zwischen der griechischen Regierung und der damals bestehenden Troika eingeleitet. Diese Vereinbarungen hatten Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Joachim Poß [SPD])

Das Aufkündigen dieser Vereinbarungen führte nicht nur innerhalb der Euro-Zone zu einem Vertrauensverlust, sondern auch dann, als es darum ging, ausländische Investoren zu bewegen, in das Land zu kommen. Gerade das hat dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit durch das Ausbleiben von Investitionen angestiegen ist.

Soll tatsächlich eine erfolgreiche Rettung erfolgen – was wir uns hier alle, glaube ich, parteiübergreifend wünschen –, dann muss die Regierung in Athen eine 180-Grad-Wende vollziehen. Wir sind hier weder im Kasino noch auf einem Basar. Deswegen muss auch die linksradikale Regierung in Athen folgende zentrale Fragen beantworten: Ist Griechenland bereit, seine hohen Staatsausgaben zu reduzieren? Ist das Land bereit, ein funktionierendes Steuersystem – insbesondere auch, was den Steuervollzug angeht – auf die Beine zu stellen?

Herr Kollege Poß und ich hatten schon im Europaausschuss dazu eine Diskussion. Die steuerlichen Außenstände Griechenlands belaufen sich auf eine Summe von circa 68 bis 69 Milliarden Euro. Das Ganze wird noch durch ein Gesetz der Regierung von Herrn Tsipras im März befeuert, wonach eine Steuerstundung erfolgte – aber unter Außerachtlassung einer Obergrenze; die Grenze der in Rede stehenden 1 Million Euro wurde aufgegeben. Die Folge war, dass dieses Gesetz der linksradikalen Regierung die Oligarchen in Athen – genau diejenigen, welche diese Regierung gemäß ihren Wahlversprechungen eigentlich zur Kasse bitten wollte – mit begünstigte.

Deswegen gilt – das dürfen Sie zu meiner Linken ruhig einmal zur Kenntnis nehmen – eines: Wenn es schon Steueraußenstände in einer solchen Dimension gibt, dann gehört es zur Verantwortung der Regierung eines Landes, zunächst die eigenen Staatsbürger zur Kasse zu bitten bzw. sie für entsprechende Einnahmen des Staates mit heranzuziehen. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich könnte jetzt weitermachen und über die Rentenreform sprechen. Leider ist Herr Gysi jetzt nicht mehr zugegen. Ihm würde ein Artikel aus der gestrigen FAZ weiterhelfen, in dem alles minutiös beschrieben wird. Denn es gibt in Griechenland nicht nur die staatliche Rente; es gibt auch die Zusatzrenten. Deswegen liegt die Rente in diesem Land kaufkraftbereinigt im Durchschnitt bei 11 240 Euro jährlich – und damit tatsächlich weit über dem, was in osteuropäischen Ländern gezahlt wird. Genau das macht die Sache so schwierig.

Der griechische Finanzminister wurde bei einem Euro-Gruppen-Treffen von seinem slowakischen Kollegen an die Seite genommen, und ihm wurde vom Slowaken gesagt: Bitte, komm doch mal wieder zurück in die Spur. Bei mir sind die Durchschnittsrenten niedriger als in deinem Land.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Vor zehn Jahren, oder was? – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wollen Sie Griechenland mit Russland vergleichen?)

Daraufhin sagt ihm Herr Varoufakis ins Gesicht: Wenn die Deinigen damit auskommen können, die Meinigen tun es nicht. – Mit dieser Art von Arroganz, mit dieser Attitüde gewinnen die Griechen die Sympathien in Europa mit Sicherheit nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Joachim Poß [SPD])

Bei all den notwendigen Strukturreformen – zum Beispiel bei der Privatisierung – hat Europa bzw. die Europäische Union viel Solidarität bewiesen. Wir hatten bereits im Jahre 2012 die Entsendung von 120 Finanzbeamten angeboten. Jetzt, im Jahr 2015, haben wir noch einmal weitere 500 angeboten, die beim Aufbau einer eigenen Steuerverwaltung in Griechenland mithelfen könnten. Frankreich hat Hilfe angeboten. Die Niederlande haben im Bereich der Gesundheitsversorgung angeboten, ein funktionierendes Gesundheitssystem auf die Beine zu stellen. All das geschah im Rahmen der technischen Hilfe. Es ist schade, dass diese Hilfe bis zum heutigen Tag nicht angenommen wird und tatsächlich auch das Deutsch-Griechische Jugendwerk davon betroffen ist.

(Beifall der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])

Ich möchte ein Letztes sagen: Die Zeit ist noch nicht abgelaufen, aber wir werden auch Zeit – egal welche Ergebnisse seitens der Institutionen erzielt werden – für unsere parlamentarischen Beratungen benötigen. Ich darf nur in Erinnerung rufen, dass die nächsten regulären Fraktionssitzungen erst am 30. Juni stattfinden. Jeder weiß, was der 30. Juni, 24 Uhr, für ein Datum ist. Man muss nur an den IWF denken.

Insofern: Wir wünschen uns, dass Griechenland Mitglied der Euro-Zone bleibt; denn keiner glaube, dass das Gegenteil verheißungsvoller und besser wäre – weder für Deutschland noch für Europa.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Rainer Arnold von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5266047
Wahlperiode 18
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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